Das Saygus V2 könnte den Traum mancher Kunden von einem extrem leistungsstarken High-End-Smartphone mit großer Frickel-Freundlichkeit und einer Reihe von ungewöhnlichen Features wahr werden lassen. Das von einem kleinen Unternehmen aus dem US-Bundesstaat Utah entwickelte 5-Zoll-Smartphone wurde auf der CES 2015 nun erstmals gezeigt – Grund genug, uns einmal ausführlich damit auseinanderzusetzen und ein Hands-On-Video für euch anzufertigen.
Saygus? Sagt mir erstmal nichts. High-End-Smartphone mit einer fast unglaublichen Spec-Liste? Da wird man erstmal reichlich misstrauisch, denn schließlich gibt es derartige Versprechungen ja häufiger – zuletzt zum Beispiel von dem inzwischen sang- und klanglos von der Bildfläche verschwundenen “Unternehmen” Linshof, das statt harte Fakten zu liefern, lieber mit Klagedrohungen um sich warf, als erste Zweifel an der Authentizität seiner Pläne laut wurden. Bei Saygus ist dies auf den ersten Blick anders, denn die Amerikaner konnten auf der CES bereits lauffähige Prototypen präsentieren. Außerdem gehört ein langjähriger Motorola-Entwickler zum Team, der mit für die Entwicklung des Motorola RAZR verantwortlich war und nun offenbar seinen persönlichen Traum von einem Spitzen-Smartphone wahr machen will, ohne dabei durch die Interessen eines Weltkonzerns eingeschränkt zu sein.
Der ultimative Alleskönner?
Was soll das Saygus V2 nun können? Nunja, eigentlich könnte man sagen, fast alles! Das Gerät verfügt über ein 5 Zoll großes IPS-Display mit 1920×1080 Pixeln, das mit einer Pixeldichte von 445 PPI aufwartet. Das Panel besitzt eine Abdeckung aus Gorilla Glass 4 – so zumindest der Plan, wobei sich dies bei den Prototypen natürlich kaum nachprüfen lässt. Es gibt gleich zwei Lichtsensoren, einmal auf der Vorder- und einmal auf der Rückseite, die eine bessere Regelung der Helligkeit ermöglichen sollen. Außerdem soll das Panel einen Outdoor-Modus haben, bei dem wie bei einigen Nokia-Smartphones die Helligkeit vorübergehend hochgeschraubt wird, um die Lesbarkeit im Freien zu erhöhen.
Ein entscheidendes Detail lässt das Spec-Sheet jedoch vermissen – die genau Angabe der Leuchtkraft. Zum Lieferumfang gehört grundsätzlich auch ein zusätzliches Display-Cover aus kratzfestem Glas, das die Wucht von Schlägen abfangen und so das Brechen des eigentlichen Display verhindern soll. Rund um das Display ist der Rand des Gehäuses leicht erhöht ausgeführt, so dass das Telefon nicht zerkratzt, wenn es flach auf der Vorderseite auf den Tisch gelegt wird. Bei den Prototypen können zumindest die Grund-Spezifikationen nachvollzogen werden – die Auflösung stimmt und die Helligkeitssensoren sind auch tatsächlich vorn und hinten vorhanden und funktionstüchtig.
Kameras: 13 Megapixel vorn, 21 Megapixel hinten – beide mit optischem Bildstabilisator
Ein weiteres Highlight des Saygus V2 sollen die beiden Kameras sein, von denen zumindest die Hintere von Sharp geliefert wird. Sie verfügt über einen 21-Megapixel-Sensor und einen optischen Bildstabilisator. Vorn sitzt ebenfalls eine recht hochauflösende Kamera, denn hier soll der Sensor eine Auflösung von immerhin 13 Megapixeln bieten – ebenfalls inklusive optischem Bildstabilisator! Außerdem gibt es zumindest hinten einen Dual-LED-Blitz und am Gehäuse sitzt ein in Hardware ausgeführter Auslöseknopf. Dieser funktioniert bei den Prototypen ebenso noch nicht zuverlässig wie der Wechsel auf die Frontkamera, was ein weiteres Zeichen für die unfertige Software des Saygus V2 ist. Offen blieb zunächst, welche Videomodi hier unterstützt werden, also ob zum Beispiel 4K-Videos möglich sind.
Damit bei der Video-Aufzeichnung ein ordentlicher Sound gewährleistet wird, verspricht Saygus die Integration von drei Mikrofonen, die mit einer Cypher Sound genannten Noise-Cancelling-Technik arbeiten sollen – nur finden sich dazu im Internet keinerlei Angaben, zumindest nicht von einer Drittquelle, die wüsste, was Cypher Sound sein soll. Die Mikrofone stammen angeblich wie die beiden Stereo-Lautsprecher auf der Front von Harman Kardon.
Außerdem will Saygus sein günstiges Flaggschiff-Smartphone mit einem Fingerabdruckleser an der Seite ausrüsten, der auf den ersten Blick wohl dem entspricht, was man von den Samsung Galaxy-Geräten kennt. Durch die seitliche Positionierung soll der Sensor leichter erreichbar sein und dadurch effektiver arbeiten, weil man einfach mit dem Daumen seitlich über das Gehäuse streichen kann. Bei den Prototypen von der CES ist er zwar zu sehen, kann aber mangels entsprechender Software noch nicht genutzt werden.
Eine weitere Besonderheit ist die Integration eines WirelessHD-Senders an der Seite des Telefons – dabei handelt es sich um einen im 60-GHz-Spektrum arbeitenden Standard für die drahtlose Übertragung von Bildschirminhalten auf externe Displays, der mittels eines Chips von Silicon Image realisiert wird. Auf der CES wurde zunächst eine Demo mit einem Entwickler-Board gezeigt, nicht aber die Funktionsweise im Smartphone selbst. Nach anfänglichen Zweifeln unsererseits konnte man damit zumindest in Sachen WirelessHD-Übertragung für etwas Klarheit sorgen, auch wenn die Prototypen selbst bisher nur die entsprechende Hardware bieten, diese aber nicht nutzen können. Wie bei vielen anderen aktuellen Smartphones hat auch das Saygus V2 einen IR-Blaster an Bord, um damit Fernseher und andere Unterhaltungselektronik per App fernzubedienen.
Zwei Speicher-Slots ermöglichen bis zu 320 GB
Die Liste der “unglaublichen” Spezifikationen ist damit aber noch lange nicht beendet. Bevor ich zu dem Punkt komme, mit dem der Hersteller hier vor allem für Aufmerksamkeit sorgen wollte, sollten wir aber die grundlegenden Hardware-Specs klären. Unter der Haube sitzt der Qualcomm Snapdragon 801 MSM8974AC Quadcore-SoC mit seinen vier 2,5 Gigahertz schnellen Kernen, der hier mit drei Gigabyte Arbeitsspeicher und 64 GB internem Flash-Speicher kombiniert wird. Gigabit-WLAN, Bluetooth 4.0, NFC und LTE-A-Support sind ebenfalls enthalten. Auf der CES sorgte aber vor allem ein Detail für Aufsehen: es gibt gleich zwei MicroSD-Kartenslots! Diese können laut dem Hersteller jeweils mit einer 128-GB-Speicherkarte bestückt werden, so dass letztlich theoretisch bis zu 320 GB Speicherplatz realisiert werden können, wenn man die 64 GB internen Speicher und die beiden insgesamt 256 GB fassenden MicroSD-Karten zusammenrechnet.
Der Akku des Saygus V2 besitzt eine Kapazität von 3100mAh und bewegt sich damit auf dem aktuell bei vielen anderen Top-Smartphones üblichen Niveau. Er kann künftig angeblich per Qi-Wireless-Charging mit Energie versorgt werden, wobei die Prototypen zwar die entsprechenden Anschlüsse aufwiesen, aber in den Covern noch keine entsprechenden Spulen zu sehen waren. Mittels eines “Power-Saving-Chips” soll außerdem die Akkulaufzeit deutlich verlängert werden können, wobei Saygus auch hier noch keine konkreten Angaben zur möglichen Laufzeit machte. Weil die Rückseite des V2 entfernt werden kann, hat der Kunde freien Zugriff auf den einzelnen SIM-Kartenslot und die beiden Speicher-Slots sowie den austauschbaren Akku.
Das Gehäuse selbst besteht aus einem Aluminium-Rahmen, der vorn und hinten jeweils von Kevlar umgeben sein soll. Auch die in diversen Farben erhältlichen Cover sind aus dem Material gefertigt, behauptet zumindest der Hersteller. Das Saygus V2 ist 9,7 Millimeter dick und zeigt, dass all die Wunder-Hardware eben auch ihren Platz benötigt. Es bringt 141 Gramm auf die Waage und bewegt sich damit auf dem in diesem Größensegment üblichen Niveau. Das Design ist etwas eigenwillig, hebt sich aber irgendwie doch ganz angenehm von der Konkurrenz ab. Die Tasten am Gehäuse sind allesamt in Aluminium ausgeführt und wirken insgesamt recht hochwertig.
Auch bei der Software will man Maßstäbe setzen
Das Team von Saygus hofft, auch in Sachen Software Dinge zu ermöglichen, die man so bisher zumindest von den großen Herstellern noch nicht gesehen hat. Vorläufig läuft zwar weiterhin Android 4.4.4 “KitKat” (bei den Prototypen war es Android 4.4.2), doch das Betriebssystem wird optisch kaum verändert. Die eigentliche kleine Sensation soll aber sein, das man das Gerät ab Werk extrem Entwickler-freundlich machen will, indem man grundsätzlich die Möglichkeit bietet, sich Root-Zugriff zu verschaffen. Außerdem soll sogar ein Multi-Boot-Feature vorhanden sein, das den Start von mehreren Betriebssystemen von MicroSD-Karte erlauben soll.
Zu gut, um wahr zu sein?
Tja. Was ist nun von diesem wahnwitzigen Projekt zu halten? Man weiß es nicht so recht. Einerseits will man den Amerikanern aufgrund ihrer Prototypen gerne glauben, dass sie da den neuesten Stern am Smartphone-Himmel in der Pipeline haben, denn sie versprechen auch, die große Konkurrenz preislich um rund 100 Dollar zu unterbieten. Konkret soll dies heißen, dass wohl um die 400 Dollar ohne Vertrag für das Saygus V2 fällig werden, sobald das Gerät angeblich im März in den Markt startet und weltweit über den hauseigenen Online-Shop vertrieben wird. Andererseits gibt es aber diverse Hürden zu überwinden. So wirkt die Software noch unfertig und die von dem Unternehmen selbst extrem hoch angelegte Messlatte mit all den großartigen Spezifikationen muss erst einmal erreicht werden.
Selbst wenn das Telefon wirklich funktioniert und all die Features bietet, bleiben logistische und Marketing-Hürden. Wie die Homepage, der Messestand und die Kommunikation von Saygus bisher zeigen, haben die Amerikaner nun nicht unbedingt die größten Marketing-Experten an Bord. Außerdem muss die von einem chinesischen Vertragsfertiger übernommene Produktion in größeren Stückzahlen gesichert werden, ohne dass dabei die Qualität leidet. Hinzu kommt auch, dass das Interesse der potenziellen Kunden sicherlich absolut enorm sein wird, womit wir dann wieder beim Problem der ausreichenden Verfügbarkeit ankommen. Garantieleistungen müssen ebenfalls gesichert werden, denn sonst wird die Wut frustrierter Kunden dem kleinen Unternehmen Saygus schnell das Genick brechen.
Viel Glück!
Insgesamt bin ich aber sehr froh, dass eine kleine Firma aus den USA zumindest versucht, sich mit einem Traum-Smartphone zum vergleichsweise günstigen Preis am Markt zu etablieren. Allein schon die Idee, das Gerät direkt in den USA anzubieten, ohne dass Kunden mit Importeuren und ähnlichem zu kämpfen haben, bietet sicherlich einiges Potenzial. Andererseits ist der Markt natürlich bereits auf breiter Front besetzt, doch jedem neuen Anbieter, der auch nur annähernd in der Lage ist, mit frischen Ideen in den Markt zu starten, kann ich nur eines von ganzem Herzen wünschen – Viel Glück!