Das Auto ist des Deutschen liebstes Spielzeug – dennoch stehen PKWs im Schnitt etwa 23 Stunden am Tag unbenutzt in der Gegend herum. So erscheint das Konzept Carsharing seit Jahren nach einer guten Idee, so werden die Kosten für jeden Teilnehmer geringer, die Anzahl an Autos und damit auch verbrauchten Parkraum sinkt.
Das Konzept hat rechtlich natürlich einige Herausforderungen, gerade im Falle eines Unfalles müssen die wahren Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden können. Viele Anbieter setzen auf umfangreiche AGB und mannigfaltige technische Ausrüstung und Sensoren. Der Anbieter Miles in Berlin scheint es hier aber nicht ganz so genau zu nehmen – wie ein aktuelles Beispiel zeigt.
12.500 Euro Rechnung und Diebstahl nach Nutzung
Es ist mittlerweile einige Zeit her – der Brite Rob Shawn mietete am 23. Juni zur Mittagszeit ein Auto von Miles in Berlin. Nach Beendigung der Miete wurde der Wagen entwendet, wurde 200 Kilometer durch Berlin kutschiert und anschließend beschädigt. Der Carsharing-Anbieter stellte daraufhin die Rechnung in Höhe von 12.500 Euro an Rob Shawn. Er soll den Wagen nicht korrekt abgeschlossen haben – Shawn behauptet das Gegenteil, nun steht Aussage gegen Aussagen. Gründerszene möchte auch noch andere Beispiele mit ähnlicher Vorgangsweise seitens Miles gesammelt haben.
Kein Einzelfall
Auf unserer englischen Seite Mobilegeeks.com berichten wir über einen ähnlichen Fall. Unser Gastautor Andrea Nepori transportierte am 11. August letzten Jahres einen Schreibtisch in sein Büro, während er den Schreibtisch aufstellte, wurde der Wagen gestohlen. Die Rechnung nach der Spritztour durch die Diebe beläuft sich auf 6.700 Euro, sie wurde ebenfalls an den letzten regulären Mieter gestellt.
Nepori kontaktiere umgehend den Support, bekam dort aber den zweimal nur den die Bitte die Polizei nicht selbst zu kontaktieren. Miles selbst, als Fahrzeug-Eigentümer, sah sich hier in der Verantwortung. Vier Monate nach dem Zwischenfall flatterte dann die Rechnung ins Haus – Miles behauptet das Auto sei nicht abgesperrt auf der Straße geparkt worden.
Autos ohne Schlüssel … für jeden
Im Hinblick auf die Schuldfrage ist die Frage des Absperrens natürlich maßgeblich. Wären die Wägen nicht abgesperrt gewesen, könnte man den Mietern grobe Fahrlässigkeit vorwerfen. Damit treffe sie die Schuld – und auch die Versicherung würde nicht bezahlen. Auch die Geschäftsbedingungen von Miles und vielen Anbietern geben dies so an – wer das gemietete Auto nicht absperrt, haftet für alle daraus entstandenen Folgeschäden.

Deutlich spannendere wäre aber die Frage: Wie ist es möglich, dass die Autos oftmals über viele Stunden nicht abgesperrt und immer noch fahrbereit sind? Im Falle des Briten erfolgte der Diebstahl vier Stunden nach beendeter Miete. Hier sollten automatische Sicherheitsmaßnahmen greifen, die Miles offenbar nicht implementiert hat.
Autos mit Keyless System besitzen oft eine Annäherungserkennung – wenn der virtuelle Schlüssel, also das Smartphone des (temporären) Besitzers, nicht in der Nähe ist, wird es abgeschlossen. Gründerszene möchte von Rob Shaw einige Dokumente erhalten haben, die belegen, dass die Zündung ausgeschaltet war – das Auto aber weiter offen stand. So soll es auch andere Berichte geben, die zeigen, dass die viele Autos über Stunden offen standen.
Fehlende Sicherheitsmaßnahmen und die Konkurrenz
Miles hat hier offenbar grundlegende Mängel im Bezug auf die eigene Sicherheit, selbst wenn es hierführ sogar Onboard Systeme gäbe, die derartige Fehler verhindern könnten. Andere Anbieter gehen hier zum Glück anders vor.
“Es wurde noch kein Fahrzeug von WeShare gestohlen. In einigen wenigen Fällen haben uns Kunden informiert, dass sie ein offenes Fahrzeug gefunden haben, bei dem der Vormieter die Miete nicht ordnungsgemäß beendet hatte. Hier haben wir die Anmietung manuell beendet und den Vormieter informiert”, sagte mir ein Firmenvertreter. “Das WeShare-System überprüft automatisch und kontinuierlich, ob Mieten nicht ordnungsgemäß beendet wurden oder Fahrzeuge unverschlossen auf öffentlichen Straßen stehen. In solchen Fällen aktiviert das System die Wegfahrsperre, sodass der Motor nicht mehr gestartet werden kann. Der Kunde wird hierüber über die App informiert. Bei medizinischen Notfällen bleiben die Türen jedoch geöffnet. Die Wegfahrsperre kann über die App oder den Kundendienst wieder deaktiviert werden”.

“Da die SHARE NOW-App der digitale Autoschlüssel für schlüssellose Fahrzeuge ist, haben wir zusätzliche Vorkehrungen getroffen, wenn unsere Kunden während ihrer Anmietung einen Zwischenstopp machen. In diesem Fall müssen die Nutzer den Motor des Fahrzeugs über die App entriegeln, bevor sie mitfahren können”, so das Unternehmen. “Darüber hinaus nutzen wir verschiedene Tools, um die betrügerische Nutzung unserer Autos zu erkennen und zu verhindern, wie zum Beispiel den Einsatz einer sogenannten Wegfahrsperre. Diese ermöglicht es uns, den Motor zu stoppen und das Fahrzeug zu blockieren, wenn unser System eine unbefugte Nutzung des jeweiligen Autos feststellt”.
Darüber hinaus implementiert SHARE NOW ein “GeoFence Alerting” System. “Wie in unserer Datenschutzerklärung beschrieben, ist für die Aktivierung dieses Tools ein schwerwiegender Verstoß gegen unsere Allgemeinen Geschäftsbedingungen erforderlich”, so das Unternehmen. “Ein solcher Verstoß liegt zum Beispiel vor, wenn der Kunde den vertraglich vereinbarten Nutzungsbereich verlässt. Als Konsequenz erhalten wir eine Benachrichtigung, dass sich das Fahrzeug außerhalb des Landes befindet. So können wir den Kunden kontaktieren und ihn auffordern, das Fahrzeug sofort zurückzugeben”.
Miles möchte laut den Aussagen auf der eigenen Webseite “Carsharing transparenter und fairer” machen. So die Marketingaussage weiter: “Wir wollen, dass die Mobilität im urbanen Leben vielfältiger und vor allem für jeden zugänglich wird”. Gerade der Punkt mit “für jeden zugänglich” sollte aber eindeutig überdacht werden …