Ich bin fuer 2 Tage in Tokio und hatte die Moeglichkeit, das Konzept Vision Tokyo 2015 ganz persoenlich unter die Lupe zu nehmen. Aber nicht nur das, fuer gut 30 Minuten konnte ich mich mit dem Mercedes-Benz Design Chef Gordon Wagener unterhalten und ihm ein wenig auf den Zahn fuehlen.
Zuerst aber mal ganz persoenliche Eindruecke … der Vision Tokyo ist fuer mich die logische Weiterentwicklung des „clean design“ Konzepts vom F015 und Concept IAA. Die Kisten basieren auf aehnlichen Linien und sehen nebeneinander nahezu wie aus einem Guss aus. Was mir aber beim Vision Tokyo besonders gefaellt ist die Tatsache, dass Mercedes das Limo-Konzept nimmt und auf voellig neue Fuesse stellt. Ja die Stretch-Limo fuer die Abschlussfeier oder die Fahrt in den Club ueberarbeitet, dann noch einmal durch den Reisswolf der technologischen Entwicklung gedreht und schliesslich in zeitloses, aber dennoch provokatives Design gepackt hat (und dafuer moechte ich nun mit dem Marketing Oskar belohnt werden. Ich schreibe ja hier ne halbe Image-Broschuere zusammen …).
Ich habe mich echt immer gefragt, warum derartige Konzepte fuer den urbanen Lebensraus fehlen. So eine Art „komm fahr doch auch noch mit, denn wir haben genug Platz“ Plattform, in der nicht die Fahrt, sondern die Fahrgaeste „gefeiert“ werden. Dieser 3. Lebensraum, der (jetzt wird es nahezu religioes) ein Ort der Begegnung und Interaktion ist und uns dennoch von A nach B bringt.
Und genau dies sind die Konzepte, die mich so ein wenig „anturnen“. Ich rede noch nicht einmal von direkter, purer Begeisterung. Diese kann bei einer derartig komplexen Plattform, die dann irgendwann in 10 oder gar 15 Jahren umgesetzt werden soll, direkt eintreten. Die Synapsen wollen gekitzelt und herausgefordert werden. Was macht man damit und vor allen Dingen wie sieht die Infrastruktur und damit die Mobilitaet der Zukunft aus? Persoenliche Mobilitaet, die den individuellen Andorderung einer Generation entspricht, die voll vernetzt in einer Megametropole aufgewachsen ist und diese liebt und lebt!
Vision Tokyo ist der Bullet Train fuer die Generation Z. Gordon Wagener
Ich glaube dies ist auch der Grund, warum ich mich in den letzten Jahren neu verliebt habe. Neu verliebt in eine Industrie, die ueber 100 Jahre alt ist und sich komplett neu erfindet. Wenn man das unglaubliche Glueck hat in einer asiatischen Metropole zu leben und sieht, wie unglaublich dynamisch die Entwicklung dort ist, dann kann man nachvollziehen was in den Koepfen von Designern wie Gordon Wagener vorgeht. „Ein Bullet Train fuer eine neue Generation von jungen Kunden, die in einer Mega City grosswerden. Das ist unser Vision Tokyo 2015“ so Wagener in unserem Gespraech zur Zukunft des Automobils und der Frage, was ihn beeinflusst hat.
„Natuerlich basiert es auf den individuellen Designs des F015 und Concept IAA“, so Wagener weiter, „es ist aber dennoch ein autonomes Konzept fuer eine ganz bestimmte Zielgruppe“. Und diese will offenbar nicht nur automatisch durch die Stadt der Zukunft gefahren werden, sondern vor allen Dingen auch elektrisch. „Was uebrigens das groesste Problem ist. Die Batterien … diese passend zu verstauen und unterzubringen beeinflusst Designs fundamental“ liess mich Gordon wissen.
Von der Marke der Vaeter und Designanspruechen
Mal davon abgesehen, dass mich Mercedes-Benz hier nach Tokio geflogen hat, bin ich (und ich denke das schimmert immer mal wieder durch) ein kleiner Fan vom Daimler. Warum? Ich sehe was dort in den letzten Jahren passiert ist und wie sich diese Marke neu positioniert, ja zum Teil neu erfindet. Reibung innerhalb einer Organisation mit derartiger Historie zu erzeugen, das duerfte Design-Chef Wagener mehrmals gelungen sein und genau dies wollte ich dann im 2. Teil unseres Gespraeches ein wenig herauskitzeln.
Die Marke von den Vaetern und Muettern zur naechsten Generation zu transferieren. Gordon Wagener
Freunde, reden wir doch hier nicht um den heissen Brei rum … vor 10, 20 Jahren hatte Mercedes doch ein „Opa-Image“ inne und wirklich ordentliche Probleme dieses abzulegen. „Meine Aufgabe ist es unter anderem, die Firma und ihre Produkte von den Vaetern und Muettern zur naechsten Generation zu transferieren“, erklaerte Waegener. „Die Verjuengung des Portfolios und damit der Zielgruppe, ist eine riesige Herausforderung.“ Was ich dann auch umgehend bestaetigen konnte, wenn ich mir anschaue wie Mercedes in den USA und China nicht nur mit der A-Klasse, aber auch der C-Klasse genau dies zu schaffen scheint. Da wurden ja innerhalb von 2, 3 Jahren 10 oder gar 20 Jahre Durchschnittsalter der Kunden „weggehobelt“, was man in Deutschland zum Teil gar nicht wahrnimmt.

„Aber was geht denn in deinem Kopfe vor Gordon, wenn das beruehmte weisse Blatt Papier vor dir liegt und du dir Gedanken ueber die Zukunft machen musst?“ fragte ich Wagener und ergaenzte noch, ob es eine groessere Herausforderung ist an einem Serienfahrzeug oder einem Konzept zu arbeiten. „Als Designer ist es Teil meiner Mentalitaet in der Zukunft zu leben und genau das kommt dann dabei heraus. Vision Tokyo ist ein Angebot, ja geradezu ein Antrag an die Zukunft und den muss auch nicht unbedingt jeder sofort verstehen“ erklaert er mit Hinblick auf durchaus gewagte Entwuerfe.
Aber genau das ist es doch auch, was Designer und deren Kreationen ausmacht, oder etwa nicht? Etwas einzigartiges schaffen, etwas, ja wie kann ich es am besten beschreiben?
Auf den Punkt bringt es fuer mich der ehemalige Designchef von Nokia, Marko Ahtisaari. Waehrend eines Besuchs in Finnland antwortete er auf meine Frage, was er gerne von einem User seiner Designs hoeren moechte: „It fits into my life“.
Und genau das ist die wohl groesste Herausforderung, wenn man Produkte fuer eine Gesellschaft der Zukunft entwirft und 10-15 Jahre vorausschauen soll.