Der ehemalige NSA-Direktor und US-General a.D. Keith Alexander ist diese Woche in den Aufsichtsrat von Amazon berufen worden. Eine überaus kontroverse Entscheidung von Amazon. Alexander ist der Öffentlichkeit als Apologet und entscheidender Verantwortlicher für das Überwachungsprogramm der NSA bekannt.
2013, als Snowden als Whistleblower auftrat, war Alexander schon nicht mehr im Amt als Director of the National Security Agency, also oberster Leitender der NSA-Behörde. Ein Jahr vor dem NSA-Skandal verneinte er jedoch, dass die NSA Daten von durchschnittlichen Bürgern sammeln würde.
Um es kurz und knapp auszudrücken, ist jetzt jemand, der maßgeblich dafür verantwortlich war, Google, Microsoft, Facebook und Konsorten zu kompromittieren bei einer solchen Tech-Firma im Aufsichtsrat.
Es gibt noch weitere Anhaltspunkte dafür, dass Alexander eine demokratie- und bürgerrechtsfeindliche Gesinnung hat. So äußerte er beispielsweise, dass es falsch sei, freie Berichterstattung zu den Snowden-Leaks zuzulassen:
“Ich denke, es ist falsch, dass Journalisten all diese Dokumente haben, die 50.000 Seiten oder wie auch immer, die sie haben und die sie verkaufen oder darstellen als wären sie – wissen Sie, das ergibt einfach keinen Sinn”, sagte er in einem Interview 2013. “Wir sollten ein Mittel dazu haben, das zu stoppen. Ich weiß nicht, wie man das tut. Das ist etwas, das den Gerichten und Politikern überlassen ist, aber aus meiner Perspektive ist es falsch, das weiterhin zu erlauben.”
Zumindest das US-Berufungsgericht für den neunten District (westliche Staaten) sehen die Sachlage aber völlig anders. Erst letzte Woche erklärte es die Datensammlung der NSA bezüglich von Telefondaten der US-Bürger für illegal.
Die Beweggründe sind Alexanders Expertise im Bereich Militärindustrie, Sicherheitspolitik und seine gute Vernetzung in diesen Bereichen. Infrastruktur für Verteidigung und Sicherheit stehen seit einigen Jahren im Fokus von Amazon. Hier buhlen die großen Tech-Firmen um Milliarden-Verträge. Erst vergangene Woche zog Amazon bei einem 10 Mrd. Dollar Vertrag des Pentagons für ein Cloud-Computing-Programm den Kürzeren gegenüber Microsoft. Gut möglich, dass dies für die Besetzung von Alexander im Aufsichtsrat bei Amazon gesorgt hat.
Natürlich hat sich auch Snowden zu der umstrittenen Aufsichtsratsberufung geäußert. So veröffentlichte er beispielsweise diesen polemischen Tweet:
🚨🚨 It turns out "Hey Alexa" is short for "Hey Keith Alexander." Yes, the Keith Alexander personally responsible for the unlawful mass surveillance programs that caused a global scandal. And Amazon Web Services (AWS) host ~6% of all websites. 🚨🚨https://t.co/6hkzsHjxh9
— Edward Snowden (@Snowden) September 9, 2020
Auch andere Bürgerrechtsgruppen wie Privacy International äußerten sich kritisch zu der Besetzung. Edin Omanovic, Advocacy Director der Organisation sagte, dass “Big-Tech-Unternehmen jeden Tag riesige ethische Entscheidungen treffen” würden, “die das Leben der Menschen beeinflussen, ohne jegliche demokratische Verantwortlichkeit.” Laut ihm brauche es keine NSA – auch keine “mit Datenschutzerklärung”.
Die Besetzung von Alexander wirft einige Fragen auf, die schon seit Jahren immer wieder gestellt werden: Wie sehr sind Big-Tech und Big-Government verflechtet? Wie sehr treffen all die Vorwürfe, die der Westen und insbesondere die USA, gegenüber China und chinesischen Tech-Firmen äußern auf eigene Firmen zu? Was ist dran am Überwachungskapitalismus? Und zu guter Letzt: Gibt es in Europa und Deutschland noch immer ein fehlendes Bewusstsein für (Industrie-)Spionage, was Google, Amazon, Microsoft und viele weitere Firmen angeht?
Fragen, mit denen ich mich bei mobilegeeks.de gerne in Zukunft tiefergehender beschäftigen möchte.