Seit zwei Tagen wird eine neue Sau durchs Smartphone-Dorf getrieben. Dabei geht es um Vic Gundotra, der einst bei Google auf der Gehaltsliste stand und jetzt in höchsten Tönen von den Foto-Talenten der Kamera im iPhone 7 schwärmt. Das ist grundsätzlich natürlich wenig verwerflich, denn schließlich muss er ja nicht Apple dissen, nur weil er einst bei Google arbeitete, Darüber hinaus ist die Kamera in den Apple-Smartphones in der Tat außergewöhnlich gut. Deswegen hätte ich seiner ursprünglichen Äußerung auf Facebook sogar weitestgehend zugestimmt:
The end of the DSLR for most people has already arrived. I left my professional camera at home and took these shots at dinner with my iPhone 7 using computational photography (portrait mode as Apple calls it). Hard not to call these results (in a restaurant, taken on a mobile phone with no flash) stunning. Great job Apple. Vic Gundotra, CEO AliveCor (vormals Google, Microsoft)
Diese Fotos zeigte er als Beispiel, um seine These zu belegen. Er hat also quasi aus der Hüfte gefeuert, keinen Blitz benutzt und die Bilder nicht nachbearbeitet – dafür können sie sich in der Tat sehen lassen:
Info: Vic Gundotra
Wer mit dem Namen Gundotra nicht ganz so viel anfangen kann: 1991 heuerte der in Indien geborene Mann bei Microsoft an, wo er später dabei helfen sollte, dass „Windows Live“ den Google-Diensten Paroli bieten kann. 2007 schließlich wechselte er aber zu den Kaliforniern und war bei Google als „Vice-President of Social“ vor allem die treibende Kraft hinter Google+, war aber auch involviert bei Google Maps und der Google I/O.
2014 verabschiedete sich Vic Gundotra dort dann wieder, ohne spezifische Gründe anzugeben oder ein Unternehmen, zu dem es ihn zieht. Der tragische Tod eines Onkels ließ ihn über sein Leben nachdenken und neue Pläne schmieden, äußerte er damals. Mit dem heutigen Wissen kann man vermuten, dass die Trennung von Google nicht ganz so freundschaftlich über die Bühne ging, wie es damals schien. Im Jahr 2015 schließlich ging er dann beim Start-Up AliveCor an Bord. Bei dem Smart-Health-Unternehmen bestimmt Gundotra als CEO die Geschicke.
Ich hätte jetzt zwar nicht wie er davon geredet, dass Smartphones wie das iPhone 7 bzw. iPhone 7 Plus das Ende der DSLR-Ära eingeläutet haben. Aber für sehr viele Menschen reicht das tatsächlich dicke aus, was moderne Smartphone-Kameras zu leisten vermögen. Dann legte Gundotra in den Kommentaren aber nochmals nach und erklärte, dass man — wenn man wirklich Wert auf großartige Fotos legt — unbedingt ein iPhone benötigt, während seiner Meinung nach Android Jahre hinterherhinkt. Wortwörtlich sagte er:
Bottom line: If you truly care about great photography, you own an iPhone. If you don’t mind being a few years behind, buy an Android. Vic Gundotra
Vor diesem für Google ebenso niederschmetternden wie überraschenden Fazit erklärt der gute Mann auch, wieso er zu dieser Ansicht kommt: Der Grund ist die Trägheit Googles, die sich aus der Android-Fragmentierung ergibt. Jedes Unternehmen kocht sein eigenes Süppchen sowohl bei der Hardware als auch bei der Kamera-Software. Ein Hersteller wie Samsung, der stets bärenstarke Kamera-Hardware zu bieten hat, würde seiner Meinung dadurch ausgebremst, dass Google so langsam reagiert und mit der Programmierung entsprechender Software nicht hinterher käme.
Dazu fallen mir jetzt gleich mehrere Dinge ein, die mich glauben lassen, dass Vic Gundotra
- entweder keine Ahnung hat
- nur aus Jux und Dollerei ein wenig provozieren möchte
- oder sich vielleicht auch nur bei Apple einschleimen möchte.
Smartphone killed the DSLR Star? Nein, sicher nicht
Da ist zunächst einmal die kühne These, dass Spiegelreflexkameras dank iPhone 7 obsolet geworden wären. Klar – für jemanden wie mich, der mal bei einer Party, einem Konzert etc. ein paar Mal auf den Auslöser drückt für seine Facebook-Freunde, reicht eine Smartphone-Cam dicke. Für mich wäre aber dementsprechend aber auch eine Spiegelreflexkamera ungeeignet, weil ich die Fähigkeiten gar nicht ausnutzen würde.
Die Smartphone-Kameras werden tatsächlich besser und besser und setzen damit dem Markt für kompakte Standalone-Kameras schwer zu, aber allein die schlanke Bauweise der Smartphones verhindert, dass hier tatsächlich eine digitale Spiegelreflexkamera ersetzt werden kann. Jau, der Portrait-Modus des iPhone 7 Plus ist bärenstark und liefert eindrucksvolle Ergebnisse. Dennoch kommt auch ein iPhone nicht gegen eine DSLR an. Gute Smartphones ermöglichen gute Fotos, zweifellos – aber wir sollten die Kirche im Vergleich zu professionellen Kameras bitte im Dorf lassen.
Android-Fotos taugen nichts? Ergebnisse sagen was anderes
Wir haben hier auf dem Blog natürlich immer wieder mal Android-Smartphones gegen iPhones antreten lassen, auch bzw. gerade im Hinblick auf die Fotos, die mit den Cams möglich sind. Hier haben wir beispielsweise das iPhone 7 gegen das Samsung Galaxy S7 edge getestet.
„Aber die Dual-Cam des iPhone 7 Plus…“ – ja, wir haben auch einmal das Cupertino-Phablet mit verschiedene Android-Boliden mit Dual-Cam verglichen:
Kameravergleich: iPhone 7 Plus vs Huawei P9, Honor 8, LG G5 und LG V20
Logischerweise sind unsere Tests auch immer subjektiv gefärbt, aber wir haben auch mal einen Blind-Test gewagt. In dem Vergleich haben wir euch Foto-Serien der Smartphones Apple iPhone 7 Plus, Google Pixel, Samsung Galaxy S7 edge und Xiaomi Mi5s präsentiert, euch um eure Meinung gebeten und erst hinterher aufgeklärt, welche Serie mit welchem Handset geknipst wurde.
In der Auflösung stellte sich heraus, dass 39 Prozent unserer Leser die Serie des Samsung Galaxy S7 edge für am gelungensten hielten. Die Foto-Serie des iPhone 7 Plus belegte mit 16 Prozent der Stimmen den dritten von vier Plätzen.
Okay, das ist euch immer noch nicht subjektiv genug, da wir eher als Android-freundliches Blog wahrgenommen werden und weniger als Apple-freundliches? Okay, dann seht euch die aktuelle
DxOMark-Liste an: Das HTC U11 führt hier das Feld an vor dem Google Pixel, das Apple iPhone 7 (Platz 13) und das Apple iPhone 6s (Platz 20) sind deutlich abgeschlagen.
Android hinkt hinterher? Und wenn schon…
Nur mal angenommen, Vic Gundotra läge richtig und Android-Smartphones würden aufgrund der Nachlässigkeit der Google-Programmierer und der Tatsache, dass bei Apple Software und Hardware aus einer Hand stammen, tatsächlich „mehrere Jahre“ hinterher hinken. Gerade eben habe ich euch belegt, dass Android im Blindtest bei uns das iPhone abgehängt hat und auch unabhängige Tester so manchem Android-Smartphone bescheinigen, bei der Kamera auf Augenhöhe mit dem iPhone zu performen oder gar bessere Bilder abzuliefern.
Wenn da tatsächlich so viel Zeit verschenkt wird, frage ich mich, wieso Apple diese Zeit scheinbar nicht nutzen konnte, um seine Vormachtsstellung im Kamera-Bereich auszubauen? Wieso ist man sogar ins Hintertreffen geraten, obwohl Google so trödelt?
Sorry, Herr Gundotra…
…aber hier haben sie sich vergaloppiert. Ich hab da absolut Verständnis für, wenn man von den selbst geknipsten Meisterwerken so begeistert ist, dass man die Hardware über den grünen Klee lobt. Der Kritik an Android (und Android hat durchaus auch jede Menge Kritik verdient) fehlt in diesem Falle aber komplett die Substanz.
Die Behauptung, dass Android-Kameras der iPhone-Kamera Jahre hinterherhinken ist ebenso haarsträubend falsch wie die, dass das iPhone jede DSLR ersetzt. Netter Versuch, Herr Gundotra — aber sind sie sicher, dass sie hier nicht einfach nochmal gegen den ehemaligen Arbeitgeber nachtreten wollten? Witzig ist am Rande übrigens, dass er sich für diese Liebeserklärung an Apple inklusive Android-Diss als Ex-Google+-Verantwortlicher ausgerechnet Facebook ausgesucht hat.