„It’s Showtime“ — das war das Motto der gestrigen Apple-Veranstaltung, die so komplett anders war als die üblichen Presse-Events, bei denen der Konzern aus Cupertino neue Produkte ankündigt. Sonst gab es immer die neuen shiny, fancy Hardware-Sensationen, bei denen nicht nur die anwesenden Zuschauer im Saal stets ausgeflippt sind. Okay, zugegebenermaßen ist diese Begeisterung zuletzt weniger geworden, weil eben auch Apple nicht im Halbjahrestakt das Rad neu erfinden kann.
Aber gestern lief es anders. Wir haben ja schon längst darüber geschrieben, wie wichtig die Sektion Services im Unternehmen geworden ist und dass sich der Tech-Riese seit einiger Zeit für eine Post-iPhone-Zeit rüstet. Das wird nicht bedeuten, dass Apple keine iPhones mehr verkaufen möchte. Viel mehr bedeutet es, dass das iPhone bzw. die riesengroße Nutzerbasis die Grundlage darstellen, um künftig sehr viel Umsatz mit seinen vielen Diensten zu generieren. Das iPhone quasi als Umsatz-Krücke.
Gestern also war „Showtime“. Der Claim bezieht sich selbstverständlich darauf, dass man nun mit Apple TV+ seinen eigenen Netflix-Kontrahenten am Start hat. Wobei „am Start“ übertrieben ist, denn außer einer Handvoll Ankündigungen für Original-Shows gab es noch nicht sehr viel zu berichten. Wir wissen nur ungefähr, wann es losgeht, nur ungefähr, wie das Angebot aussehen wird und überhaupt noch nicht, was der Spaß pro Monat kosten soll. Die Börse zeigte sich gestern auch wenig begeistert von dem Vorgestellten, die Apple-Aktie gab daher wenig überraschend kurzfristig auch ein klein wenig nach.
Bereits gestern äußerte sich unsere Nicole dazu, dass Apple mit seinem Dienst Apple TV+ schlicht ein wenig spät dran ist. Das war auch das, was viele andere Kritiker äußerten. Natürlich ist ein Steven Spielberg ein absolutes Schwergewicht der Filmbranche, aber eben auch niemand, der mit einer Show das komplette Konzept tragen kann.
Apple TV+ ist für mich bis dato ein „me too“-Produkt, welches lediglich dazu dient, Netflix, Amazon und Co was entgegenzusetzen und die Kunden im eigenen Ökosystem zu halten. Letzteres gilt übrigens auch für das News+-Portfolio, in welchem Apple zumindest in den USA ab sofort viele tolle Magazine zu einem Festpreis bündelt und verfügbar macht.
Noch ein Abo-System konnten die Kalifornier gestern mit Apple Arcade ankündigen. Auch dort wird es zu einem festen Preis eine Vielzahl von teils kostenpflichtigen Spielen geben, die auf den diversen Hardware-Plattformen Apples gezockt werden können. Einen Preis für dieses Abonnement nannte Apple wie auch bei Apple TV+ noch nicht, aber ließ immerhin schon durchblicken, dass an die 300.000 Spiele im Rahmen dieser Flatrate verfügbar wären.
Abgerundet wurde das Event gestern durch die Vorstellung einer eigenen Apple-Kreditkarte, für die sich Apple mit Goldman Sachs zusammengetan hat. Die ist eigentlich digitaler Natur, wird es aber auch in einer physischen Ausführung geben. Auch hier hat Nicole Apples Vorgehen in einem Beitrag erläutert und erklärt euch, wieso Apple jetzt auch ein Fintech-Unternehmen ist.
Apple glänzt weniger – macht es aber konsequent und richtig
Nach der Wallet und Apple Pay ist das der nächste konsequente Schritt des Unternehmens, so wie alle vorgestellten Produkte gestern durchaus als konsequent bezeichnet werden können. Konsequent — und in der Summe irgendwie dennoch nüchtern und unspannend. Das hatte nichts mehr mit dem Glanz alter Tage zu tun, als ein Steve Jobs eine legendäre Kiste vorstellte, die gleichzeitig „an iPod, a Phone and an Internet Communicator“ war.
Klar, natürlich hat sich Apple schwer ins Zeug gelegt gestern, indem man von Oprah über Reese Witherspoon bis Spielberg einen Weltstar nach dem nächsten auf die Bühne bat. Dennoch blieb das eben alles ziemlich blutarm, weil die vorgestellten Produkte zwar durchdacht sind, aber wenig Glanz verbreiten.
Ich glaube, dessen ist man sich auch bei Apple durchaus bewusst und sie nehmen es schulterzuckend zur Kenntnis, dass ein iPhone bei seiner ersten Präsentation ganz andere Jubelstürme entfacht hat als das gestern der Fall war. Das iPhone hat die Tech-Welt verändert, die jetzt vorgestellten Services sind lediglich logische Entwicklungen, die so allesamt absehbar waren und teilweise erst noch beweisen müssen, dass sie der Konkurrenz was voraus haben.
Aber nochmal: Dieser verblasste Glanz interessiert Apple überhaupt nicht. Weil der Konzern ein ganz festes Ziel vor Augen hat und das ist der Umbau der kompletten Company. 1,4 Milliarden Apple-Devices sollen aktuell im Einsatz sein und die Hardware-Basis wächst weiter. Dazu kommt, dass ein Produkt wie Apple TV künftig auch auf einer Vielzahl von Smart TVs zu finden sein wird und sogar auch auf der Roku-Box und dem Amazon Fire TV.
Damit stabilisiert man sein eigenes Ökosystem, fischt aber eben auch nach ganz neuen Kunden. Im letzten Quartalsbericht erzielte Apple mit dem iPhone immerhin noch 52 Milliarden US-Dollar Umsatz, was den größten Anteil der 84,31 Milliarden Gesamtumsatz darstellte. Aber: Bereits knapp 11 Milliarden US-Dollar Umsatz wurden da schon mit den verschiedenen Services erzielt. Apple wird sich strecken müssen, um mit Apple TV+ auch nur entfernt in die Nähe der zuletzt erwähnten 139 Millionen Abonnenten zu kommen, die Netflix mit all seinem zeitlichen Vorsprung gesammelt hat. Aber selbst, wenn wir von einem monatlichen Preis von 10 Dollar und nur 20 Millionen Kunden ausgehen, wären das knapp 2,5 Milliarden US-Dollar pro Jahr, die zusätzlich reinkommen.
Dazu explodiert der Umsatz mit Apple Pay, Apple Music wächst ebenfalls weiter und wir dürfen davon ausgehen, dass auch Apple News+ begeistert aufgenommen wird von der zahlenden Kundschaft. Es mag sein, dass der Glanz alter Präsentations-Events und vergangener Produkte mit diesen Services dahin ist — aber Apple macht hier alles ziemlich richtig, soweit man das bislang beurteilen kann und wird nicht den selben Fehler begehen, den einst Unternehmen wie Nokia oder RIM/BlackBerry begangen haben.