Eben wurde in Straßburg über die Urheberrechtsreform abgestimmt (ja, sie wurde wie befürchtet durchgeboxt) und vorweg schon mal als Disclaimer: Nein, dieser Artikel wird euch keine große Hilfe dabei sein, welche Entscheidung da nun wirklich die richtige ist. Ihr wisst im Groben, wie ich über Upload-Filter denke und dazu, wie sich viele klassische Medien durch die Reformen Hilfe gegen das „böse“ Google erhoffen, aber wie gesagt: Darüber möchte ich in meinem kurzen Rant nicht sprechen.
Vielmehr geht es mir heute eher darum, wie die Debatten aktuell geführt werden bzw. welcher Mittel sich da bedient wird. Ich kenne jede Menge Menschen, die jede Menge verschiedene Meinungen haben zum Urheberrecht, zur jetzt beschlossenen Reform und die auch auf verschiedenen Seiten stehen, wo demzufolge die persönlichen Interessen auch einfach unterschiedliche sind.
Das bedeutet, dass sehr intensiv diskutiert wird, dass hart diskutiert wird und auch, dass nicht immer objektiv auf die Argumente des anderen gehört wird. Das ist leider so, die Diskussionskultur war halt schon mal besser. Aber was wirklich schlimm ist und dabei schaue ich bewusst in die Politik: Es wird mit falschen Vorwürfen, Unterstellungen und „alternativen Fakten“ gearbeitet!
Wir schauen gerne in die USA und zeigen immer noch staunend auf einen Donald Trump, der mit seinen zahlreichen belegten Unwahrheiten durchkommt. Aber längst sind wir in Deutschland an einem ähnlichen Punkt angelangt, wenn man sich manche Aussagen anschaut.
„Wenn amerikanische Konzerne mit massivem Einsatz von Desinformationen und gekauften Demonstranten versuchen, Gesetze zu verhindern, ist unsere Demokratie bedroht.“ @caspary in der @BILD #Yes2Copyright https://t.co/SmSxXDO6FR
— CDU/CSU in Europa (@CDU_CSU_EP) March 23, 2019
Da ist also die Rede davon, dass Google massiv desinformiert und Demonstrierende bezahlt. Logisch, dass man — will man dieser aus der Luft gegriffenen Argumentation folgen — die Demokratie bedroht sieht. Ebenso ist die Rede davon, dass sich online nicht wirkliche Kritiker zu Wort gemeldet haben, sondern lediglich Bots zum Einsatz kommen.
Ganz ehrlich? Das ist alles kein Stück besser als Trump und ja, genau das ist der Punkt, an dem tatsächlich Demokratie gefährdet wird. Weil eben nicht mehr tatsächliche Argumente und Positionen abgewogen werden, sondern mit Schein-Fakten Stimmung gemacht wird. Wie gut sowas funktioniert, sehen wir derzeit in England, wo der Brexit das Land ins Chaos stürzt und die dortige Regierung nur noch wenig entscheidungsfähig wirkt. Auch dort waren gezielte Falschinformationen das Zünglein an der Waage.
Wir schauen gern auf Facebook und Co, wenn es darum geht, diese falschen Informationen einzudämmen oder sie zumindest als solche zu entlarven. Aber wir sollten dabei nicht vergessen, dass es zunächst einmal der Mensch ist, der sich wissentlich über die tatsächlichen Fakten stellt und Lügen dazu nutzt, die eigene politische Agenda durchzudrücken.
Bei der Urheberrechtsreform hat es Europa jetzt verkackt leider. Aber es fallen weitere Entscheidungen und es steht zu befürchten, dass der Ton weiter schärfer wird und man es zunehmend weniger genau nimmt, was die Faktenlagen angeht, solange es der eigenen Sache dient. Hier müssen wir ansetzen und vielleicht müssen wir nicht nur gegen Upload-Filter und für die Einhaltung der Klima-Ziele auf die Straße, sondern auch gegen alternative Fakten, die jeder Politiker ungestraft raushauen darf. Ich bin stinksauer, weil weder das Internet noch die EU heute einen richtigen Schritt gemacht hat und dass es vermeidbar gewesen wäre, wenn man Politik-Lügnern vorher auf die Finger geklopft hätte. Es darf nicht sein, dass Millionen Menschen im Netz und Hunderttausende auf den Straßen mit einem Interview oder einem Tweet als Bots oder als gekauft diskreditiert werden können.