Setzt euch mal mittags oder nachmittags in die U-Bahn oder lauft einfach nur durch die Fußgängerzone und beobachtet die Menschen. Ihr werdet sehen, dass viele Leute sich deutlich mehr mit ihren Smartphones als mit ihrer Umwelt beschäftigen. Das kann zugleich Segen und Fluch sein, dass wir diese technischen Möglichkeiten heute haben, aber das soll das Thema nicht sein in diesem Beitrag. Vielmehr möchte ich darauf hinaus, dass ihr bei euren Beobachtungen feststellen dürftet, dass es kein Erwachsenenproblem ist. Kinder und Teenager nutzen ihre Smartphones tendenziell noch intensiver, Gleiches gilt für den heimischen Rechner oder das Tablet.
In Taiwan macht man sich aufgrund dieser Entwicklung seine Gedanken. Internet- oder Computerspiel-Abhängigkeit ist dort ein noch größeres Problem als hierzulande – in diesem Jahr gab es bereits mehrere Todesfälle, weil Gamer nach einem Zock-Marathon von drei bzw. fünf Tagen schlicht tot zusammengebrochen sind. Hierbei handelte es sich allerdings um erwachsene Männer und die Regierung möchte diesem unerfreulichen Trend nun per Gesetz einen Riegel vorschieben. Daher hat man dem Kinder- und Jugendschutzgesetz, welches Personen unter 18 Jahren das Rauchen und den Genuss von Alkohol untersagt, einen Zusatz verpasst, der die Zeiten festlegt, in denen ein Kind oder ein Jugendlicher vor elektronischen Geräten sitzen darf.
Okay, „Zeiten festgelegt“ ist in diesem Zusammenhang nicht ganz richtig, da die Formulierung ziemlich schwammig ausgefallen ist: Kinder und Jugendliche bis 18 ist es untersagt, elektronisches Gerät kontinuierlich „unvernünftig lange“ zu nutzen. Ihr seht schon, wo hier die Schwierigkeit liegt: Wie lange genau ist „unvernünftig lange“? Bei Kleinkindern bis zwei Jahren ist die Nutzung komplett untersagt, da gibt es kein Vertun – aber bei allen Personen bis zu einem Alter von 18 Jahren befindet man sich in einer Grauzone.
Verhangen wird die Strafe auch nicht, wenn ein Kind „erwischt“ wird, wie es übermäßig lange vorm Smartphone herumhängt, sondern erst dann, wenn dieses Verhalten zu gesundheitlichen Schäden führt. Sprich: Setzt der taiwanische Vater sein Kind so lange vor den PC, dass dieses Kind später dann körperliche oder seelische Schäden davon trägt, werden bis zu 50.000 Taiwan-Dollar fällig – umgerechnet etwas mehr als 1.400 Euro.
Ich verstehe den Ansatz und auch den guten Willen des Gesetzgebers in Taiwan, aber mir stellen sich dabei gleich mehrere Fragen. Zunächst mal: Wie lange ist wirklich unvernünftig bzw. wie können Eltern ermitteln, wie viel Zeit einem Kind wirklich schadet? Und wie will man das Eltern nachträglich nachweisen, dass sie entweder zu viel zugelassen oder zu wenig aufgepasst haben? Nicht alle Menschen ticken gleich und nicht alle Menschen legen daher auch das gleiche Verhalten an den Tag. Für den einen Teenager mag eine Stunde zu viel sein, für einen anderen sind vielleicht schon 15 Minuten zu viel. Ein Regierungsmitglied sprach pauschal von 30 Minuten, was mich zur nächsten Frage führt: Laut diesem Gesetz alle Personen zwischen 2 und 18 Jahren gleich – sollte einem 16-Jährigen nicht eine andere Online- bzw. Bildschirm-Zeit gewährt werden als einem Kind von vier Jahren?
Nicht zuletzt kann man das Verhalten seiner Kinder nicht rund um die Uhr kontrollieren, egal wie sehr man seinen Nachwuchs liebt und sich darum kümmert. Die Smartphone- oder Internet-Sucht ist zweifellos ein Punkt, mit dem man sich auseinandersetzen muss, gerade wenn es um Jugendschutz geht. Daher ist es vermutlich auch zu begrüßen, dass die Regierung in Taiwan diesen Zusatz im Gesetz unterbringt. Dennoch glaube ich, dass diese Regelung noch nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann. Was meint ihr? Wie könnte man so ein Gesetz cleverer oder bestimmter formulieren, ohne dass man die Rechte des Einzelnen zu sehr beschneidet? Erzählt es uns in den Kommentaren – ich denke derweil darüber nach, welche Schritte ich unserer Regierung bei diesem Thema zutraue.
Quelle: Digitaltrends.com