Beginnen wir bei den Basics: Mittels einer IP-Adresse können Geräte – also Server, aber auch Endnutzer – im Internet adressiert werden. Bei diesen Adressen handelt es sich um eine grundlegende Technik, die den Betrieb von Netzwerken überhaupt erst ermöglicht. IPv4 bedeutet, dass die Adressen aus vier Dreierblöcken zusammengesetzt werden. Der Adressraum beträgt damit 2 hoch 32 Adressen, in Summe also etwa 4,3 Milliarden Adressen. Lange gingen selbst Experten davon aus, dass der Adressraum ausreichen würde – doch es kam anders. Viele Nutzer besitzen mehr als ein Gerät, das auf das Internet zugreift.
Eine Lösung dafür gibt es schon lange, sie hört auf den Namen IPv6. Hier werden 128 Bit (statt 32) Adressraum genutzt, damit liegt die maximale Anzahl bei 2 hoch 128 Adressen. Ausgeschrieben entspricht das einer Zahl von 340.282.366.920.938.463.463.374.607.431.768.211.456 möglichen IP-Adressen. So ungern ich auch Vorhersagen abgebe: Dieser Adressraum dürfte einige Zeit ausreichen. Aktuelle Betriebssysteme und ein Großteil der verfügbaren Hardware unterstützen den neuen Standard bereits, bisher zeigen sich aber vor allem die Anbieter äußerst träge, was die Umstellung betrifft.
Der letzte IPv4-Block
Im Laufe der Woche wurden jetzt aber die letzten verfügbaren IP-Adressen im IPv4-Adressraum vergeben. Immerhin hielt der letzte große Block nun für anderthalb Jahre. Bereits 2011 hat die globale IP-Adressverwaltung IANA die letzten Blöcke an regionale Einheiten übergeben, 2012 hatte RIPE die providerunabhängige Verteilung dann völlig eingestellt.
Die Warteliste ist eröffnet
Wer nun noch Adressen benötigt, muss warten und sich in eine Warteliste eintragen. RIPE verteilt anhand dieser die zurückgegebenen Adressen – ein Schritt, den sich Provider mehr denn je gut überlegen werden. Diese Rückgaben entstehen vor allem durch Insolvenzen. Konzerne die ihren Geschäftsbetrieb aufrechterhalten, streben aktuell eher den Verkauf von ungenutzten Adressräumen an.
Abseits von Europa sieht die Situation oft noch schlechter aus, vor allem im Asia-Pacific Network Information Centre ist die Lage angespannt. Dort wurde die bereits existierende Liste sogar kürzlich gelöscht. Warum? Weil es kaum Erfolgsaussichten auf die Zuteilung einer neuen Adresse gibt.
Besser sieht es in Afrika aus, hier gibt es noch 2,7 Millionen verfügbare IPv4-Adressen. Bei der Lancia, zuständig für Latein-Amerika und die Karibik, gibt es immerhin noch 1,5 Millionen Adressen.
Die Zukunft des Internets
RIPE ruft nun dazu auf, möglichst schnell und flächendeckend auf IPv6 umzustellen. Ansonsten sieht der Anbieter das Wachstum des Internets als gefährdet an – zu Recht!
Dieses Ereignis ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zur globalen Erschöpfung des verbleibenden IPv4-Adressraums. In den letzten Jahren haben wir die Entstehung eines IPv4-Transfermarktes und den verstärkten Einsatz von Carrier Grade Network Address Translation (CGNAT) in unserer Region erlebt. Es gibt Kosten und Kompromisse bei beiden Ansätzen und keiner von beiden löst das zugrundeliegende Problem, dass es nicht genügend IPv4-Adressen für alle gibt.
Ohne eine umfassende IPv6-Implementierung laufen wir Gefahr, in eine Zukunft zu starten, in der das Wachstum unseres Internets unnötig begrenzt ist – nicht durch den Mangel an qualifizierten Netzwerkingenieuren, technischen Geräten oder Investitionen, sondern durch einen Mangel an eindeutigen Netzwerkidentifikatoren. Es ist noch ein langer Weg und wir fordern alle Beteiligten auf, ihre Rolle bei der Unterstützung des IPv6-Rollouts zu spielen.