Kürzlich gab es Samsungs Entwicklerkonferenz mit einem Fokus auf IoT und künstlicher Intelligenz. Bixby spielt die Hauptrolle in Samsungs Strategie – und das Unternehmen weiß, dass es ein hartes Stück Arbeit wird, uns alle von Bixbys Qualitäten und Samsungs Vision zu überzeugen. Machen wir uns nichts vor: Wenn man auf einem Tech-Blog über Bixby spricht, müssen die Autoren damit rechnen, dass Leser sich schon mal zur kollektiven Empörung verabreden, die sich uns dann in entsprechenden Kommentaren offenbart. Dabei geht es dann vermutlich den meisten weniger um die technischen Möglichkeiten des Sprachassistenten, sondern mehr um das ganze Bixby-Szenario, welches Samsung bislang in der Tat mit nicht glücklicher Hand gestaltet hat.
Von Anfang an zeigte sich Samsung äußerst begeistert von den Fähigkeiten der Sprachassistenz. Kein Wunder, haben die Verantwortlichen doch seinerzeit bereits Apples Siri aus der Taufe gehoben und die KI seitdem kontinuierlich weiter verbessert. Beim Nutzer stieß Bixby direkt von Anfang an nicht auf das gleiche Maß an Liebe. Das hängt zum Beispiel damit zusammen, dass uns Samsung seit letztem Jahr auf seine Premium-Smartphones einen Hardware-Button gezaubert hat.
Der aktiviert Bixby, konnte aber von Haus aus nicht anders belegt werden. Das ist umso nerviger, als Bixby bis zum heutigen Tag noch kein Deutsch versteht. Samsung beruft sich zwar auf eine sechsstellige Zahl an Nutzern, die dennoch Bixby auf Englisch verwenden, aber die Zahl derer, die von diesem ziemlich sinnlosen Button genervt sind, dürfte deutlich höher sein.
Erfreulicherweise ändert sich das ja bald: In den nächsten Wochen wird Bixby dann auch der deutschen Sprache mächtig sein. Das ändert aber nichts daran, dass Samsung den Start des digitalen Assistenten gehörig in den Sand gesetzt hat — und „Start“ schließt in diesem Fall die kompletten letzten zwei Jahre ein.
Wie geht’s weiter? Wird aus Bixby eher Bigxby – oder doch eher Nixby?
Die Koreaner wissen natürlich selbst, dass sie die Bixby-Einführung ziemlich verkackt haben. Das ändert aber nichts daran, dass Samsung natürlich weiterhin daran glaubt, dass man mit seinem eigenen Assistenten technisch mit der versammelten Konkurrenz von Siri über Google Assistant bis Cortana und natürlich auch Amazons Alexa mindestens mithalten kann.
Kürzlich ging die Samsung Developers Conference in San Francisco über die Bühne und dort konnte ich mit eigenen Augen dabei sein, als das koreanische Unternehmen die Muskeln spielen ließ. Wir müssen nicht darüber diskutieren, dass Samsung breit aufgestellt ist und dementsprechend auch verschiedene Felder bei der Konferenz beackert hat. Bixby war aber allgegenwärtig und wir Anwesenden konnten uns an jeder Ecke der Veranstaltung davon überzeugen, wie ernst es Samsung mit dem eigenen Assistenten ist.
Nun gehört aber zu einem kommerziellen Erfolg ein bisschen mehr als nur der bloße Glaube daran, dass ein Produkt gut ist. Deswegen hatte man bei der Konferenz auch ein paar Neuerungen zu verkünden, die dafür sorgen sollen, dass Bixby ab 2019 richtig Fahrt aufnehmen kann. Samsung setzt auf vier Säulen
- Bixby Capsule
- Bixby Developer Studio
- Bixby Developer Center
- Bixby Marketplace
Das Developer Studio gibt Entwicklern mächtige Tools an die Hand und ermöglicht beispielsweise den Zugriff auf das Natural-Language-Modul. Ziel der Geschichte ist es, die Developer möglichst simpel und schnell Software programmieren zu lassen, die von uns Nutzern denkbar einfach genutzt werden kann. Das bedeutet konkret, dass ihr nicht wie bei anderen Assistenten auf ganz bestimmte Phrasen setzen müsst, sondern ganz natürlich mit der Software kommunizieren könnt.
Wollt ihr beispielsweise Kinokarten bestellen, soll es schon reichen, wenn ihr nachfragt, welche Filme in der Nähe laufen. Habt ihr ein Kino und einen gewünschten Film ermittelt, reicht dann schon eine Anweisung wie „Buch mir zwei Karten für die Abendvorstellung“ und der Prozess wird eingeleitet, ohne dass ihr noch ein weiteres Mal das Kino, die Stadt oder den Film erwähnen müsst. Machine Learning sorgt dafür, dass die Entwickler eine Handvoll Phrasen vorgeben und das System selbstständig dazu lernt und verwandte Phrasen somit erkennen kann.
Diese Dienste, die auf diese Weise entwickelt werden können, nennt Samsung „Capsules“ — sie sind also quasi das Gegenstück zu Amazons Skills für Alexa. Darüber hinaus führt Samsung im Bixby Marketplace alle verfügbaren Apps für die verschiedenen Devices, so dass ihr nicht — wie bislang — auf verschiedenen Plattformen nach der passenden Anwendung für euer Samsung-Device suchen müsst.
Und das reicht zur Weltherrschaft?
Gute Frage, Freunde. Samsung verkauft pro Jahr zwar einen Berg Smartphones, aber allein mit mobilen Telefonen wird Samsung in Sachen Sprachassistenz sicher nicht Marktführer. Wir dürfen aber nicht vergessen, was das Unternehmen für eine breite Basis an Produkten vorweisen kann — denkt allein an Fernseher und „weiße Ware“, also beispielsweise Kühlschränke, Backöfen und Waschmaschinen.
Samsung verkauft im Jahr aktuell über 500 Millionen Devices. Behaltet jetzt im Hinterkopf, dass das Unternehmen a) bis 2020 alle (!) Geräte Bixby-tauglich machen möchte und b) über 22 Milliarden US-Dollar in den nächsten Jahren in die KI-Forschung stecken wollen und ihr bekommt eine Idee davon, wieso die ganze Bixby-Nummer für Samsung trotz des vermurksten Starts aufgehen könnte.
Die offenen APIs spielen dabei ebenfalls eine Rolle, weil Bixby eben explizit nicht nur auf Samsungs Geräten zum Einsatz kommen soll. Ich mag immer noch nicht bewerten, wie groß die Chancen stehen, dass Samsung Konkurrenten wie Alexa oder den Google Assistant auf die hinteren Plätze verdrängen kann. Aber wenn man es möglichst neutral betrachtet, muss man dem Unternehmen zumindest zugestehen, dass sie sich mächtig ins Zeug legen, um die besten Voraussetzungen für ein funktionierendes Ökosystem rund um Bixby zu schaffen. Und ganz ehrlich: So schlecht aufgestellt ist Samsung wahrlich nicht, um auch künftig ein großer Player zu bleiben, der dann eben nicht nur auf Hardware setzt, sondern verstärkt Software und Services in den Vordergrund stellt.
Ich kenne die Abneigung und auch das Desinteresse vieler von euch, was Bixby angeht. Aber spätestens ab Dezember, wenn Bixby Deutsch spricht, sollten wir uns alle nochmal möglichst neutral mit dem Thema auseinandersetzen und es eventuell neu bewerten.