Thomson Reuters hat seinen Global Innovation Report 2016 vorgelegt. Der Bericht listet in überaus detailreicher Weise die aktuellen und in naher Zukunft anstehenden Entwicklungen in den Bereichen Luftfahrt, Fahrzeugbau, Biotechnologie, Informations- und Halbleitertechnologie, Pharmazie sowie wie vielen weiteren Sektoren auf. Neben positiven und negativen wechselseitigen Einflüssen zwischen den verschiedenen Bereichen wird auch beleuchtet, welche Länder besonders innovativ sind und sich z.B. durch besonders viele Erfindungen und Patentanmeldungen auszeichnen.
Während einem deutsche Unternehmen wie Siemens, das Zentrum für Luft und Raumfahrttechnik, Bosch oder Daimler erwartungsgemäß in den Bereichen Luftfahrt und Verteidigung oder Fahrzeugbau begegnen, befinden sich weitere deutsche Firmen z.B. im Biotech-, Ernährungs-, Haushaltstechnik- oder Kosmetiksektor. Durchsucht man den Report gezielt nach deutschen Unternehmen, findet man neben einigen sehr bekannten Namen auch Firmen, die vielen Endverbrauchern kaum geläufig sein dürften, beispielsweise den Münchener Technologiekonzern Giesecke & Devrient oder das EMBL in Heidelberg. Gleichzeitig offenbaren die Tabellen, dass viele Unternehmen in weitaus mehr Bereichen aktiv sind als man allgemein vermutet.
Wir haben uns selbstverständlich auf die Innovationsbereiche konzentriert, mit denen wir es hier bei Mobile Geeks tagtäglich zu tun haben, also z.B. die Halbleiter-Industrie, den Bereich Telekommunikation oder den vor enormen Veränderungen stehenden Fahrzeugbau. In den Branchen hat sich in den zurückliegenden Monaten und Jahren enorm viel getan, gleichzeitig stehen neue Herausforderungen an. Die Halbleiter-Industrie organisiert momentan noch den Wandel vom Zulieferer für den Home-PC-Bereich zum Innovationstreiber für Smartphones und das IoT (Internet of Things). Die Automobilindustrie steht vor der immensen Aufgabe, die ohnehin schon mit immer mehr Elektronik ausgestatteten Fahrzeuge in das Zeitalter der – dann vermutlich selbstfahrenden – Elektrofahrzeuge überführen zu müssen.
Diese drei Branchen zeigen dann auch deutlich, wie sehr ursprünglich voneinander getrennte oder bestenfalls nebeneinander existierende Innovationsanforderungen nun miteinander verschmelzen. Mehr noch: einander bedingen und sich gegenseitig entweder vorantreiben oder ausbremsen.
Dabei spielen – auch das zeigt ein Blick in die Tabellen – die in ihrem Bereich jeweils führenden Nationen eine entscheidende Rolle und setzen sich teilweise deutlich von anderen Nationen ab. Globalisierung hin oder her, bestimmte Technologien und Innovationen werden tatsächlich oftmals in ganz bestimmten Regionen entwickelt und dann auch gefertigt, während sich andere Nationen auf völlig andere Bereiche konzentrieren. Für uns mit unserem Firmensitz in Taipeh ist natürlich besonders interessant, wie und in welchen Bereichen sich der asiatische Raum und hier ganz besonders Taiwan und China, aber auch Südkorea und Japan positionieren.
Semiconductors: Halbleiter kommen aus Asien
Wie kaum anders zu erwarten setzt sich Samsung mit über 4.000 registrierten Erfindungen an die Spitze der Halbleiter-Industrie. Die dafür verantwortliche Sparte des südkoreanischen Mischkonzerns entwickelt und produziert mittlerweile für viele andere Technologiebereiche und beliefert dabei auch vermeintliche Konkurrenten wie z.B. Apple mit den benötigten Chips, Platinen und mehr. Ebenfalls aus Südkorea kommen LG Electronics und SK Hynx. China wiederum erobert insgesamt vier Plätze in der Top 10. Die hier ansässigen Unternehmen profitieren offenbar enorm von einer staatlichen Förderung des Technologiesektors und langsam aber sicher darf man sich von den Klischees und Vorteilen im Zusammenhang mit „Made in China“ verabschieden. Hier wird tatsächlich geforscht und entwickelt, nicht plagiiert.
Dies macht auch ein interkontinentaler Vergleich deutlich: während der ehemalige Spitzenreiter im Halbleiterbereich IBM mittlerweile auf Platz 8 abgerutscht ist, taucht kein einziges europäisches Unternehmen in den weltweiten Top 10 auf. Ein Blick auf die separate Europa-Tabelle wiederum offenbart, dass diese von deutschen Unternehmen wie Infineon, Osram oder Bosch dominiert wird, insgesamt sechs von 10 Firmen stammen aus Deutschland – immerhin, ein Achtungserfolg.
Telekommunikation: ein Spiegelbild des Markts

Der Bereich Telekommunikation mit all‘ seinen Nischen und Spezielgebieten ist ein Synonym für den extrem schnellen Technologiewandel geworden. Während Unternehmen wie Nokia sang- und klanglos verschwunden sind „wurden“ bzw. sich längst erfolgreich in anderen Bereichen behaupten, bestimmen auch hier asiatische Firmen die Trends. Mit 5G, Telemetriediensten und IoT steht auch dieser Sektor vor den nächsten Herausforderungen, die weit über das Smartphone in eurer Tasche hinausgehen. Die Top 10 spiegelt hier hervorragend wieder, wie sehr sich zum einen die asiatischen Firmen wie Samsung, Huawei oder z.B. auch ZTE positionieren, während Europa nur noch mit der von vielen bereits vergessenen Marke Ericsson vertreten ist. Aus Deutschland kommt Infineon, das sich allerdings hinter Bosch einreihen muss, während sich Apple in den USA zwischen Qualcomm und – Überraschung! – BlackBerry positioniert.
„Smart Cars“ kommen (auch) aus Deutschland

Der überwiegende Teil der Patentanmeldungen im Bereich Automotive wird dem Bereich „Alternative Antriebe“ zugeordnet. Die Industrie bereitet sich auf die Umstellung vom Verbrenner zum Elektrofahrzeug vor und investiert (entgegen der öffentlichen Wahrnehmung) massiv in die entsprechende Forschung. Parallel dazu gab es einen hohen Anstieg in vielen Bereichen, die der Fahrzeugsicherheit dienen.
Während Toyota und Hyundai in puncto Innovation die Nase vorn haben, schiebt sich der deutsche Hersteller Bosch mal eben locker auf Platz 3 – Respekt! Mit Daimler (Mercedes-Benz) kann sich ein weiterer deutscher Hersteller in den Top 10 platzieren, während die europäische Tabelle mit BMW, VW, Audi und Continetal und somit 7 von 10 Plätzen vollends von den deutschen Autobauern und Zulieferern dominiert wird. Beim us-amerikanischen Marktreiber Tesla scheint es hingegen, als seien die Entwicklungen nicht mehr oberste Priorität, das Unternehmen von Elon Musk sortiert sich auf dem US-Markt irgendwo im Mittelfeld ein. In dem Zusammenhang muss man natürlich festhalten, dass Tesla ohnehin viele seiner Patente für alle anderen Hersteller freigegeben hat.
Fazit
Sowohl die Zuordnung bestimmter technologischer Entwicklungen zu bestimmten Ländern als auch das wiederholte Auftreten bestimmter Unternehmen in den verschiedensten Bereichen zeigen deutlich die parallelen Entwicklungen. Vollvernetzte selbstfahrende „Smart Cars“ wird es ohne 5G nicht geben, gleichzeitig sind jene (und z.B. das Internet of Things) die Rettung der Halbleiter-Branche aus der PC-Krise. Neben vielen großen und bekannten Marken gibt es Global Player, die in ganz vielen Innovationsbereichen eine entscheidende Rolle spielen, ohne dabei von der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Deutsche Traditionsbetriebe wie Bosch oder Continental erwirtschaften jährliche Milliarden-Umsätze in Bereichen, die in den kommenden Jahren vor extremen Herausforderungen stehen. Dass hier geforscht und entwickelt wird, stimmt mehr als nur zuversichtlich.
Den vollständigen Report findet ihr unter thomsonreuters.com