“Das Internet vergisst nie”. So pauschal stimmt die Aussage zwar nicht, aber dennoch ist es keine Seltenheit, dass einem etwas irgendwann mal Geäußertes Jahre später wieder vor die Füße fällt. Paradebeispiele gibt es einige – die Speerspitze dürfte aktuell wohl US-Präsident Trump darstellen. 2012 — fünf Jahre bevor er selbst schon nach sechs Monaten den Stabschef austauschte — twitterte er:
3 Chief of Staffs in less than 3 years of being President: Part of the reason why @BarackObama can't manage to pass his agenda.
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) January 10, 2012
Vor solchen Aussagen aus der Vergangenheit, die einen irgendwann wieder einholen, sind aber auch brillante Köpfe, wie Apple-Mastermind Steve Jobs einer war, nicht gefeit. So fragte er 2007: Who wants a stylus? Er präsentierte da gerade das Ur-iPhone und erklärte, dass sich ein Finger für die Bedienung von Touch-Devices deutlich besser eignete — bevor dann Jahre später ein iPad Pro mit Stylus erschien.
Auch, wenn die Einsatz-Szenarien eines großen Tablets und des doch sehr kleinen Displays des ersten iPhone stark voneinander abweichen, wurde Apple diese Aussage (natürlich auch von uns) schön aufs Brot geschmiert. Allerdings gibt es auch genügend Beispiele dafür, dass Steve Jobs zurecht als Visionär gefeiert wird — mit Aussagen, in denen er jede Menge Weitblick bewiesen hat.
Der von mir sehr geschätzte Kollege Richard Gutjahr hat nun ein Video ausgebuddelt, in welchem Steve Jobs sich vor vielen Jahren mit Mechanismen in der Technik-Industrie auseinandersetzt. Hier ist der Clip:
Gutjahr spricht von BMW, Audi, VW und Daimler…
Richard stellt dazu fest, dass das Gesagte — dort ist von IBM und Xerox die Rede — sich nahezu 1:1 auf die aktuelle Situation bei den deutschen Autoherstellern übertragen lässt.
Das Dilemma der Auto-Industrie erklärt von Steve Jobs (* ersetze Pepsi, IBM, Xerox durch BMW, Audi, VW, Daimler) Richard Gutjahr, Journalist und Blogger
Steve Jobs spricht in dem Interview davon, dass sich Quasi-Monopolstellungen negativ auf Unternehmen der Tech-Branche auswirken können. Der Grund: Wenn man sich mit einem Produkt an die Spitze gesetzt hat und eine marktbeherrschende Position inne hat, ergibt es ab irgendeinem Punkt wenig Sinn, weiter in die Verbesserung des Produktes zu setzen. Stattdessen sind die Abteilungen für Marketing und Vertrieb gefragt, um den Spitzenplatz weiter zu behalten.
Das hat zur Folge, dass auch das Personal aus dem Marketing und Vertrieb stärker im Fokus steht, sich leichter profilieren kann und daher eher befördert wird als Personal aus anderen Abteilungen wie der Produktentwicklung. Über kurz oder lang, so Jobs, werden solche Unternehmen dann auch durch Marketing- oder Vertriebs-Menschen geführt und nicht durch diejenigen, die mit ihrer Innovation den ganzen Laden erst zum Erfolg geführt haben.
Als Ausnahme nennt Jobs “Pepsi”, denn da würde es schon reichen, das identische Getränk alle zehn Jahre in einer neuen Flasche anzubieten. Pepsi ist ein Marketing-getriebenes Unternehmen und kein Produkt-getriebenes, befindet der ehemalige Apple-Chef. Bei Technik-Unternehmen stellt sich das aber komplett anders dar, denn die sind auf Innovationen angewiesen. Hier nennt Jobs “Xerox” und “IBM” als Beispiele.
…und meint vielleicht auch Apple?
Legt ein solches Unternehmen — mir fällt da spontan auch noch Nokia ein — irgendwann keinen Wert mehr auf Innovation und verlässt sich nur noch auf das richtige Marketing, dann legt man damit den Grundstein für den eigenen Niedergang, erklärt Jobs weiter.
Das klingt für mich ehrlich gesagt äußerst plausibel, zumal es sich an Beispielen der Vergangenheit ja auch belegen und nachvollziehen lässt. Richard Gutjahr sieht in den von Jobs genannten Beispielen — gar nicht mal so überraschend — Parallelen zu dem, was heute bei Daimler und Co passiert: Immer neue, innovativere Unternehmen schicken sich an, den Alteingesessenen Feuer unterm Hintern zu machen und da sind jetzt die oftmals behäbigen Chefetagen gefragt, wieder mehr auf die Karte “Innovation” zu setzen — gerade in diesen Zeiten, in denen sich der Markt, die Technologie und die Nachfrage so fundamental verändert.
Aber übersieht der bekennende Apple-Fanboy Gutjahr hier nicht ein noch viel offensichtlicheres Beispiel? Ist nicht Apple selbst zu dem Unternehmen mutiert, welches mit seinem iPhone lange Zeit ein Quasi-Monopol inne hatte und den zweifellos vorhandenen Vorsprung vor der Konkurrenz mit Behäbigkeit, Arroganz und Selbstgefälligkeit grundlos verspielt hat?
Schaue ich heute auf ein iPhone, sehe ich immer noch ein herausragendes Smartphone. Es ist aber nicht mehr so “outstanding”, weil a) Android über die Jahre so viele Funktionen spendiert bekommen hat, dass sich iOS durchaus auch dort bedient hat in den letzten Jahren und b) die Konkurrenz schlicht heute in der Lage ist, ebenfalls hochwertige Smartphones zu produzieren.
Bereits vor vier Jahren nannten wir Gründe dafür, wieso Android besser als iOS wäre. Logisch, das diese Vergleiche aber auch immer sehr subjektiv gefärbt sind. Egal, ob es der Wechsel zu größeren Handsets ist, die höhere Auflösung der Panels oder viele andere Punkte mehr: Oftmals ist es Apple, das hier der Konkurrenz hinterherhecheln muss, statt selbst mit eigenen Innovationen Standards zu setzen.
Das iPhone-Dilemma
Ich bin immer noch guter Dinge, dass das kommende Jubiläums-iPhone (iPhone 8, iPhone Pro oder wie es auch immer heißen wird), ein sensationelles Gerät wird, welches sich wie geschnitten Brot verkauft. Dennoch sind dort erwartete Features wie ein nahezu randloses OLED-Panel nur für Apple-Fans neu — woanders kennt man das eben bereits schon länger.
Dass Apple nicht blind in die Falle tappt, sich zu einer Ein-Produkt-Klitsche zu entwickeln, sieht man allein schon daran, dass die Services des Unternehmens eine immer größere Rolle spielen. Dennoch braucht man aktuell das iPhone, um seine Marktposition zu sichern und dort hat man sich gehörig den Schneid abkaufen lassen in den letzten Jahren. Gerade die günstige Konkurrenz aus China und der Dauer-Kontrahent Samsung machen Apple das Leben schwer, so dass sich das Unternehmen trotz blendender Verkaufszahlen einem iPhone-Dilemma ausgesetzt sieht.
Mit dem — im Vorfeld wenig beachteten — iPhone 7s und dem iPhone 7s Plus wird man mehr oder weniger Produktpflege betreiben, die Augen der Welt sind jedoch auf das iPhone 8 gerichtet. Damit wird man abliefern müssen, um die Lage wieder ein wenig zu entschärfen, denke ich persönlich. Technisch und in Sachen Design wird man damit wieder zur Spitze aufschließen, sie aber sicher nicht wieder so meilenweit hinter sich lassen können, wie das Apple früher mal gelang.
Bei aller Wertschätzung für die Produkte des Unternehmens aus Cupertino muss man feststellen, dass die Strahlkraft vor einigen Jahren doch noch eine andere war, als das heute der Fall ist. Der aktuelle CEO Tim Cook wäre gut beraten, sich diese alten Worte seines Vorgängers zu Herzen zu nehmen und sich zu überlegen, ob Apple nicht wieder mehr auf Produkt-Innovationen setzen sollte und etwas weniger auf Marketing.
Mit Blick auf das Video glaube ich also, dass sich bei allen Parallelen zwischen IBM und Xerox zur deutschen Autoindustrie nicht übersehen werden sollte, dass auch die Parallelen zum heutigen Apple offensichtlich sind. Erkennt ihr das auch so oder seid ihr da komplett anderer Meinung? Schreibt mir eure Erklärungen, eure Kritik, eure Ausblicke auf die Apple-Zukunft gern in die Kommentare.
via Business-Insider