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Polestar 1 – das trojanische Pferd

geschrieben von Mark Kreuzer

Oft haben Plug-In-Hybride ein Imageproblem: Der Polestar 1 ist mit einer elektrischen Reichweite von 130 km und einem DC-Ladeanschluss ein Auto, welches beweist, dass PHEV eine echte und sinnvolle Alternative zu reinen Verbrennern sein können.

Die Marke Polestar dürfte den meisten eher unbekannt sein. Begonnen hat die Polestars Geschichte als schwedisches Rennteam, welches unter anderem Volvo für den Rennbetrieb modifizierte. Im Jahr 2009 wurde das Unternehmen Polestar Perfomance ein offizieller Partner und hat Tuning für Volvo Fahrzeuge angeboten. Im Jahr 2015 kaufte Volvo die Marke. Im Jahr 2017 wurde dann offiziell verkündet, dass Polestar eine eigenständige Marke wird, welche sich auf elektrifizierte Fahrzeuge spezialisieren wird.

Obwohl die Verwandtschaft zu Volvo bei genauem Hinsehen natürlich auffällt, konnte ich mich auf einem Fahrevent zu dem Polestar 2 davon überzeugen, dass Polestar eine eigene Marke ist, welche eine gehörige Portion Startup-Mentalität besitzt. In meinem Fahrbericht zu dem Polestar 2 habe ich damals geschrieben:

„Zumindest für den Moment glaube ich, dass die Neugründung einer eigenen Marke eine der besten Schritte war, um einen Hersteller zu erschaffen, der wirklich Strom statt Benzin im Blut hat.“

Der Polestar 2 hat mich auf dem ersten Fahrevent sehr begeistert. Wenn ihr wollt, könnt ihr noch mehr Informationen dazu in meinem privaten Podcast lesen.

Um die Zeit zu überbrücken, bis ich den Polestar 2 als Testwagen bekommen kann, habe ich darum gebeten, den Polestar 1 testen zu können.

Mit einem Preis von 155.000 €, 609 PS Systemleistung und einem maximalen Drehmoment von 1000 Nm ist der Polestar 1 sicherlich kein Auto für die breite Masse. Vielmehr glaube ich, dass der Polestar 1 eine Art trojanisches Pferd ist.

Technische Daten Polestar 1

Eine Systemleistung von 609 PS ist sicherlich etwas, was jedem Sportwagenfreund ein Lächeln auf das Gesicht zaubern sollte. Aber auch die anderen technischen Daten des Polestar 1 können sich sehen lassen:

Leistung Benziner 309 PS (227 kW) b. 6.000 U/min
Leistung Elektromotoren 2 x 85 kW (116 PS) = 170 kW (323 PS)
Drehmoment Elektromotoren 2 x 240 Nm = 480 Nm
Leistung Starter Generator 52 kW (68 PS)
Drehmoment ISG Starter Generator 161 Nm
Gesamtleistung 609 PS (448 kW)
Gesamtdrehmoment 1.000 Nm
Antrieb Frontantrieb, elektrischer Allradantrieb, 8-Gang-Automatik
0-100 km/h 4,2 s
Max. Geschwindigkeit 250 km/h
Max. elektrische Geschwindigkeit 160 km/h
Verbrauch lt. Hersteller 0,7 l/100 km
CO2-Ausstoß 15 g/km
Akkugröße 34 kWh
Elektrische Reichweite (WLTP) 124 km
Ladeleistung max. 50 kW (DC)

Weitere Besonderheiten des Polestar 1 sind hier sicherlich, dass die Elektromotoren kombiniert mehr Leistung haben als der Verbrenner. Auch eine WLTP Reichweite von 124 km ist ein Wert, den man in PHEV sonst nie sieht – genau so wenig wie die Möglichkeit, den Polestar 1 per DC-Schnelllader zu laden.

Hybrid Fahrzeuge – trojanische Pferde?

Eingangs habe ich gesagt, dass der Polestar 1 so etwas wie ein trojanisches Pferd ist. Dies möchte ich im Folgenden ein wenig genauer erklären. Schon beim Porsche Cayenne Turbo S E-Hybrid habe ich von einem Vernunftauto gesprochen [Link]. Der Polestar 1 geht nochmal einen Schritt weiter als der 680 PS starke SUV von Porsche.

Wenn ich Autos mit mehr als 400 PS Leistung teste, ist es eigentlich die Regel, dass ich innerhalb der ersten drei Tage den Wagen tanken muss. Der Polestar 1 bildet hier eine Ausnahme.

Normalerweise ist der Verbrauch der ersten Tage mit hochmotorisierten Fahrzeugen nie aussagekräftig, weil ich gerade am Anfang gerne die Beschleunigung eines Autos besser kennenlernen möchte.

Der Umstand, dass ich mit dem Polestar 1 dann doch die ersten 7 Tage ausgekommen bin, ohne auch nur einmal tanken zu müssen, hat mich wirklich beeindruckt. Dies auch unter dem Gesichtspunkt, dass ich während des Testzeitraumes noch keine eigene Wallbox zuhause hatte und den Wagen immer mit dem 230 V Ladegerät auflud.

Wie die meisten Hybrid-Fahrzeuge hat auch der Polestar 1 verschiedene Fahrmodi.

Pure, Hybrid, Power. Im Pure-Modus fahrt ihr durchgehend rein elektrisch, im Hybrid-Modus wechselt der Wagen selbstständig zwischen Verbrennungsmotor und Elektromotor, und im Power- Modus läuft der Verbrenner ständig während der Wagen ist auf maximale Leistungsfähigkeit ausgerichtet ist.

 

Tatsächlich bin ich die meiste Zeit im Hybrid-Modus unterwegs gewesen.

Aufgrund der hohen Elektro-Reichweite konnte ich meinen Alltag während der ersten 7 Tage nahezu ausschließlich elektrisch bewältigen. Wobei gerade beim zügigeren Fahren auch schonmal der Benzinmotor mitlief, aber ich für meinen Teil fahre im Alltag doch eher entspannt als sportlich.

Wie realistisch die 124 km Reichweite im Alltag sind, darauf habe ich nicht wirklich geachtet – denn selbst, wenn an einem Tag etwas mehr Kilometer bewältigt werden mussten, wurde das letzte Stück Strecke eben vom Verbrenner übernommen.

Ich persönlich halte die gerade beim Elektroauto oft zitierte „Reichweitenangst“ für ein Unwort, das vor allem jene Autofahrer benutzen, welche noch nie wirklich elektrisch unterwegs waren. Bei der Fahrt mit einem Hybrid-Fahrzeug existiert diese Angst ohnehin nicht. Das elektrische, fast lautlose, Dahingleiten ist im Alltag eine schöne Art zu fahren – vor allem, da es auch den Geldbeutel schont. Man gewöhnt sich also sukzessive daran, fast immer elektrisch unterwegs zu sein; es wird unmerklich zu einem neuen Standard.

Womit wir auch bei dem trojanischen Pferd wären: Dieses Hybrid Fahrzeug sorgt heimlich dafür, dass man seinen Blick auf Elektromobilität verändert.

Da bei mir aber regelmäßig auch Langstreckenfahrten von 400 km und mehr anstehen, ist der Verbrenner für mich auch ein weiterhin wichtiger Faktor – denn gerade auf einer langen Fahrt nur 5 Minuten für das Tanken zu verlieren, ist für Vielfahrer nicht zu vernachlässigen.

Aber auch hier habe ich ein unbewusstes Umdenken erfahren. An meinem Zielort angekommen, habe ich mir eine Ladesäule gesucht und den Wagen für meinen 2,5 Stunden langen Termin geladen – auch wenn der Weg von der Ladesäule zu meinem Termin noch einmal 15 min Fußweg bedeutet haben.

Um ehrlich zu sein, in anderen Hybrid-Fahrzeugen mit weniger elektrischer Reichweite hätte ich dies wahrscheinlich nicht getan.

Auf der Rückfahrt vom Termin stand dann der besagte Tankstopp an, den ich dann tatsächlich auch mit einer Mittagspause und einem 35 Minuten langen DC-Schnelladen verbunden habe. Für mich schön: Ich habe den Wagen an die Ladesäule gehangen, weil ich es wollte und nicht, weil ich musste.

Wenn der Polestar 1 in das Leben eines Fahrers tritt, vermittelt er also auf sehr unterschwellige Art und Weise den Elektrolifestyle und ist damit eindeutig ein trojanisches Pferd.

Design Polestar 1

Für meine „trojanisches-Pferd“ Theorie spricht im Weiteren noch ein Punkt: das Design des Polestar.

Solange ein Elektroauto nicht ein betont futuristisches Design aufweist, ist es schwer, es von einem Verbrenner zu unterscheiden (bestes Beispiel hierfür ist der Opel Corsa e). Das kantige und klare Design des Polestar 1 zieht einige Blicke auf sich. Verstärkt wird der Effekt noch durch das lautlose Fortbewegen in der Stadt.

Auch die Tatsache, dass der Polestar bei jedem Öffnen des Kofferraums einen Blick auf seine inneren Elektrowerte erlaubt, passt einfach in das stimmige Gesamtkonzept des Designs.

Eindruck Polestar 1

Der Polestar 1 ist kein Auto für die Masse. Allein schon der Preis von 155.000 € bringt ihn in eine Kategorie von Fahrzeugen, bei denen absoluten Perfektion erwartet wird. Tatsächlich leistet sich der Polestar 1 in meinem Test auch keine echten Schwächen – aber auch leider keine echten Glanzmomente.

Dass der Polestar 1 ein besonderes Auto ist, erkennt man trotzdem sofort. Das Design und das ungewohnte Logo zieht Blicke auf sich – besonders, wenn er lautlos durch die Innenstadt gleitet.

Für mich persönlich ist der Polestar 1 mehr ein Beweis der Firma Polestar, dass man den Weg in die Elektromobilität ernst meint. Vielleicht ist der „1“ eine Art Meisterstück, mit dem Polestar sein Können unter Beweis stellen wollte. Man sieht zwar noch einige Parallelen zu Volvo-Modellen, aber ich stelle die Eigenständigkeit der Marke nicht in Frage.

Der Erfolg der Marke Polestar wird nicht von dem Polestar 1, sondern von dem Polestar 2 abhängen. Der Polestar 1 hat derweil das Potential, zu einem Klassiker zu werden. Die limitierte Stückzahl in Kombination mit der Hybrid-Technologie macht ihn zu einem einzigartigen Fahrzeug, welches andere vergleichbare Coupes der gleichen Preisklasse zu „Mainstream“ Fahrzeugen degradiert.

Es ist leicht, dem Polestar 1 zu verfallen und ähnlich wie das hölzerne Pferd in Troja könnte die Anschaffung weitreichende Folgen für das Weltbild des Besitzers im Hinblick auf Autos mit Verbrennungsmotor haben.

Für die von euch die noch mehr Eindrücke von dem Polestar 1 haben wollt möchte ich euch noch meinen privaten Podcast zu dem Polestar 1 ans herzen legen oder das Video:

Über den Autor

Mark Kreuzer