Die neuen Erkenntnisse von Wissenschaftlern der University of California Santa Cruz beruhen auf einer vorausgehenden Studie (deutsche Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse) von 2017. Diese stellt fest, dass das chronische verzögerte Schlafphasensyndrom mit der Mutation des Gens CRY1 zusammenhängt. Der bisherige Erkenntnisstand konnte aufzeigen, dass das mutierte Gen zu einem „hemmenden Transkriptionsfaktor“ führt, der die Bindung der „zirkadianen Proteine CLOCKund BMAL1 beeinflusst. Jetzt konnte erstmals der Mechanismus hinter dem „hemmenden Transkriptionsfaktor“ genauer beschrieben werden.
Die Mutation von CRY1 führt dazu, dass ein Protein namens Cryptochrom anders reproduziert wird als im Normalfall. Es ist eines der wichtigsten zirkadianen Proteine, die unseren Tagesablauf (Stimmung, Konzentration, Befinden und Müdigkeit) beeinflussen. Die Proteine bilden dabei einen Kreislauf, der im Normalfall ziemlich genau 24 Stunden andauert.
Kurz gefasst läuft dieser Kreislauf folgendermaßen ab. Die Proteine CLOCK und BMAL1 stehen am Anfang des Kreislaufs, ihr Vorkommen setzt bestimmte biochemische Prozesse in Gang, die unseren Körper steuern. Gegen Ende dieses ersten Kreislaufs setzen sie auch vermehrt die Proteine Period und Cryptochrom frei, die ihrerseits Körperprozesse auslösen. Sie haben auch die Wirkung die Ausschüttung der ersten beiden Proteine zu unterdrücken, wodurch auch ihre eigene Ausschüttung zunehmend unterbunden wird. Der Kreislauf beginnt von vorne, wenn Clock und BMAL1 wieder ungehemmt ausgeschüttet werden.
Genau in diesen Kreislauf greift die Mutation ein. Sie bewirkt, dass ein Arm des Cryptochrom-Proteins kürzer als normal ausfällt. Dies führt dazu, dass sich Cryptochrom enger an den CLOCK-BMAL1-Komplex anbindet als es eigentlich sollte. Normalerweise bindet sich der verlängerte Arm von Cryptochrom an einen Sockel von BMAL1 und verhindert so die engere Anbindung des restlichen Proteins. Der Zyklus verlängert sich damit um einige Stunden und bereitet bei betroffenen Personen Einschlafprobleme.
Durch diese Erkenntnis kann erstmals die Entwicklung eines Medikaments in die Wege geleitet werden. Eine Therapie müsste einen Stoff enthalten, der sich an den Sockel bindet und damit die engere Anbindung von Cryptochrom an CLOCK-BMAL1 verhindert und gleichzeitig kaum oder bestenfalls gar keine Nebenwirkungen hat.
Die Mutation kommt in den USA bei 1 von 75 Personen mit europäischer Abstammung vor – das ist viel häufiger als bei anderen ethnischen Gruppen. Das chronische verzögerte Schlafphasensyndrom kommt dagegen bei 7 – 13 Menschen der Gesamtbevölkerung in den USA vor. Die Mutation dürfte also für einen Großteil der Fälle von chronischer Schlafphasenverzögerung verantwortlich sein.