Erinnert ihr euch an die (bisher weitgehend gescheiterten) Versuche einiger großer Presseverlage, in Deutschland ein sogenanntes Leistungsschutzrecht zu etablieren? Mit diesem #LSR wollte man hauptsächlich Google und anderen Suchmaschinen verbieten, in den Suchergebnissen kleine Textschnippsel, Bilder und die zugehörigen Links zu den Websites der Verlage zu setzen. Nein, eigentlich ist das nicht ganz richtig … man wollte das Google & Co. natürlich nicht verbieten, denn immerhin bringen diese Links ja den größten Teil der Besucher auf die Internetseiten. Vielmehr wollte man – basierend auf dem Verbot – das Setzen dieser Links kostenpflichtig machen, Google & Co. sollten also für die “unerlaubte Verwertung” dieser Links bezahlen.
Die große Koalition aus CDU und SPD goss das ganze tatsächlich in ein mit heißer Nadel gestricktes Gesetz und durfte sich danach von einer renommierten Expertenkommission und verschiedenen Wissenschaftlern die entsprechenden Rüffel abholen. Von einer Katastrophe war die Rede, und von einem unausgegorenen, kurzatmigen und lobbygetriebenen Projekt. In der Wikipedia wird das ganze Thema wirklich hervorragend chronologisch und thematisch aufgearbeitet.
In einem nun geleakten EU-Dokument tauchen offenbar Denkansätze auf, die verdächtige Parallelen zu diesem in Deutschland tatsächlich existierenden – aber bisher nie wirklich durchgesetzten – Leistungsschutzrecht aufweisen. Konkret geht es der Kommission offenbar um die generell im Raum stehende Frage, ob das Urheberrecht europaweit an die Besonderheiten des Internets angepasst werden muss.
Nun mag man vermuten, dass es dabei in erster Linie darum geht, dass niemand Bilder, Videos, komplette Texte oder ziemlich lange Passagen von einer fremden Internetseite kopieren darf, um diese dann auf seinen eigenen Internetseiten zu verwerten. Sogar bei den meisten Teenagern dürfte mittlerweile angekommen sein, dass man das nicht darf und dass hier neben entsprechenden gesetzlichen Vorschriften auch der gesunde Menschenverstand entsprechende Grenzen setzt.
Doch das EU-Papier geht einen ganzen Schritt weiter. Julia Reda vertritt zusammen mit dem Urheberrechtsexperten Leonhard Dobusch die Ansicht, dass schon das bloße Setzen eines Links auf einen urheberrechtlich geschützten Text in einem neuen EU-Gesetz als “Zugänglichmachung” gewertet werden könne. Dementsprechend wäre ein solcher Link dann tatsächlich genehmigungspflichtig und vermutlich eben auch kostenpflichtig. Das wäre dann genau das Szenario, das auf Druck der Presseverleger im deutschen und Leistungsschutzrecht niedergeschrieben ist, und zwar auf Europa-Ebene. Die EU-Kommission geht sogar so weit, das Leistungsschutzrecht trotz der einhellig ablehnenden Experten als Beispiel für eine geeignete gesetzgeberische Lösung anzuführen.
Während es bereits Urteile des EuGH gibt, in denen Links als nicht urheberrechtlich relevante bzw. schützenswerte Konstrukte gelten, sollen hier also vermutlich komplett neue Fakten geschaffen werden, mit denen das Internet – wie wir es kennen – nie existiert hätte. Man müsste theoretisch von jeder Website eine u.U. kostenpflichtige und jederzeit widerrufbare Genehmigung für das Setzen eines Links einholen – und sich dabei auch noch darauf verlassen, dass derjenige diese Genehmigung überhaupt erteilen darf und nicht selbst die Arbeit eines anderen kopiert hat.
Die “Abschaffung” der EU-Roaming-Gebühren ab 2017 ist eine Mogelpackung!
Die ganze Nummer wird besonders peinlich, weil ausgerechnet der deutsche EU-Digitalkommissar Oettinger bereits seit längerer Zeit davon spricht, dass es einer wie auch immer gearteten “Steuer” bedarf, mit der die Presseverlage – deutschlandweit und nun offenbar auch europaweit – stabilisiert werden müssten. Selbstverständlich meint er damit keine “GEZ-Abgabe” fürs Internet, das wäre in irgendwann anstehenden Wahlkampfzeiten ziemlich unpopulär. Vielmehr soll der Presse ein “Instrument” an die Hand gegeben werden, mit dem über das derzeitige Urheberrecht hinaus ein Kassieren bei jedem ermöglicht wird, der kleinste Textschnippsel oder Links “verwertet”. Und wie schon beim Leistungsschutzrecht ist wohl auch bei diesem Thema keinerlei Hilfe von der ehemaligen Oppositionspartei SPD zu erwarten, denn Europaparlamentspräsident Martin Schulz stimmt bereits ähnliche Töne an.
Besonders bedenklich ist, dass die Politik hier wie schon beim Leistungsschutzrecht in den Verdacht gerät, den Verlagen einen Gefallen tun zu wollen – und dass man dafür zu gegebener Zeit eine entsprechende Gegenleistung in Form besonders wohlwollender Berichterstattung erwarten könnte. Davon abgesehen wäre ein solches Gesetz eine erneute europäische Abkapselung gegenüber dem Rest der Welt, wo man offenbar auf derart abstruse Ideen gar nicht kommt.
Quelle: juliareda.eu via futurezone.at