Die Wahl von Donald Trump zum nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten hat eine mittelgroße Schockwelle durchs Silicon Valley gejagt. Offenbar hatte kaum jemand in der selbstverliebten Tech-Industrie auf dem Schirm, dass all die Mars-Missionen, selbstfahrenden Autos oder arbeitsplatzvernichtenden Roboter und Algorithmen bei vielen Menschen eher für Angst um die eigene Zukunft statt für Faszination sorgen.
Viele Experten sehen in dem unerwarteten Sieg des polternden Multi-Milliardärs/Millionärs auch einen nunmehr ins “Tal der Tränen” gezeigten Stinkefinger der Menschen. Google, Facebook, Apple, Amazon oder Microsoft gehören zu den zehn wertvollsten Unternehmen der USA, doch das angehäufte – und in vielen Fällen nicht einmal versteuerte – Vermögen kommt nur einer kleinen Elite von hochbezahlten Angestellten zu gute. Einen regelrechten Beschäftigungs-Boom verzeichneten allenfalls die Philippinen, die sich längst als virtuelle Müllabfuhr für die schöne neue Online-Welt etabliert haben.

Mehr noch: mit Facebook und Twitter haben sich zwei offenbar völlig überforderte Plattformen als digitale Steigbügelhalter im wohl schäbigsten Wahlkampf der letzten xx Jahre betätigt. Die Sozialen Netzwerke wurden ohne signifikante Gegenwehr von den Nachrichten sogenannter Social Bots geflutet, die jede vernünftige politische Diskussion nahezu unmöglich machten. Verstärkend hinzu kam, dass die der Flut an Nachrichten nicht gewachsenen Algorithmen mitunter extrem ausgeprägte Filterblasen und selbsterfüllende Prophezeiungen erschufen.
Nun, in den Tagen nach der Wahl, folgen die nächsten Überraschungen. Vermeintlich dösige Internetnutzer, die nach allgemein vorherrschender Auffassung den staatlichen Überwachungsapparat schulterzuckend hinnehmen und Edward Snowdens Enthüllungen längst verdrängt haben, lassen die Nutzerzahlen alternativer Verschlüsselungsdienste und Messenger in die Höhe schnellen.
— Edward Snowden (@Snowden) November 9, 2016
„When Edward Snowden first revealed himself as the NSA whistleblower in June 2013, he warned our greatest fears were only a single election away.“
Anbieter, die z.B. eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von Messenger-Nachrichten und E-Mails bereitstellen berichten von enorm steigenden Nutzerzahlen. Beim in der Schweiz ansässigen Mail-Anbieter ProtonMail sollen sich die Neuanmeldungen seit dem Wahlsieg Trumps verdoppelt haben. Andy Yen, Mitgründer von ProtonMail heizt die Sorgen der Benutzer selbstverständlich an und veröffentlichte einen Beitrag, der deutlich auf die drohenden Gefahren für die Privatsphäre durch eine von Trump kontrollierte NSA hinwies.
Auch beim spätestens seit der Empfehlung durch Edward Snowden recht populären Messenger Signal qualmt der Server. Die Zahl der Neuanmeldungen nehme seit der Wahl erheblich zu und es gebe bisher keinerlei Anzeichen, dass dies in absehbarer Zeit wieder aufhöre, teilte der unter dem Pseudonym Moxie Marlinspike auftretende Erfinder des Open Whisper Systems dem Magazin Motherboard mit.
Nicht nur besonders skeptische Zeitgenossen vermuten, dass Trump in den ersten Wochen seiner Amtszeit die Befugnisse der Geheimdienste und Ermittlungsbehörden stark erweitern wird. Die vom republikanischen Kandidaten während des Wahlkampfs abgegebenen Versprechen zu “Law & Order” sind ohne weitere Zugeständnisse an NSA, CIA, FBI, Homeland Security udw. Eigentlich gar nicht einzuhalten.
If you suffer from low blood pressure, here's the Feinstein-Burr key escrow bill: https://t.co/BdeH1UC46u
— matt blaze (@mattblaze) April 8, 2016
Zudem gibt es bei den Republikanern bereits seit geraumer Zeit konkrete Pläne zur staatlichen Umgehung jedweder Verschlüsselung. Bereits im April berichteten wir über einen Gesetzesentwurf des Senators Richard Burr, der bisher im demokratisch geführten Weißen Haus auf wenig Zustimmung traf, obwohl auch Barack Obama & Co. einer groß angelegten Überwachung der Kommunikation nie wirklich ablehnend gegenüber standen. Bei der freundlich gesinnten Britischen Regierung stehen vergleichbare Pläne mittlerweile kurz vor der Gesetzwerdung.
Die momentan steigenden Anmeldungen bei ProtonMail, Signal und anderen Diensten zeigen auch, dass viele Benutzer dem vermeintlich progressiven Silicon Valley wenig Vertrauen beim Schutz ihrer Daten entgegenbringen. Zwar hatte die Facebook-Tochter WhatsApp erst vor gar nicht allzu langer Zeit ebenfalls eine E2EE Verschlüsselung implementiert, doch mit der kurz danach bekanntgegebenen Datenweitergabe an Facebook neue Bedenken über den tatsächlich gewollten Schutz der Privatsphäre aufkommen lassen.
Microsoft wiederum hat schon vor einigen Monaten die Flucht nach vorne angetreten. Die Redmonder betreiben mittlerweile mehrere ausländische Datencenter unter der Kontrolle von Treuhändern, darunter befinden sich auch zwei Standorte in Deutschland. Weitere Rechenzentren, die sich an europäische Datenschutzregelungen halten müssen und sich dem Zugriff durch US-amerikanische Dienste entziehen, sollen folgen.
Apple wiederum hatte nicht zuletzt durch einen aufsehenerregenden Prozess gegen das FBI seine Ambitionen als Anbieter eines ultimativ sicheren Betriebssystems unterstrichen. Allerdings musste man in Cupertino mit ansehen, wie sich die Ermittlungsbehörde mit einer bisher nicht vollständig aufgeklärten Methode dennoch den erwünschten Zugriff auf ein vermeintlich sicheres iPhone verschafften. Zugleich sitzt man auf der weltweit größten Datenbank von Kreditkartendaten, was ebenfalls Begehrlichkeiten von Ermittlungsbehörden wecken könnte.
Bei Google umschifft man seit Jahren mehr oder weniger erfolgreich die Kritik an mangelnden Sicherheitsstandards bei Android oder an der potentiell löchrigen Sicherheit von GMail zu gunsten der Werbevermarktung im Postfach des Benutzers. Amazon wiederum kann aus dem Kaufverhalten und extrem genauen geographischen und demographischen Analysen einzelne Individuen, ganze Bevölkerungsgruppen oder Regionen in verschiedene Interessen einordnen.
An Appellen zu mehr Datenschutz an die Big Player mangelt es nicht. Fakt ist: wer sich in den kommenden Monaten etwaigen Bestrebungen nach noch mehr Überwachung vehement und glaubwürdig entgegenstellt, könnte sich einen enormen Vertrauensbonus bei den Benutzern erarbeiten. Ansonsten könnten die kommenden Jahre für einige Unternehmen eine harte Zeit werden – so gleichgültig und uninformiert wie oft vermutet scheinen nicht alle Benutzer zu sein.