Unsere Bundesregierung möchte nicht, dass uns chinesische und US-amerikanische Tech-Konzerne langfristig abhängen. Deswegen hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Leitinitiative „Vertrauenswürdige Elektronik“ gestartet. Unsere Bundesforschungsministerin Anja Karliczek erklärte daher:
Deutschland ist Innovationsland und will das auch bleiben. Dafür ist es wichtig, dass wir uns bei Schlüsseltechnologien im internationalen Wettbewerb behaupten und technologisch souverän sind. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek
Was schwebt der Regierung bzw. dem Ministerium dabei vor? Mit finanziellen Mitteln dafür sorgen, dass man sich aus der Abhängigkeit der bekannten Tech-Unternehmen und -Industrien befreit. 45 Millionen Euro sind dafür zunächst eingeplant: Das Ministerium fördert das Projekt „Zukunftsfähige Spezialprozessoren und Entwicklungsplattformen“ (ZuSE) mit 25 Millionen Euro.
Mit den restlichen 20 Millionen Euro will man Projekte anschieben unter der Überschrift „Herstellung und Analyse ‚Vertrauenswürdiger Elektronik“ . In der Pressemitteilung des Ministeriums werden in der Tat relevante Punkte angesprochen. Mobilfunk, autonomes Fahren, Industrie 4.0, Medizintechnik — das sind die Bereiche, die explizit erwähnt wurden und in der Tat haben wir es hier mit Schlüsseltechnologien zu tun, bei denen a) Sicherheit gefragt ist und b) das Risiko besteht, dass Deutschland da nicht mit der Weltspitze mithalten kann.
Das Bestreben, hier gegenzusteuern, die Technologien verstehen zu wollen und den Standort Deutschland zu stärken, erkenne ich also fraglos an. Ich frage mich aber, wie weit wir mit 45 Millionen Euro diesbezüglich kommen wollen. Natürlich ist das nicht alles, was Deutschland in die Digitalisierung investiert. Insgesamt sind hier knapp vier Milliarden Euro eingeplant.
Aber es soll hier darum gehen, selbst Prozessoren auf Weltniveau anbieten zu können und wenn man sich dann ins Gedächtnis ruft, dass der Halbleiter-Riese Samsung allein in diese Sparte 100 Milliarden US-Dollar investieren möchte, dann kann man vielleicht erahnen, dass das nicht wirklich nach Aufholjagd riecht.
Um es noch gruseliger zu machen, hab ich hier noch ein paar Zahlen für euch. Die kombinierte Marktkapitalisierung von sieben FANGMAN-Aktien — bei „FANGMAN“ handelt es sich um die Unternehmen Facebook, Amazon, Netflix, Google, Microsoft, Apple und Nvidia — ist in diesem Jahr bis jetzt um 22 % auf 6,4 Billionen Dollar gestiegen. Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands beträgt 3,86 Billionen Dollar. Auch daran kann man erkennen, wie hoffnungslos es ist, hier darauf zu warten, dass ausgerechnet die Bundesregierung für die entscheidenden finanziellen Impulse sorgt.
In case you missed it: Combined mkt cap of FANGMAN (#Facebook, #Amazon, #Netflix, #Google, #Microsoft, #Apple, #Nvidia) has hit fresh ATH at $6.3tn, more than the combined GDP of #Germany ($3.9tn) and #Italy ($2.1tn). pic.twitter.com/yyYRQ86f9Z
— Holger Zschaepitz (@Schuldensuehner) June 10, 2020
Die angedachten 45 Millionen ab 2021 für Schlüsseltechnologien sind damit also maximal ein Tropfen auf den wirklich heißen Stein, aber zu hart sollte man mit der Regierung diesbezüglich vielleicht auch nicht ins Gericht gehen. Deutschland ist nun mal nicht China und ehrlich gesagt bin ich auch froh, dass Innovation — und auch sonst alles — in Deutschland eben nicht von einer Regierung mit manchmal dubiosen Motiven gefördert wird.
Wie kann es sonst klappen oder sind wir bereits uneinholbar abgehängt? Nee, Freunde — so schwarz sollte man nicht sehen. Unterschätzt mir weder die Innovationsfähigkeit noch die Marktmacht deutscher Unternehmen. Die Regierung sollte meiner Meinung nach also durchaus Türen öffnen und die Stoßrichtung mit Fokus auf Sicherheit und vertrauenswürdige Technik vorgeben, für die Innovation müssen dann die Unternehmen sorgen, von denen zumindest die großen Konzerne gut genug aufgestellt sind, dass sie nicht auf einen Bruchteil dieser noch nicht verplanten 20 Millionen Euro spekulieren müssen.
via t3n
Danke an André