Update vom 01. Oktober 2015 (Bernd)
So, damit hat sich unser seit einer Woche kursierendes Gerücht von vorne bis hinten bestätigt: der Werbeblocker Adblock wird ab sofort die „Acceptable Ads“ der Eyeo GmbH einsetzen, die damit die Reichweite für ihr Hintertürchen-Werbenetzwerk mal eben locker auf irgendwas um die +100 Millionen Benutzer vergrössert. Das bedeutet: Adblock schleust jetzt ebenso wie Adblock Plus Werbung von Firmen durch, wenn diese sich gegen eine entsprechende monatliche Gebühr bei den Kölnern freischalten lassen.
Michael Gundlach „freut sich Dir mitzuteilen“, dass das so ist – und zieht sich vor lauter Freude selbst aus dem Business zurück. Wir hatten ja bereits erwähnt, dass seine Freude in den zurückliegenden Monaten durch markenrechtliche Attacken der Eyeo GmbH wohl etwas getrübt war.
Das Update der Browser-Extension von der werbefreien Version 2.40.1 auf die neue Version 2.41 findet wie üblich automatisch statt, so dass sowohl allen neuen als auch allen existierenden Benutzern die Werbeanzeigen in Kürze eingeblendet werden. Noch bis gestern hatte Adblock massiv damit geprahlt, dass man sich ganz klar von Adblock Plus distanziere – heute ist alles supi.
Wir möchten hier eigentlich nur nochmal auf einen Satz besonders eingehen, unsere restlichen Anmerkungen findet ihr ja weiter unten. Michael Gundlachs Aussage:
Wenn Du diese Option eingeschaltet lässt, kannst Du Deine Lieblingswebseiten damit unterstützen. Michael Gundlach, im Oktober2015
… ist nicht mehr und nicht weniger als eine dreiste Lüge. Denn dazu müsste sich jede einzelne dieser „Lieblingswebseiten“ vorher bei der Eyeo GmbH freikaufen oder anderweitig freischalten lassen. Hier wird der Eindruck erweckt, dass durch die „Acceptable Ads“ automatisch jede unaufdringliche Werbung auf jeder Internetseite durchgelassen wird, man also als Benutzer durch die eingeschaltete Option automatisch seine „Lieblingswebseiten“ unterstützt.
Das ist Humbug, völlig irreführend und dürfte in Zukunft sogar Leute davon abhalten, die ein oder andere Internetseite auf eine persönliche Whitelist zu setzen.
Apropos persönliche Whitelist: von eben dieser scheint man sich bei Adblock Plus ohnehin zu verabschieden. In der neuen iOS-Version des Adblockers gibt es nur noch die von Eyeo verwaltete Anzeigenliste, der Benutzer hat hier gar nix mehr „eigenmächtig“ zu entscheiden. Gatekeeper deluxe. Oh wait … war nicht ein zentrales Argument der Eyeo GmbH in allen bisherigen Gerichtsverfahren, dass der Benutzer ja schliesslich selbst entscheiden könne, ob er bestimmte Internetseiten blockt oder nicht blockt?
Adblock Plus für iOS ist doch ein Witz. Die Whitelist enthält nur Anbieter, die ABP bezahlt haben. Aber man darf nix eigenes hinzufügen.
— JayJay (@JaySan25) September 30, 2015
Die Liste mit angeblich „akzeptabler Werbung“ für die „Lieblingswebseiten“ ist unterdessen auf 7.397 Zeilen bzw. 597KB angewachsen. Werbe- und Spam-Schleudern, Domain-Grabber und -Parker, Telefonbuchverzeichnisse, Skimlinks, Subdomain-Farmen, alle vorne mit dabei. Die typischen unterstützenswerten „Lieblingswebseiten“ eben, was man so kennt.
Und hier nun die heutige Ausgabe von „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“


Update vom 30. September 2015 (Bernd)
Nachtigall, ick hör dir trapsen. Wie das Wall Street Journal berichtet, wird die Eyeo GmbH die Kontrolle über die millionenschweren „Akzeptablen Werbeanzeigen“ spätestens 2016 an eine unabhängige Expertengruppe abgeben. Diese werde dann zukünftig entscheiden, welche Werbeanzeigen der Werbeblocker (!) Adblock Plus in der Standardkonfiguration gegen eine entsprechende Gebühr durchlasse.
Wir erinnern uns: genau das hatten wir bereits vor einer Woche vorhergesagt, siehe unten. Angeblich stammt die Idee für eine solch „unabhängige“ Expertengruppe von Michael Gundlachs Frau Katie und wäre für den Programmierer des größten Eyeo-Konkurrenten „Adblock“ (ohne Plus) ein Argument, zukünftig ebenfalls die „Acceptable Ads“ von Adblock (mit Plus) einzubinden. Gegen einen Obulus versteht sich, bzw. im Zuge eines Verkaufs seiner Firma Betafish.
Diese Anekdote über Katie Gundlach klingt irgendwie sympatisch. Doch wir hatten im Rahmen unserer Recherchen bereits aufgezeigt, dass Michael Gundlach für seine „Entscheidung“ tatsächlich weitaus weniger erfreuliche Gründe gehabt haben könnte, nämlich eine massive Beeinträchtigung seiner Apps durch seltsame Marken-Registrierungen der Eyeo GmbH.
Michael Gundlach und eine mit großen Schritten nahende Zusammenarbeit der beiden marktbeherrschenden Adblocker werden von der Eyeo GmbH seltsamerweise mit keinem Wort erwähnt. Stattdessen geht man gegenüber dem WSJ ausführlich auf die Expertengruppe ein und eröffnet dem verdutzten Leser, dass ihr neben Medien-Vertretern (Publishern) und Verbrauchern auch Vertreter von Werbeagenturen und Marketingfirmen angehören werden. Wer diese Menschen und Unternehmen sein werden und wer über deren „Berufung“ bestimmt ist noch völlig unklar.
Adblock Plus lockt andere Adblocker mit Geld – Crystal ist der erste *Update*
Das Ganze wirkt – man verzeihe uns den Vergleich – wie ein Tribunal, das in Zukunft über den Fort- und Untergang von Internetseiten richten soll. Es ist offenbar für die Eyeo GmbH, deren Geschäftsführer Till Faida und Wladimir Palant sowie den Investor Tim Schumacher völlig undenkbar, dass eine Website mit ihren Besuchern eigenständig, ganz ohne die nicht erbetene Hilfe eines Dritten „aushandelt“, welche Art von Werbung für ihre Leser akzeptabel ist. Stattdessen bildet man – typisch deutsch, mag man lästern – eine mit behördenähnlichen Rechten ausgestattete Expertengruppe.
Selbst Befürworter dieser Lösung dürften die Stirn darüber runzeln, dass diese Expertengruppe die Kriterien für „akzeptable Werbeanzeigen“ verändern kann. Das könnte im äußersten Fall dafür sorgen, dass hier erneut den ohnehin schon dominierenden Platzhirschen im Werbebusiness der Weg weiter geebnet und auch weiterhin vorwiegend nach finanziellen Gesichtspunkten geurteilt wird. Bisher hatte die Eyeo GmbH – wider besseren Wissens – immer eine eigene (nicht existierende) „Community“ als letzte Instanz angegeben.
Es darf durchaus bezweifelt werden, dass sich die Eyeo GmbH von dieser „unabhängigen“ Expertengruppe die Butter vom Brot nehmen lässt. Vielmehr ist zu befürchten, dass dieses „Board“ erneut als Argument für den angeblich hohen Verwaltungsaufwand der piseligen Textdatei herhalten muss und weitere größere Internetseiten in Zukunft für die (unerwünschte) „Dienstleistung“ der Kölner kräftig zur Kasse gebeten werden.
Wo wir gerade bei den Kosten sind: die zahlt im Endeffekt der Benutzer – auch der Benutzer des Adblockers -, denn die von der Eyeo GmbH abkassierten Unternehmen legen ihre zusätzlichen Kosten wohl in absehbarer Zeit einfach auf die Preise um. So macht man das.
Quelle: wsj.com
Original-Artikel vom 23. September 2015
Rrrrums, da kippt anscheinend der erste um – und mit Adblock ist dann sogar der dickste Fisch von allen. Nach uns vorliegenden Gerüchten aus anscheinend gut unterrichteter Quelle wird in Kürze auch Adblock (ohne Plus) die Acceptable Ads der Eyeo GmbH einsetzen und so die gut bezahlten Werbeanzeigen des Kölner Unternehmens an seine Benutzer durchschleusen.
Die Umstellung erfolgt offenbar vollautomatisch mit einem der nächsten Updates der Browser-Erweiterung. Der Benutzer muss diese Änderung nicht manuell bestätigen, was wir in Deutschland für zumindest bedenklich halten. Stattdessen setzt auch Adblock auf die Opt-Out Methode und umgeht wie schon Adblock Plus das Risiko, dass lediglich ein Bruchteil der Benutzer die neu eingeblendeten Werbeanzeigen „freiwillig“ aktiviert.
Der Programmier von Adblock – Michael Gundlach – gibt scheinbar als Begründung für seinen plötzlichen Sinneswandel an, er habe eigentlich schon lange Jahre nach genau der Möglichkeit gesucht, die ihm nun die „Akzeptablen Werbeanzeigen“ von Adblock Plus bieten würden. Jetzt – ganz zufällig genau zu dem Zeitpunkt, zu dem die Eyeo GmbH auf große Einkaufstour geht und ihr Portemonnaie ganz weit aufmacht – sei der Moment für einen Beitritt gekommen.
Adblock: zur Schau getragene Distanz zu Adblock Plus
Die angeblich seit Jahren andauernde Suche von Gundlach passt so gar nicht zu den Ansagen, die sein Adblock Support-Team in all den zurückliegenden Jahren im Forum der Erweiterung macht. „Einige“ der insgesamt 40 Millionen Benutzer sind nämlich eben wegen den Acceptable Ads und dem dahinter stehenden Geschäftsmodell von Adblock Plus zu Adblock gewechselt und beäugen seitdem jede Änderung der normalen Adblock Erweiterung misstrauisch.
So geschehen auch im April, als Gundlach (vielleicht in Kenntnis der neuen Markenrechte seines Konkurrenten Adblock Plus) den populären Adblocker ziemlich sinnbefreit und ohne jede Vorankündigung oder Mitteilung von „Adblock“ in „Betafish“ umbenannte. Die Benutzer spekulierten sofort über einen Verkauf von Adblock und wiesen darauf hin, dass ein neuer Besitzer dann die einmal im Browser angedockte Erweiterung nahezu beliebig manipulieren könne.
Manche sprangen sofort ab und deinstallierten Adblock unverzüglich, andere fragten kritisch nach.
Doch der Adblock-Support wiegelte wie immer bei solchen Fragen vehement ab. Die Namensänderung sei lediglich ein „Experiment“, Betafish sei schon seit längerem der Name einer auf Michael Gundlach angemeldeten Firma und man werde – anders als andere Adblocker – weiterhin alle Werbeanzeigen blocken, ohne Ausnahmen. Der Support-Mitarbeiter Tomáš Taro legte für besonders hartnäckig fragende Benutzer nochmal nach und bekräftige
We are not preparing for „Acceptable Ads“. Tomáš Taro, im April 2015
Sein Kollege Kieran musste wenig später ebenfalls eingreifen und wiederholte energisch
We never have, and never will, whitelist any ads ourselves. It is our priority to block ALL ads, leaving the user to choose which sites they want to support by whitelisting. Kieran, im April 2015
Mit eben solchen Versprechen hat es Adblock bisher geschafft, im Browser der größte Konkurrent von Adblock Plus zu bleiben. Zwar lief auch bei Michael Gundlach nicht immer alles transparent ab, aber ein erheblicher Teil seiner Benutzer wusste diese demonstrativ betonte Distanz zu Adblock Plus zu würdigen und empfahl das Add-On als „saubere“ Alternative. Die Knowledge Base weist momentan noch deutlich auf die Unterschiede zwischen Adblock und Adblock Plus hin und hebt dabei besonders die Akzeptablen Anzeigen hervor. Ganz nebenbei geht man auch auf die Markenrechte ein, die sich Adblock Plus jetzt gesichert hat: im Jahr 2010 sah das der Chef-Programmierer der Eyeo GmbH, Wladimir Palant, wohl alles noch etwas lockerer.
Nun, nicht einmal ein halbes Jahr später sieht das im aus Richtung Köln hernieder prasselnden Geldregen wohl etwas anders aus. Nach den uns vorliegenden Informationen plant die Eyeo GmbH angeblich, die Verwaltung der Acceptable Ads an eine „unparteiische Gruppe von Experten“ übergeben zu wollen. Das sei die Idee von Gundlachs Frau Katie gewesen und habe letztendlich den Ausschlag gegeben, das Feld zu räumen und die ABP-Whitelist nun auch bei „Adblock“ zu integrieren.
Es sei uns verziehen, aber wir sind da ein bisschen weniger euphorisch als die gute Katie. Till Faida & Co. haben vor und während unserer Recherchen im Jahr 2013 mit Fake-Identitäten, angeblich unabhängigen Internetseiten, Dutzenden von geschönten „Tests“ und der Manipulation von Freischaltungen im AA-Forum eindrucksvoll bewiesen, wie ihre Definition von „unparteiischen Experten“ aussieht. Wenn an dieser Experten-Gruppe nicht ausschließlich reputable, real existierende, über jeden Zweifel erhabene Persönlichkeiten beteiligt sein werden, bleibt es auf unserer Seite noch für eine ganze Weile beim Bock-zum-Gärtner-Verdacht.
Genauer gesagt: bis in alle Ewigkeiten.
Wir dürfen gespannt sein, wie der Geschäftsführer Till Faida oder der Pressesprecher Ben Williams die Übergabe der Acceptable Ads an eine Expertengruppe erklären. Denn immerhin hatte man in der Vergangenheit stets betont, dass hauptsächlich die eigenen Benutzer über die Freischaltung von Anzeigen (mit)bestimmen.
Michael Gundlach verkauft Adblock
Für die Ausräumung von Gundlachs bisherigen langjährigen Bedenken gegenüber den Acceptable Ads scheinen die Versprechen der Eyeo GmbH jedenfalls zu reichen. Er selbst wird sich allerdings nicht mit einer monatlich fälligen Zahlung für die Integration der „Non-intrusive Ads“ zufrieden geben, sondern macht mit vermutlich gut gefülltem Bankkonto den Abflug. Gundlach wird seine Firma „Betafish“ an einen bisher ungenannten Käufer verkaufen, sein langjähriger Geschäftspartner wird wohl für den neuen Besitzer arbeiten. Gundlach selbst spielt offenbar – zumindest nach heutigem Stand – bei Adblock in Zukunft keine Rolle mehr.
Ist irgendwie auch eine Art, sich dem heraufziehenden Shitstorm zu entziehen … Sorry, Michael, i guess we and others just expected more. More balls, cojones, whatever.
Beim Käufer von Betafish könnte es sich natürlich um Tim Schumachers TS Ventures GmbH handeln, die für den Investor bereits den Löwenanteil an der Eyeo GmbH und somit an Adblock Plus hält – eine Bestätigung hierfür gibt es allerdings noch nicht.
Sicherheitsrisiko Browser-Erweiterungen
Dieser Paukenschlag kommt für uns und unsere langjährigen Leser nicht gänzlich unerwartet, wir haben eine ähnliche Entwicklung bereits vor zwei Jahren vorhergesagt. Erfolgreiche Browser-Erweiterungen sind ein lukratives Investment, weil sie – ähnlich wie eine mit umfangreichen Rechten ausgestattete Smartphone-App – im Internetbrowser des Benutzers nahezu nach Belieben schalten und walten können. Kaum ein Benutzer behält die oftmals automatisiert stattfindenden Änderungen im Auge, vom dafür u.U. notwendigen technischen Verständnis ganz zu schweigen.
Auch Google oder Mozilla als Anbieter der Browser Chrome und Firefox haben angesichts der riesigen Zahl von Extensions und mangels funktionierender Qualitätskontrollen die Erweiterungen längst nicht mehr im Blick. Hinzu kommen – wie im Fall von Adblock Plus – die Löschungen negativer Bewertungen, so dass auch diese Kontrollinstanz de facto wegfällt.
Adblock: die widersprüchlichen Marken-Registrierungen der Eyeo GmbH
Und nur weil außen das „Open Source“ Label klebt bedeutet das noch lange nicht, dass im Hintergrund nicht das Big Business gemacht wird. Das Bild von einer aufmerksam beobachtenden und quasi-demokratisch entscheidenden Open Source Community hat sich schon seit Jahren überholt.
Nun fragt man sich eigentlich nur noch, wann auch Tim Schumacher als typischer Investor den fulminanten „Exit“ bei Adblock Plus macht und die Weiße Liste in zig Millionen Browsern an den Höchstbietenden verscherbelt. Wer auch immer der Käufer dann sein mag, einen mindestens achtstelligen Betrag wird derjenige dann wohl hinblättern müssen. Prognose unsererseits, völlig aus der Luft gegriffen: spätestens 2021 ist es soweit. Dann feiert Schumacher seinen 45. Geburtstag.