Die Deutsche Telekom und die Netzneutralität — immer wieder ein feines Thema. Da wurde in der Vergangenheit schon so manche Schlacht geschlagen und augenscheinlich plant die Deutsche Telekom aktuell wieder ein Angebot, welches sich mit der Netzneutralität nicht sonderlich gut verträgt.
Es geht hierbei um einen Mobilfunktarif, der ausschließlich für Schülerinnen und Schüler und ausschließlich für Bildungsinhalte gedacht wäre. Der Kostenpunkt solle zehn Euro im Monat betragen und Schulen sowie Schulträger sollen die Entscheidung darüber treffen, welche Schüler dieses Angebot erhalten können. “Netflix kann mna damit nicht abrufen”, wird ein Sprecher der Telekom zitiert.
Die Nummer geht zurück auf eine Initiative der Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU), welche nämlich verschiedene Telekommunikationsanbieter angeschrieben und um günstige Tarife für Schülerinnen und Schüler gebeten hat. Es geht dabei um die Kids, deren Eltern sich bisher keine Netzanbindung leisten können. Auf diese Weise soll also gewährleistet werden, dass auch weniger zahlungskräftige Familien sicherstellen können, dass ihr Nachwuchs einen Internet-Tarif nutzen kann.
Frau Karliczek möchte ich damit gar nichts Schlechtes unterstellen, im Gegenteil — eine bezahlbare Flatrate für jeden jungen Menschen wäre tatsächlich erstrebenswert. Sollte die Telekom aber tatsächlich diesen Vorschlag so umsetzen, wäre es wohl nur eine pervertierte Version dessen, was hier tatsächlich gefragt ist.
Wenn Dein Mobilfunkanbieter entscheidet, was Bildung ist
Wir kennen natürlich noch nicht die kompletten Eckdaten des geplanten Tarifs. Fassen wir mal zusammen, was bislang bekannt ist bzw. kolportiert wird:
- 10 Euro pro Monat
- Schulen und Schulträger entscheiden über Eignung
- reiner Datentarif, Telefonieren ist also nicht möglich
- unbegrenztes Datenvolumen
- nur für Bildungsangebote nutzbar
Wir sprachen vor nicht zu langer Zeit davon, dass mobiles Internet in Deutschland oftmals nicht nur schlecht, sondern verglichen mit dem benachbarten Ausland auch unangemessen teuer ist.
Die Mobilfunkversorgung hierzulande ist lückenhaft, langsam und manchmal teurer, als zum Streamen mit dem Taxi ins Ausland zu fahren. Sascha Lobo
Hier gibt es also einiges an Bedarf, weshalb eine echte Flatrate, die zumindest schon mal jungen Menschen günstig angeboten wird, echt mal fällig wäre in Deutschland. Was bekommen wir stattdessen? Eine Flatrate, die Schülerinnen und Schüler schon mal sachte aufs Zwei-Klassen-Internet vorbereitet. Du kannst Dir keinen normalen Tarif leisten und bist auf die Bildungs-Flatrate der Telekom angewiesen? Dann verabschiede Dich von Netflix, YouTube usw — und telefoniert wird natürlich auch nicht.
Apropos YouTube: Wer entscheidet in Deutschland eigentlich, was ein Bildungsinhalt ist und was nicht? Tatsächlich die Deutsche Telekom? Ich alter Sack kann nicht für die Kids sprechen, aber ich kann euch sagen, was das erste ist, wenn ich irgendwas lernen möchte, egal ob es ein Kochrezept ist, die Funktionsweise einer Software oder was auch immer sonst: Ich schau bei YouTube vorbei.
Einer Studie aus dem letzten Jahr zufolge nutzt fast die Hälfte der Schülerinnen und Schülern YouTube auch zum Lernen. Die Videos werden zur Prüfungsvorbereitung oder auch für die Hausaufgaben genutzt, oftmals auch dazu, ein in der Schule behandeltes Thema zu wiederholen. Dadurch, dass die Stoffe dort oftmals kreativer und leichter verständlich behandelt werden, bleibt der Lernstoff nicht selten besser hängen als in der Schulstunde.
In den Medienberichten zur geplanten Flatrate wird auch auf Netflix verwiesen, die spezielle an Schulen adressierte Dokus mittlerweile auf YouTube veröffentlichen, damit auch Kids ohne Netflix-Account drauf zugreifen können. Kann also eine solche Bildungs-Flatrate funktionieren, wenn man pauschal YouTube ausknipst?
Und wie soll man als junger Mensch eigentlich Medienkompetenz mithilfe so einer Flatrate erlangen, wenn man die ganzen Inhalte überhaupt nicht zu sehen bekommt, die es einzuschätzen gilt? Wie lernt man das Recherchieren, wenn man gar nicht auf alles zugreifen kann, was das Netz bereithält?
Wir reden hier oft und gerne darüber, dass Medienkompetenz zwingend auf den Stundenplan gehört, damit man von klein auf lernen kann, wie man sich im Netz bewegt, wie man recherchiert, wie man News verifiziert und echte von falschen Nachrichten unterscheidet. Mit einer Flatrate, die große Teile des Netzes ausblendet, ist so etwas natürlich nicht möglich.
Als letzten Punkt können wir noch die technische Problematik ansprechen, die sich aus der Flatrate ergibt. Ihr könnt damit nicht telefonieren, braucht dazu also eine andere SIM-Karte. Das bedeutet, dass ihr entweder ein zweites Smartphone besitzen müsst oder zumindest eine Hardware besitzt, die auch mit Dual-SIM zurechtkommt.
Was wäre besser?
Ich kann natürlich schlecht Tarife für die Telekom kalkulieren und dem Unternehmen erzählen, was es tun sollte. Aber ich bilde mir ein, dass es möglich sein sollte, eine wirkliche Flatrate für einen Zehner auf den Markt zu werfen. Möglich generell, aber erst recht eben für einen von Schulen und Schulträgern abgenickten Kundenkreis.
Über wie viele Menschen sprechen wir hier eigentlich? Wie viele Schülerinnen und Schüler kämen in den Genuss einer solchen Flatrate? Im letzten Jahr gab es knapp elf Millionen davon in Deutschland, allerdings diejenigen auf Berufsschulen eingerechnet. Nur ein Bruchteil davon wird theoretisch diese Flatrate nutzen können. Ich glaube nicht, dass es ein kostenschädigender Tarif wäre, wenn die Telekom einfach jedem schulpflichtigen Menschen in Deutschland eine echte Flatrate für einen Zehner im Monat anbietet. Spätestens, wenn aus diesen Neukunden zufriedene Telekom-Kunden werden, die dauerhaft ans Unternehmen gebunden werden können, sollte eine solche Flatrate ein reiner Selbstläufer sein.
Also vielleicht überlegt man sich das Angebot in Bonn ja einfach nochmal. Angeblich soll der Spaß bis Ende der Sommerferien offiziell gemacht werden — die letzten Sommerferien in Deutschland enden Mitte September, da wäre also noch ein bisschen Zeit, aus einer eigentlich guten Idee auch eine gute Umsetzung hinzubekommen.
via Golem.de