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Baby oder Oma: Welches Leben sollte das autonome Auto priorisieren?

Bild: Simon Landrein
geschrieben von Felix Baumann

Wer sich in der Vergangenheit mit Moral und Ethik beschäftigt hat, der kennt wahrscheinlich das Trolley-Problem. Das Prinzip ist relativ simpel (nach Foot [1967]): Ihr steht an einer Weiche und seht einen Zug heranrasen. Blickt ihr auf die Gleise, dann seht ihr auf Gleis 1 fünf Menschen, die bei der aktuellen Weichenstellung in Gefahr laufen, überfahren zu werden. Auf Gleis 2 befindet sich ein Einzelgänger. Wie würdet ihr wählen? Die Weichenstellung verändert und vier Menschen retten (5 Minus 1) oder alles beim Alten lassen?

Unsere Meinung zu der von uns in der Theorie getroffenen Entscheidung wird dabei durchaus von unserer Herkunft bestimmt. Wie das MIT Technology Review in einem Artikel schreibt, hat das Magazin Nature eine neue Studie veröffentlicht, die den Einfluss von Kultur auf die Entscheidung des Trolley-Problems untersucht. Hier wurden Teilnehmern verschiedene Szenarien gezeigt und immer wieder gefragt, für welche Seite sich dieser entscheiden würde.

Bild: Moral Machine

Die Ergebnisse sind erstaunlich. Im Folgenden schauen wir uns drei Bereiche an: Wer stellt alt über jung? Wer entscheidet auf Basis der Anzahl? Wer würde bei einem autonomen Auto Passagiere vor Fußgängern präferieren.

1. Fakt: Individualisten verschonen die Jungen

Das bedeutet, dass kollektive Nationen auch mehr Respekt vor den Alten mitbringen. Für die älteren Einwohner würden sich demnach vor allem Bürger von Taiwan, China, Südkorea und Japan entscheiden. Die junge Bevölkerung ist im Gegensatz Nationen, wie Frankreich, Griechenland und Kanada sehr wichtig. Deutschland rangiert bei einem Wert um den Nullpunkt. Hierzulande würden etwas mehr Menschen der Jugend den Vorzug geben.

2. Fakt: Individualisten sehen die Masse

Auch bei der Anzahl „gerettete Menschen vs. zu Tode verurteilte Menschen“ denken Individualisten etwas einfacher. Hier zählt für Frankreich, Israel, Großbritannien und Kanada vor allem das eben genannte Verhältnis. Kulturen, wie die in Japan, Taiwan, China oder Südkorea, würden aber auch das Wohl des Einzelnen vor das der Masse stellen. Deutsche würden auch eher anhand der Opferanzahl entscheiden.

3. Fakt: Großer Unterschied bei der Priorisierung

Geht es bei einem autonomen Fahrzeug um die Frage, ob die Insassen oder betroffene Fußgänger eher geschützt werden sollten, dann zeigt sich eine interessante Lücke. Hier sind sich kollektive Kulturen, wie die in Japan oder China nicht mehr so einig. Japan bildet den höchsten Wert der Fußgänger-Fraktion, während China sich fast immer für die Insassen entscheiden würde. Zur Fußgänger-Fraktion zählen weiterhin Norwegen, Singapur, Dänemark und im Mittelfeld auch Deutschland.

Die Autoren der Studie wollen damit zeigen, dass bei dem vorliegenden Dilemma nicht zwangsläufig die Bevölkerung entscheiden sollte. Besonders schockierend ist der Trend in manchen Ländern, dass Menschen mit höheren Status eher verschont werden sollten, als Menschen mit niedrigem Status. Die Frage ist: Wer definiert diesen Status? Eins zeigen die Ergebnisse deutlich: Für die Lösung des Problems liegt noch eine Menge Arbeit vor uns.

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Über den Autor

Felix Baumann

Felix Baumann ist seit März 2022 Redakteur bei BASIC thinking. Bereits vorher schrieb er 4 Jahre für den Online-Blog Mobilegeeks, der 2022 in BASIC thinking aufging. Nebenher arbeitet Felix in einem IT-Unternehmen und beschäftigt sich daher nicht nur beim Schreiben mit zukunftsfähigen Technologien.