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Ist euer Beruf systemrelevant? Und was bedeutet „systemrelevant“ im Jahr 2020?

geschrieben von Nicole Scott

Als ich vor einigen Tagen mit meinen Freunden telefonierte, stellte ich ihnen folgende Frage: „Glaubt ihr, dass eure Jobs systemrelevant sind?“. Als der Lockdown begann, durften schließlich nur noch „systemrelevante“ Arbeitskräfte zur Arbeit gehen – denn diese Menschen halten unsere Gesellschaft am Laufen. Viele Leute, die derzeit zu Hause sitzen, stellt sich wahrscheinlich dieselbe Frage. Ist mein Job systemrelevant? Praktisch gesehen vielleicht nicht, doch was meine Existenz angeht schon. Doch wenn die Antwort nein lautet, welche Bedeutung hat der Begriff „systemrelevant“ dann?

Wann ist man „systemrelevant“?

Oft dreht es sich bei der Arbeit in erster Linie ums Geld. Manchmal stellen wir uns jedoch die schwierige Frage, ob wir nicht lieber in einen erfüllenderen Beruf wechseln sollten. Wir fragen uns nicht länger nur, ob wir unseren eigenen Bedürfnissen nachkommen können – die Tatsache, dass wir Geld verdienen müssen, hält uns nicht mehr davon ab, Fragen wie „spielt meine Arbeit eine wichtige Rolle in meinem Leben?“ oder „wie wichtig ist meine Arbeit für unsere Gesellschaft?“ zu stellen.

Die Coronakrise zeigt uns schwarz auf weiß, welche Berufe tatsächlich systemrelevant sind.

Ich wäre ehrlich gesagt überrascht, wenn die aktuelle Situation nicht auch bei euch einige existenzielle Fragen aufgeworfen hat. Wenn ihr diese Gelegenheit nicht nutzt, um eure beruflichen Entscheidungen zu überdenken, worauf wartet ihr dann? Alleine zu Hause zu sein oder mit der Familie in den eigenen vier Wänden eingesperrt zu sein, zwingt viele Menschen dazu, ihr Leben zu überdenken: Finanzen, Ungleichheit bei der Arbeit und für die vielen arbeitslosen Menschen stellt sich die Frage, wann sie wieder Arbeit finden können.

Noch ist es zu früh, um zu sagen, wann – und ob – alles wieder zur Normalität zurückkehrt. Falls ja, wird dies wohl eher ein langsamer Prozess sein. Am Ende der Coronakrise erwarten uns wohl eine Rezession und eine veränderte Unternehmenslandschaft. Möglicherweise wird sich unsere Gesellschaft sogar grundlegend verändern.

Die aktuelle Situation zwingt uns dazu, unsere Lebensentscheidungen zu überdenken und sogar völlig neue zu treffen.

Derzeit entscheidet sich, wie die Zukunft unserer Arbeitswelt aussehen wird. Gerade jetzt, da alles in Bewegung ist und wir jeden Tag mit neuen Informationen überhäuft werden, ist es aber besonders schwierig, wichtige Lebensentscheidungen zu treffen. Ihr solltet deshalb vorsichtig und mit Bedacht vorgehen – trefft keine Entscheidungen allein aus Panik oder Ungewissheit.

Die Welt steht still. Ihr solltet diese Zeit nutzen, um einen „Reset“ für manche Aspekte eures Lebens vorzunehmen. Während wir abwarten, wie die Normalität in Zukunft aussehen wird, sollten wir uns nicht an die Vergangenheit klammern. Stattdessen sollten wir die Veränderungen zulassen, die diese aktuelle Situation mit sich bringt.

Mir ist bewusst, dass es ein Privileg ist, im Leben neue Prioritäten setzen zu können. Wer in diesen Zeiten ums reine Überleben kämpft, hat leider nicht viel Zeit, seine Karriere und sein Leben zu überdenken. Das bedeutet aber nicht, dass diese Menschen keine Entscheidungen treffen können. Auch Entscheidungen, die dabei helfen, diese Krise einfach nur zu überstehen, sind eine große Sache – schließlich verstecken sich auch viele Leute einfach vor der Realität. Auch ich bin zunächst vor der Realität geflüchtet, was ich erst einige Zeit später bemerkte, als ich mir auf Netflix die Serie Tiger King anschaute.

In der Vergangenheit habe ich bereits öfters über die Zukunft der Arbeitswelt gesprochen. Meistens konzentriere ich mich auf Themen wie die Automatisierung und die Tatsache, dass Roboter nicht einfach unsere Arbeitsplätze wegnehmen werden – mein persönlicher Favorit ist der Artikel, in dem ich zeige, wie man einen Lebenslauf verfasst, der auch Robotern gefällt (denn euer Lebenslauf wird in der Regel zuerst von einer Software geprüft!). Journalismus ist ebenfalls ein systemrelevantes Berufsfeld, doch in den letzten Jahren hat sich die Branche stark von ihren Grundwerten entfernt; neue Geschäftsmodelle, bezahlter Content, Influencer – all das scheint nun mehr zu bedeuten als gut recherchierte und aufschlussreiche Inhalte. Das führt dazu, dass ich mir nun unablässig die Frage stelle:

Welche Bedeutung hat der Begriff „systemrelevant“?

Die Antwort auf diese Frage wird für jeden anders lauten, aber es ist wohl eine der wichtigsten Fragen, die wir uns dieses Jahr stellen werden.

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Nicole Scott