Ach ja, die gute alte Tech-Blog-Goldgräberzeit, sie war schon schön. Sascha Pallenberg machte schon Hands-on-Videos, als so manche der heutigen Tech-Blogger noch nicht mal richtig sprechen konnten. Bei neuen Smartphones und Tablets haben wir jahrelang demonstriert, dass die Software flüssig läuft — oder eben auch nicht. Viel zu oft nämlich ruckelte es vor sich hin, die Geräte waren zudem oft klobig, die Bedienung per Touchscreen war in vielen Fällen ein Gräuel. Anfangs gab es nicht mal Kameras in den Handsets, die ersten Fotos aus dem Smartphone boten dann eine Qualität, die uns überlegen ließ, ob wir das Motiv tatsächlich fotografieren möchten — oder doch lieber schnell eine Zeichnung mit dem Kugelschreiber vorziehen.
Worauf ich hinaus will mit diesem wehmütigen Blick zurück: Damals ergab es wirklich Sinn, dass Smartphone-Hersteller eifrig Technologien verbesserten und Jahr für Jahr signifikant bessere Smartphones in die Läden brachten. Und heute? Selbst die günstigen 150-Euro-Hobel machen Fotos von einer Qualität, dass man sie schmerzfrei bei Instagram und Co teilen kann. Die Prozessoren sind stark genug, dass jeder durchschnittliche Nutzer nicht eine Sekunde darüber nachdenken wird, da alle gewünschten Apps rund laufen.
In der Spitzenklasse, die mittlerweile nicht selten vierstellige Preise aufruft, ist die Situation ein wenig anders: Hier finden wir Jahr für Jahr die stärksten SoCs von Qualcomm bzw. vergleichbare Kaliber, andere Specs wie Arbeitsspeicher oder der interne Speicher ziehen eher gemächlich an. Die Displays werden auch verbessert, ohne dass die Auflösung in den letzten Jahren signifikant gestiegen wäre. Akkus sind nicht mehr so problematisch wie vor ein paar Jahren, was nur zum Teil an höheren Kapazitäten liegt und mehr daran, dass Schnelllade-Technologien die Batterien flotter befüllen. Es bleibt lediglich ein Hardware-Bereich, bei dem sich noch die gewohnten, alten Spezifikationen-Schlachten geliefert werden: Die Kameras!
Mittlerweile sind die Shooter so herausragend gut geworden, dass Kompaktkameras mittlerweile fast obsolet geworden sind. Huawei, Samsung, Google und Apple allein liefern hier alljährlich aufs Neue Spitzen-Technologie, bei der man sich allerdings auch langsam fragen kann, wie viele der Nutzer die Möglichkeiten dieser Kameras tatsächlich im Ansatz ausreizen.
Nehmt einfach mal das neue Google Pixel 4: Bei guter Sicht soll man sogar die Milchstraße fotografieren können — aber mal ehrlich: Wie oft wird man sich mit dem Smartphone hinsetzen und Sterne fotografieren? Natürlich gibt es zahlreiche Fotografie-Fans, die auch mit dem Smartphone hochwertige Ergebnisse erzielen wollen. Aber für die Vielzahl der Handy-Besitzer, behaupte ich jetzt mal frech, können die Kameras schon heute deutlich mehr, als von ihnen verlangt wird. Fotos auf Insta, Twitter und Facebook posten oder in die WhatsApp-Gruppe, Party-Schnappschüsse oder Urlaubsfotos machen — alles kein Hexenwerk. Ich unterstelle den meisten Leuten, dass sie sich nie in die Pro-Einstellungen der Kamera-Software verirren — einfach, weil die “automatisch”-Einstellung ausreicht.
Weniger neue Smartphones, mehr Nachhaltigkeit
Damit will ich jetzt zum Punkt kommen: Es ist klasse, dass die Kameras immer besser werden und punktuell sich auch die Smartphones insgesamt verbessern. Aber wir brauchen das nicht auf einer jährlichen Basis! Schon längst sieht man das am Kaufverhalten, dass die Besitzer der Smartphones nicht jedes Jahr neu zuschlagen und auch mal eine Generation aussetzen. Nachvollziehbar, weil die Hersteller zumeist auch nichts vorstellen können, bei dem sich ein Kauf aufdrängt, sofern man das vorherige Modell besitzt.
Die Frage muss da dann lauten: Sollten die Hersteller überhaupt noch jährlich neue Ableger ihrer Spitzen-Smartphones produzieren und vorstellen? Die Märkte sind weitestgehend gesättigt und es sind eh nur noch die allerwenigsten Konzerne, die in der Smartphone-Sparte tatsächlich rentabel arbeiten. Wäre es hier also nicht längst an der Zeit, dass man sich besser drauf konzentriert, alle zwei Jahre einen Neuankömmling anzukünden, der dann tatsächlich deutlich besser ist als sein Vorgänger?
Passend dazu will ich einen anderen Trend anführen, der eine immer wichtigere Rolle spielt: Das Thema Umwelt und Nachhaltigkeit! Ich verstehe, dass der Reiz groß ist, jährlich neu für ein Smartphone abkassieren zu können, welches kaum besser ist als das Vorjahresmodell. Aber mittlerweile überlegen wir so ausgiebig darüber, wie wir unseren CO2-Fingerprint angenehmer gestalten und wo wir nachhaltiger mit Ressourcen umgehen können, dass ein Hersteller tatsächlich damit werben könnte, wenn er aus Umweltschutz-Gründen auf einen jährlichen Release verzichtet.
Ich mein, wenn ein Akku eben nicht so wie früher nach zehn Monaten oder so die Grätsche macht, die Kamera aus dem letzten Jahr auch dieses Jahr noch gute Bilder abliefert und Facebook, Instagram und meine Messenger nach wie vor einwandfrei funktionieren: Wieso nicht noch ein Jahr weitermachen damit?
Wenn ich mir dazu vorstelle, dass die Hersteller mehr Zeit investieren, um die Software weiter zu verbessern und entsprechend Updates mit Mehrwert ausliefern, wäre das doch eine feine Sache, oder nicht? Mittlerweile kommt es mir eh so vor, als ob neben den Kameras bei den Präsentationen neuer Hardware eh längst die neuen Software-Features die waren Stars der Veranstaltung sind.
Natürlich sollen die Hersteller fleißig weiter an innovativen Ideen arbeiten, gerade jetzt, wo die ersten faltbaren Konzepte auf den Markt kommen. Aber was spricht dagegen, dass Samsung in einem Jahr ein neues Galaxy S und im darauffolgenden Jahr ein neues Galaxy Note vorstellen? Oder in geraden Jahren ein Galaxy One und in ungeraden Jahren ein Galaxy Fold?
Solange die Hersteller noch richtig viel Asche generieren können auf einer jährlichen Basis, wird das wohl nicht passieren, fürchte ich. Aber geht mal in euch und überlegt es euch mal selbst, ob es nicht vernünftiger für alle Seiten wäre, die Frequenz ein wenig herunterzuschrauben und seltener neue Modelle aus dem Hut zu zaubern. Schreibt es uns ruhig in die Kommentare — gerne auch mit einer Begründung, falls ihr der Meinung seid, es gäbe gute Argumente für jährliche Releases.