Designtechnisch greift Apple mit dem neuen iPhone 12 in die Vergangenheit zurück und holt den Metallrahmen zurück, der schon das iPhone 4 geziert hat. Allerdings ist das auch das einzige, was das iPhone 12 mit dem iPhone 4 gemeinsam hat – das neue iPhone ist viel schlanker als der Klassiker. Optisch ist es durchaus ansehnlich und die Leistungsdaten sind durchaus beeindruckend. Wie immer könnt ihr ein High-Endgerät mit dem iPhone erwarten.
Ganz besonders wichtig war dabei für Apple die Einführung von 5G mit der neuen iPhone-12-Serie. Das war für Tim Cook ein „historischer Moment“ und der „Beginn einer neuen Ära“ bei Apple. An Deutschland geht diese neue Ära zumindest zu Beginn noch vorbei. 5G ist sogar in einigen Großstädten Deutschlands (u.a. unser Hauptstadt) noch nicht einsatzbereit. Besonders wichtig ist 5G aber natürlich für den US-amerikanischen, aber auch für den asiatischen Markt, wo man ohne 5G absolut keine Chance hätte, zu bestehen.
Cook versichert dabei, dass das iPhone 12 dazu in der Lage sei, mit 4 GB pro Sekunde herunterzuladen – die schnellste 5G-Leistung, die es derzeit gäbe. Dabei suggeriert er, dass diese Leistung vom iPhone ausgeht. In der Realität wird diese Geschwindigkeit so gut wie gar nicht erreicht. Zurzeit gilt 1,2 GB pro Sekunde als ein äußerst hoher Wert unter normalen Bedingungen. Meist wird aber auch dieser nicht erreicht. Für den durchschnittlichen User völlig in Ordnung und an diesen richtet sich Apple zumindest mit dem iPhone-12 ohnehin nicht.
Neues iPhone 12 – zu hoch, zu schnell, zu weit weg vom Durschnittsuser?
Apple ist meiner Meinung nach selten so weit am durchschnittlichen User vorbeigeschossen wie mit dem iPhone 12. Schon an den Use-Cases, die Apple verwendet hat, um das iPhone vorzustellen, entfernt sich Apple vom Standard-Kunden. Da wird zum Beispiel über 5G ein Football-Spiel geschaut, aus sieben verschiedenen Blickwinkeln – gleichzeitig. Auf einem iPad-Mini mit 5,4”-Bildschirm – ich glaube es gibt keinen Arzt der Welt, der davon nicht abraten würde.
In einem anderen Beispiel wird League of Legends – Wild Rift gespielt. Es handelt sich dabei um eine exklusive iOS-Umsetzung des beliebten MOBA-Spiels. Für Apple das beliebteste Spiel zurzeit, aber für die meisten “Zocker” auch das umstrittenste, um es mal milde auszudrücken. Allerdings muss man hier sagen, dass die Adaption dem Original täuschend ähnlich sieht – zumindest bei Apples Vorstellung.
Es gibt noch eine Vorstellung, die eigentlich ziemlich gut darlegt, weshalb das iPhone 12 nichts für den Standard-User ist. Da geht es nämlich um die Kamera von Apple und dass diese Film-Studio-Qualitäten hat. Das ist schon seit einigen Jahren so und es gibt einige Filme, die ausschließlich auf iPhones gedreht wurden (und sie sind teilweise sogar gut). Aber mit den Bedürfnissen des Durchschnitts-Users hat das wenig zu tun. Vor allem wenn gezeigt wird, wie zwei junge Kerle in einem Jeep vor einer Herde wilder, rennender Pferde fährt und diese mit drei iPhones (eine ist an einem Stativ unterm Jeep geklemmt) filmt.
Ein anderes Beispiel ist die AR-Funktion des iPhone 12. Die beiden Pro-Versionen der neuen iPhone-Serie sind mit 3 Linsen ausgestattet. Das sorgt für eine bessere Bild-Qualität, nimmt die Farben auch bei schwachen Lichtverhältnissen besser auf und soll auch bei Augmented-Reality-Funktionen helfen. Von AR ist in der einstündigen Vorstellung immer wieder mal die Rede gewesen. Der Clip hat mich aber nicht überzeugen können, warum das mehr als ein nettes Gimmick sein soll. Ähnlich war auch mein Eindruck vom Lidar-Scanner, der die Tiefe der Bilder, Auto-Fokus und 3D-Fotografien verbessern soll. Auch Grundrisse soll dieser Scanner von Räumen und Wohnungen erstellen können. In sehr bestimmten Fällen natürlich nützlich.
Worüber nicht gesprochen wurde
Manchmal ist auch interessanter, worüber bei einer Vorstellung nicht gesprochen wird oder auch was ein bisschen unter den Tisch gekehrt wird. Das ist beim iPhone 12 interessanterweise der Akku gewesen. Es ist also aller Wahrscheinlichkeit nach davon auszugehen, dass die Batterie einfach die gleiche ist, die auch schon beim iPhone 11 verwendet wurde. Stattdessen wurde aber die höhere Energieeffizienz (und Leistungsfähigkeit) des neuen verbauten A14-Chips erwähnt.
Zudem gibt es im Zusammenhang mit der 5G-Technologie einen Smart-Data Mode, der auch Energie einsparen soll, wann immer 5G nicht beansprucht werden muss. Es klingt alles ein bisschen danach, dass Apple in Sachen Akku etwas kompensieren muss und dass der Akku sich nicht gerade durch sein Durchhaltevermögen auszeichnet.
Erstmals wird für die gesamte iPhone 12 Reihe ein OLED-Display verwendet, bisher war das nur für die Pro-Versionen der Fall. Der Hersteller des Displays ist noch nicht ganz geklärt, aber es ist wohl entweder Samsung oder BOE/LG, die auch schon für die Macbooks und iPads die Displays hergestellt haben. In der Unternehmensprache wird das Display Super Retina XDR genannt.
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Ich hoffe, dass ich mit meiner Bewertung des Apple Events und der Vorstellung des neuen iPhones nicht als Hater rüberkomme. Mit dem iPhone bekommt ihr ein absolutes High-End-Gerät, wie immer bei Apple. Es ist schneller und besser als jedes andere iPhone zuvor und als Gesamtpaket gehört es sicher zur Spitze der derzeitigen Geräte. Aber schneller und besser hat meines Erachtens heute nichts mehr mit den Bedürfnissen des Standard-Konsumenten zu tun – das war vor fünf oder sechs Jahren noch anders als Schnelligkeit, Praktik, Bildqualität usw. usw. noch der Nützlichkeit diente.
Der teuerste Preis für das iPhone Pro 12 in 6,7”-Ausfertigung beträgt 1099 US-Dollar. Gemessen an dem, was das iPhone kann und was man für die Bildqualität vor x-Dekaden gezahlt hätte, ist es ein guter Preis. Allerdings lässt sich das auch schon von den Vorgängern des iPhones sagen. Ich brauche das iPhone 12 nicht, aber es ist schon faszinierend, was es alles drauf hat.