Lasst uns über künstliche Intelligenz sprechen, über pfiffige Algorithmen, also kurz: über die Technologien, die das Zeug besitzen, uns das Leben unendlich viel leichter zu machen. Im besten Fall helfen diese Technologien bei der Erkennung und Behandlung von Krebs, verschönern unsere Smartphone-Fotos, empfehlen uns in einer fremden Stadt das beste italienische Restaurant und bieten Hilfestellung in tausend weiteren Fällen.
Aber da ist natürlich auch die Schattenseite: Die Unternehmen sammeln immer mehr Daten, können diese im richtigen Kontext angeordnet dazu nutzen, unsere Leben erschreckend exakt nachzuzeichnen, KI wird uns schon bald Arbeitsplätze klauen und wir riskieren, dass wir in unseren eigenen Filterblasen blind werden für andere Meinungen.
Und dann ist da noch diese Urangst in uns, dass sich die künstliche Intelligenz in absehbarer Zeit so dramatisch in ihrer Qualität verbessert, dass smarte Maschinen auf die Idee kommen könnten, dass es den Mensch irgendwie nicht mehr braucht.
Gerade letzteres halte ich erst einmal für Quatsch. Nur aus der Erkenntnis einer Maschine heraus, dass das menschliche Individuum einem Prozess nicht so nützlich ist wie ein Roboter, erwächst ja keine Machtfantasie besagter Maschinen oder der Wunsch, sich zu reproduzieren und die Weltherrschaft an sich zu reißen. Aber dennoch gibt es natürlich Ängste vor all diesen Algorithmen und vor künstlicher Intelligenz, die zumindest zum Teil nicht unbegründet ist.
In den letzten Tagen sind mir sehr gehäuft ein paar Dinge aufgefallen, die mich sehr schwer daran zweifeln lassen, dass clever programmierte Algorithmen und künstliche Intelligenz in absehbarer Zeit das Zeug dazu haben, uns Menschen ernsthaft gefährlich zu werden. Bei den jeweiligen Fällen musste ich schon ein wenig schmunzeln und ich bitte euch, diese vier Punkte bitte auch augenzwinkernd zu betrachten. Das ist hier also keine wissenschaftliche Abhandlung über den Status Quo von künstlicher Intelligenz. Es sind lediglich ein paar Beobachtungen meinerseits mit der von mir gewonnenen Erkenntnis, dass KI teilweise noch mächtig daneben liegt, wenn es darum geht, mir bestimmte Dinge zu empfehlen.
Werbung bei YouTube-Videos
Werbung ist immer ein schönes Beispiel dafür, wie viele bzw. welche Daten Unternehmen von uns sammeln. Egal, ob bei Facebook, in Gmail oder auf den Seiten irgendeiner Zeitung: Man versucht, möglichst passende Werbung auszuspielen. Auch auf YouTube bekommen wir sehr viel Werbung zu sehen. Entweder als Video vor dem gewünschten Clip, oder im eigentlichen Video als Banner.
Wie ihr vielleicht wisst, verweile ich gerade in Taipeh, der Hauptstadt Taiwans. Wäre Google annähernd so gut über mich informiert, wie man es den Kaliforniern gerne mal unterstellt, müssten die Kollegen wissen, dass ich mir nicht im Eilverfahren Mandarin als Fremdsprache draufgepackt habe. Allein meine unzähligen Anfragen beim Google Assistant, wie der Begriff XY denn nun auf Chinesisch heißt, sollten Google klar machen, dass ich jenseits von “Hallo”, “Dankeschön” und “Prost” keine einzige Silbe dieser so komplexen Sprache beherrsche.
Dennoch ist man der Meinung, dass man mir hier ausschließlich fremdsprachige Werbung anbieten soll, wenn ich ein YouTube-Video schauen möchte. Hin und wieder sind es internationale Clips, die in Englisch daherkommen, meistens jedoch sind es Werbe-Videos und -Banner, in denen ich weder das gesprochene Wort noch die Schriftzeichen zuordnen kann.
Halten wir also fest: Google ist die mächtige Datenkrake, die so ziemlich alles von mir weiß. Nur, dass ich nicht automatisch die Landessprache der Nation beherrsche, in der ich mich gerade temporär befinde, das weiß man bei Google natürlich wieder nicht.
Amazon-Werbung
Solange mir in der auf mich abgestimmten Werbung bei Google und Facebook immer zuverlässig die Produkte angezeigt…
Gepostet von Carsten Drees am Donnerstag, 20. April 2017
Bleiben wir bei der Werbung: Bei der Werbung von Amazon sieht man sehr zuverlässig, wie schnell die Konzerne das verarbeiten, was ich online so treibe und welche Spuren ich hinterlasse. Kaufe ich ein beliebiges Produkt bei diesem Internet-Giganten, kann ich sicher sein, dass ich schon wenige Minuten später und in der Folge dann tagelang überall, wo es Werbe-Einblendungen gibt, Werbung von Amazon ausgespielt bekomme. Und ihr könnt es euch denken: SELBSTVERSTÄNDLICH wird exakt das Produkt beworben, welches ich just bestellt habe.
Was ist der tiefere Gedanke dahinter? “Wer sich den Drucker der Marke XY bestellt, wird ganz sicher wieder sehr schnell exakt den selben Drucker nochmal benötigen?” Ach komm schon, Amazon – das glaubste doch selbst nicht, oder? Die Nummer mit “wer sich X angeschaut hat, könnte sich auch für Y interessieren” funktioniert ja eigentlich richtig gut, aber die “kauf Dir doch genau das, was Du Dir gerade schon gekauft hast”-Nummer lässt mich daran zweifeln, dass Algorithmen die Käufer tatsächlich verstehen.
Google Discover
Schade, auch für diese Geschichte hab ich gerade keinen passenden Screenshot am Start. Aber ich will es euch dennoch erzählen, weil es mir just in diesen Tagen wieder auffiel. Ich schaue gerne bei Google Discover auf meinem Smartphone durch die verschiedenen Empfehlungen. Ich sehe dort aktuelle News aus verschiedensten Bereichen, erfahre von neuen Videos oder veröffentlichten Musik-Alben und sehe Sport-Ergebnisse zu bestimmten Clubs und Sportarten.
Genau dieser Punkt macht mir immer wieder zu schaffen. Ich lese eigentlich viel Fußball-News. Mich interessiert also auch als Schalke-Fan, wenn Klopp in Liverpool verlängert, wer in Spanien Tabellenführer ist oder welcher Trainer in der zweiten Liga gefeuert wurde. Und was macht Google? Gewinnt aus meinen Lese-Gewohnheiten die Erkenntnis, dass ich zwar “Schalke” als meinen favorisierten Club genannt habe, dennoch aber plötzlich auch ein immenses Interesse an Kaiserslautern habe. Ich könnte noch nicht mal sagen, welche News zu dem Club ich mir angeschaut hab.
Dennoch behandelt Google dieses temporäre Interesse so, als wäre Lautern zu meinem Lieblingsverein avanciert. Bedeutet also, dass ich nicht nur verstärkt News zum Verein eingespielt bekomme, sondern auch Infos über kommende Spielansetzungen, Live-Ticker und anschließender Zusammenfassung der Partien.
Nichts gegen die Jungs vom Betzenberg, aber ich würde mir wünschen, dass sich Google zumindest an unsere Absprachen hält. Unter “Interessen” habe ich explizit Schalke 04 angegeben, was aber natürlich nicht heißt, dass man sich nicht auch für andere Clubs interessieren könnte. Es macht mir ja auch wie gesagt nichts aus, umfassend über Fußball in unserem Land informiert zu werden, aber diese Fan-Behandlung brauche ich da nun wahrlich nicht. Schaue ich mir in den Einstellungen bei Discover an, welche Suchbegriffe ich da explizit ausgeblendet hab, gibt es ein paar schlechte Deutsch-Rapper, aber hauptsächlich Fußball-Clubs.
Facebook-Erinnerungen
Ja, es ist so ein pseudo-deepes Bild, welches ich im Dezember 2011 postete. Eines dieser Bilder, auf denen Leute, mit denen man eigentlich nichts zu tun haben möchte, Dinge wie “so wahr” kommentieren. Nach einer monatelangen Hängepartie war es dieser Dezember, in denen wir — meine Ex-Freundin und ich — uns entschieden, Nägel mit Köpfen zu machen, was unsere Trennung angeht. Lange Rede, kurzer Sinn: Sie verließ mich und ich war in der Folge verzweifelt genug, selbstmitleidige Posts zu verfassen, unter anderem unter Berücksichtigung obigen Bildes.
Es war eine furchtbare Zeit und ich hatte lange daran zu knabbern, bis es mir danach wieder besser ging und ich die Dinge endlich so akzeptieren konnte, wie sie waren. Ich glaube, in der Folge habe ich auf Facebook sehr, sehr viel gepostet. Ich bin ein reiner Sir Spam-A-Lot, was das angeht. Ich poste, was ich gerade für Musik höre, wo ich gerade stecke, wie betrunken ich bin oder dass mir mein Essen angebrannt ist. Ich poste Links zu politischen Themen, Links zu eigenen Blog-Beiträgen, poste dämliche Bilder mit dummen Sprüchen und dumme Sprüche ohne Bilder.
Kurz gesagt bekommt Facebook von mir mein ganzes Leben präsentiert. Mit Fotos, Datum, Ort und Quellenangabe. Das funktioniert mittlerweile alles so gut, dass ich manche Trunkenbold-Abende nach Überwindung des Katers nur noch mit Hilfe Facebooks einigermaßen lückenlos zusammenbekomme.
Ich gehe also davon aus, dass Facebook haargenau weiß, wann es mir gut ging, wann es mir schlecht ging, wann ich hungrig oder satt, durstig oder besoffen war. Und dann das? “Hallo Carsten, es ist schön, Erinnerungen wach zu halten. Wir könnten uns vorstellen, dass Du gern an diesen Beitrag von vor acht Jahren zurückdenkst”
Ja, ist klar, Facebook! NATÜRLICH denke ich gerne daran zurück. Mensch, was waren es für herrliche, verheulte Nächte. Gerade in der Weihnachtszeit ist man schließlich besonders gerne einsam. Um so besser, wenn man eine frische Trennung zu verarbeiten hat. Also falls jemand von Facebook mitliest: Nope, so richtig gerne denke ich nicht an die Zeit zurück.
Künstliche Intelligenz kann eine Menge, unbestritten. Ich traue Facebook zu, dass man anhand der Kommentare unterm Bild ableiten kann, wie es mir ging. Künstliche Intelligenz kann zudem auch Bilder auswerten, schon ziemlich exakt Schrift erkennen, so dass man also auch daraus was ableiten kann. Klar, nicht jeder, der so etwas postet, befindet sich gerade in so einer akuten Trennungs-Phase. Aber im Kontext mit anderen Postings zu der Zeit und meine weinerlichen Kommentare bei anderen Postings kann man daraus sicher ein Muster erkennen.
Das waren jetzt also vier Punkte, die mir allesamt in den letzten Tagen (wieder) aufgefallen sind. Wir schreiben hier so oft über unfassbare Dinge, die Technik mittlerweile bewirken kann und auch über Beispiele, in denen wir wieder und wieder sehen, was uns künstliche Intelligenz bieten kann und bereits bietet. Aber es gibt dann eben auch diese Beispiele, die mich entschieden daran zweifeln lassen, dass Maschinen uns Menschen in absehbarer Zeit unterjochen werden. Ist ja vielleicht auch ganz gut, dass es noch nicht so weit ist, oder? ;-)