Dass einige Stars in der Gamer-Szene mit YouTube gutes Geld verdienen, dürfte mittlerweile bekannt sein. Doch mittlerweile werden offenbar Summen aufgerufen, die nur noch von den ganz grossen Anbietern in der Branche bezahlt werden können – und das birgt ein gewisses Missbrauchspotential.
Den Stein ins Rollen brachte Ben Tester, seines Zeichens PR-Mitarbeiter von Wales Interactive. Das Studio veröffentlicht Spiele-Titel wie Soul Axiom, Master Reboot und Infinity Runner und kontaktiert wohl – wie viele andere Entwickler – regelmässig mehr oder weniger bekannte Let’s Player und bittet sie um eine Rezension eines bestimmten Games.
Nachdem der WI-Mitarbeiter wieder einmal eine Reihe von Youtubern angefragt hatte, ob er ihnen einen Titel zur Ansicht bzw. zum Testen zuschicken dürfte, erreichte ihn das s.E. völlig überzogene Angebot eines bisher nicht näher genannten, aber seiner Aussage nach „sehr populären“ YouTubers mit einigen Millionen Abonnenten. Dieser bot ihm an, das Spiel auf dem entsprechenden Kanal zu featuren – und verlangte für eine vergleichsweise überschaubare Gegenleistung eine Summe zwischen 17.600 und 22.000 US-Dollar.
Erst kürzlich wurde bekannt, dass der Schwede Felix Arvid Ulf Kjellberg – besser bekannt unter dem Namen PewDiePie – im zurückliegenden Jahr rund 6,8 Millionen mit seinem Youtube-Kanal verdient hat. Als erster Youtuber überhaupt knackte PewDiePie die Marke von 10 Milliarden Video-Aufrufen, das zeugt vom Interesse der Benutzer an Let’s Play Videos und Spiele-Rezensionen im Allgemeinen.
Während bei PewDiePie davon ausgegangen wird, dass ein grosser Teil der Einnahmen aus vorgeschalteten und eingeblendeten Werbeanzeigen und dem Merchandising von eigenen Fan-Artikeln stammt, gehen andere Youtube-Channels also offenbar längst einen anderen Weg. Sie lassen sich für das Spielen bzw. die damit einhergehende Rezension der Games eine Aufwandsentschädigung zahlen, deren Höhe massgeblich von der Zahl der Abonnenten des Kanals und der Häufigkeit der Erwähnung des Spiels abhängt. Rund um diese Szene hat sich mittlerweile ein Netzwerk aus Vermarktern und Vermittlern gebildet, die derartige Deals einfädeln. Es gibt aber offenbar auch direkte Kontakte zwischen den Spiele-Entwicklern und Channel-Betreibern.
So etabliert z.B. Nintendo momentan mit dem Nintendo Creators Program ein eigenes Vermarktungsnetzwerk, in dem die Aufzeichnung und Monetarisierung von Nintendo-Spielen via Let’s Play Videos nur noch ausgewählten YouTubern gestattet wird. Nintendo schwingt hier die Urheberrechts-Keule und verlangt nach den bisher vorliegenden Angaben sogar eine Beteiligung an den eventuell via Google Adsense erzielten Werbeumsätzen.
Problematisch wird die ganze Angelegenheit dann, wenn für den Zuschauer solche Deals nicht erkennbar sind – der Youtuber also nicht deutlich darauf hinweist, dass er gerade fürs Zocken, für das ein oder andere „Wow!“ oder für den Link unterhalb des Videos unmittelbar fürstlich entlohnt wird. Eine angemessene und deutlich gekennzeichnete Aufwandsentschädigung ist vermutlich für die meisten Zuschauer durchaus akzeptabel – immerhin investiert der YouTuber Zeit und sein „Fachwissen“ und erreicht mit seinem u.U. aufwendig aufgebauten Kanal genau die Menschen, die sich für das Spiel interessieren könnten. Bei derart hohen Summen wie der nun im Raum stehenden und einer u.U. nicht transparent ausgewiesenen Geschäftsbeziehung darf man aber durchaus in Frage stellen, ob es sich immer noch um eine „unabhängige“ Bewertung handelt.
Die Diskussionen in dieser Finanzierungs-Grauzone haben längst auch Deutschland erreicht. Bereits im Februar nahm Jan Böhmermann die deutschsprachige Youtuber-Szene und Vermarkter-Branche aufs Korn und kritisierte deren z.T. seltsames Verständnis von Schleichwerbung.
Doch während das Thema Online-Schleichwerbung hierzulande – gemessen an den Gesamtumsätzen mit Online-Werbung – immer noch in einer vergleichsweise kleinen Filterblase abgehandelt wird, ist man in den Vereinigten Staaten schon einen Schritt weiter. Dort ermittelt die Federal Trade Commission (FTC) mittlerweile in vielen Fällen, in denen bezahlte Videos, Artikel und Tests vom Verfasser bzw. Ersteller oder von der beauftragenden Agentur oder Firma nicht transparent gekennzeichnet wurden. Zudem gewinnt das Thema momentan an Brisanz, da sich langsam auch Facebook als Video-Plattform etabliert. Einerseits könnten verdeckt gesponserte Videos hier durchaus hohe Verdienstmöglichkeiten eröffnen, andererseits haben gerade die „Youtube-Stars“ durch das sogenannte „Freebooting“ momentan mit Einnahmeausfällen zu kämpfen.
Wales Interactive wies übrigens deutlich darauf hin, dass der bis dato unbekannte YouTuber zu keiner Zeit eine positive Rezension des Spiels versprochen habe und dass man auf den Deal nicht eingegangen sei. Die ersten hämischen Kommentare wiesen bereits darauf hin, dass es bei der Zusicherung eines wohlwollenden Urteils vermutlich noch teurer geworden wäre. Zudem meldeten sich mittlerweile einige Entwickler, die von ähnlichen Fällen berichteten. Andere stellten die Frage zur Diskussion, ob sich Let’s Play Videos überhaupt signifikant auf die Verkaufszahlen eines Spiels auswirken.
Quelle: reddit.com via derstandard.at / Bild: unter Verwendung von „Money Cash“, CC BY 3.0, Moritz Wickendorf