Schaue ich heute durch die sozialen Medien, sehe ich eigentlich flächendeckend das Thema Corona Warn-App. Das ist ein gutes Zeichen, finde ich, denn das bedeutet, dass das Thema Coronavirus und Prävention immer noch in den Köpfen ist, obwohl die App lange hat auf sich warten lassen.
Wie immer im Netz, hält sich die Internet-Gemeinde natürlich strikt an die Regeln für das Posten entsprechender Beiträge in den sozialen Medien: Erst kommen die Info-Tweets der Ersten, die darauf hinweisen, dass die App verfügbar ist. Danach starten etwa gleichzeitig die “Ich bin dabei”-Menschen, die auch entsprechende Screenshots mitliefern und die “Regierungs-App? Ohne mich!”-Fraktion, die grundsätzlich immer erst einmal pauschal gegen alles ist, was “die da oben” so verzapfen.
Bei der nächsten Eskalationsstufe dann kommen die Profis ins Spiel. Die lustigen unter ihnen posten ihre Corona-App-Witze — ein Trend, der leider bis jetzt in den Abend anhält. “Leider” deswegen, weil die Handvoll guter Pointen natürlich schon heute morgen verpulvert war und seitdem unzählige langweilige und unlustige Aufgüsse und Variationen dieser Pointen das Netz vollmüllen. Aber ich schweife ab. Zu diesen Profis gehören nicht nur die Wortakrobaten mit gelungenen Gags, sondern auch Kritiker, die sich mit den technischen Gegebenheiten beschäftigen.
Auch bei der Kritiker-Fraktion teilt sich wie bei den Comedians und Möchtegern-Comedians die Spreu vom Weizen. Teilweise sind die Kritiker deckungsgleich mit der oben erwähnten “Immer dagegen”-Fraktion — in diesem Fall werden Dinge kritisiert, die tatsächlich so gar nicht stattfinden. Dabei geht es dann um Überwachung, irgendwas mit Datenkraken und ähnliche Fantastereien aus der Hildmann-/Naidoo-Abteilung.
Es gibt aber natürlich auch die tatsächlich Verunsicherten, die sich fragen, wieso die App eine Genehmigung für die Standortdaten fordert und tatsächliche Experten, die auf Schwachpunkte der App hinweisen. Genau da möchte ich ansetzen und auf einige Punkte hinweisen, die mir auch aufgefallen sind.
Wozu braucht die Corona Warn-App meinen Standort?
Auf Anhieb ist das eine berechtigte Frage, nutzt die App doch schließlich Bluetooth, um potenzielle Infizierte in meiner Nähe ausfindig zu machen und ist somit nicht auf meinen Standort angewiesen. Genau hier liegt aber der Hase im Pfeffer und es hat auch in der Tat mit Bluetooth zu tun — und dem Android-System. Tatsächlich verlangt die App keinen Zugriff auf GPS oder auf euren Standort, wie ihr hier auf dem Screenshot sehen könnt, der von Denny (SmartDroid) stammt und der die Warn-App Google Maps gegenüberstellt:
Ihr seht also, dass Google Maps deutlich datenhungriger ist und das natürlich auch aus gutem Grund. Wieso verlangt die Corona Warn-App dann aber den Zugriff auf den Standort? Bei bestimmten Android-Versionen muss die Standortermittlung auf den Geräten aktiviert sein, damit Bluetooth-Geräte in der Nähe gefunden werden können. Es handelt sich somit um eine Geschichte, die mit Android zu tun hat und von Google besser gelöst werden müsste — die Corona Warn-App und deren Macher sind also komplett unschuldig. Wenn ihr das genauer aufgebröselt haben wollt, dann schaut bei SmartDroid vorbei, wo es ausführlich erklärt wird.
Auch bezüglich der Kamera meldeten sich Kritiker zu Wort und wollten wissen, wieso die App Zugriff auf die Cam verlangt. Die braucht die App aber, damit später QR-Codes gescannt werden können. Diesen QR-Code — alternativ eine TAN — erhält ein Infizierter, der sich damit in der App als Infizierter melden kann. Auch dieser Zugriff ist also berechtigt.
Ein Glück: Nicht-Deutsche können anscheinend in Deutschland nicht krank werden
Ugh… Come on! Just make the corona warn app open to anyone who is in Germany, regardless of their App store settings!
How safe do you think my data will be if I use an apk? 🤣 pic.twitter.com/HqjWcQraKp— Nicole Scott (@Nicole_Scooter) June 16, 2020
Den Tweet von Nicole habe ich heute morgen schon mal in unserem ersten Beitrag gepostet. Hier raffe ich in der Tat nicht, was für Dinge da verkehrt laufen und wieso man sich so unnötig angreifbar macht. Wenn ihr bei Google Play nicht Deutschland als Location angebt, könnt ihr die App in Deutschland halt nicht nutzen. Egal, aus welchem Grund man eine bestimmte Landeseinstellung bei Google Play nutzt, man kommt eben nicht in den Genuss der App. Das gilt, wenn ihr nicht aus Deutschland stammt, aber hier arbeitet — ebenso aber, wenn ihr hier Urlaub macht. Letzteres ist ja jetzt EU-weit wieder möglich, aber auch als Tourist mit ausländischem Account bekommt ihr die Corona Warn-App nicht installiert.
Bei Google könnt ihr das immerhin noch korrigieren, indem ihr die Google Play-Landesversion ändert. Bei iOS hingegen wäre das nur mit einem komplett neuen Account möglich, soweit ich weiß. Der Schwarze Peter geht hier aber wiederum nicht ausschließlich an die Programmierer der App, sondern auch an die EU, die keinen regulatorischen Rahmen vorgibt, wie die Länder untereinander Daten austauschen und synchronisieren dürfen.
Durch den Unterbau von Apple und Google in den jeweiligen Betriebssystemen wäre es also grundsätzlich möglich, dass die verschiedenen Apps der Länder miteinander kommunizieren — die EU lässt sich bislang aber bitten, was eine solche Handhabe angeht. Absolut eine unnötige Geschichte, die man leicht aus der Welt schaffen könnte und die Akzeptanz unter potenziellen Nutzern würde damit fraglos erhöht.
Abschließend könnte man noch anmerken, dass das, was man den Entwicklern der App vorwerfen könnte, eine etwas überschaubare Kommunikation ist. Es wurde transparent gearbeitet und dokumentiert, auf Experten gehört, der Datenschutz berücksichtigt — alles also wirklich lobenswert. Aber leider kommuniziert man die dennoch vorhandenen Hürden nicht dementsprechend. Das beste Beispiel dafür ist der oben erwähnte Punkt mit dem Zugriff auf den Standort, was ein Google-Problem ist, kein Problem der App. Das könnte man doch schön auseinanderbröseln und somit so manchem Nutzer die Angst vor der Installation nehmen.
Nichtsdestotrotz ist hier hoffentlich klar geworden, dass es keinen Grund gibt, sich Sorgen zu machen, was man sich mit der Corona Warn-App da aufs Smartphone holt. Ja, es gibt natürlich Menschen, die grundsätzlich nichts davon halten, der deutschen Regierung auch nur ein kleines bisschen zu trauen, aber das hat ja mit tatsächlicher Kritik nichts zu tun.
Speziell auf Facebook sehe ich ganz viele Kandidaten, die sich groß und breit über die App echauffieren, was vom “gläsernen Bürger” faseln — und wenn man auf deren Profilseiten vorbeischaut, blickt man auf eine ganze Posting-Tapete, bestehend aus irgendwelchem Nametests-Quatsch. Es ist nicht feierlich, was genau solche Idioten-Apps an Zugriffsrechten verlangen, aber das sehen solche Personen eben nicht.
Insgesamt habe ich den Eindruck, dass sich aber sehr viele Menschen sowohl die App installiert als auch öffentlich für ihre Nutzung stark gemacht haben. Wie groß die Akzeptanz ist, wird hoffentlich in einigen Tagen offiziell kommuniziert — ich würde mir jedenfalls wünschen, dass ein möglichst großer Teil der Bevölkerung mitzieht. Neben Leuten, die die App in Deutschland wegen der Landesversionen nicht nutzen können, fallen auch all diejenigen raus, die überhaupt kein Smartphone nutzen, oder aber eines mit einer zu alten Android- bzw. iOS-Version besitzen. Genau deswegen wäre es so wichtig, dass der Rest der Bevölkerung hier an einem Strang zieht und eifrig diese App nutzt.