Ihr werdet es im Laufe des Tages mitbekommen haben, dass Twitter nun gegen Anhänger der QAnon-Verschwörungstheorie vorgeht. Etwa 7.000 Accounts hat Twitter nach eigenen Angaben in den letzten Wochen dauerhaft platt gemacht, die dieser Klientel zugeschrieben werden. Weitere 150.000 Konten werden eingeschränkt.
Absolut richtiger und wichtiger Schritt von Twitter — und ein lange überfälliger noch dazu. Ich hab echt nichts dagegen, wenn mir jemand eine der üblichen Verschwörungstheorien unter die Nase reibt — ist mir egal, ob Du denkst, dass Paul McCartney tot ist oder die Amerikaner nie wirklich auf dem Mond waren. Die QAnon-Nummer ist aber was komplett anderes, was wir nicht erst seit Hildmann und Naidoo wissen. Wenn Bill Gates und Hillary Clinton ein eigener Pädophilen-Ring angedichtet wird, der diese Kinder weltweit zu Tausenden gefangen hält und übelst missbraucht, dann geht es eben doch deutlich zu weit. Kinderblut spielt in dieser Verschwörungstheorie eine entscheidende Rolle, der Deep State und irgendwie auch Donald Trump, der quasi sowas wie der weiße Ritter der Story ist und als einziger Mensch diesen Planeten noch retten kann.
Das ist eben nicht nur unsinniges Geschwurbel, sondern tatsächlich auch wirklich gefährlich. Spätestens dann, wenn sich Amokläufer (wie geschehen z.B. in El Paso, Christchurch oder auch Hanau) auf Verschwörungstheorien wie QAnon oder den „großen Austausch“ berufen. Die Verbreitung dieser Theorien kann schlimmstenfalls also Menschenleben kosten. Gut also, dass Twitter hier nun entschieden eingegriffen hat, findet auch Sascha Pallenberg:
Meine Hassliebe zu Twitter und warum es fuer mich das mit Abstand angenehmste und verantwortungsbewusstete soziale Netzwerk ist. Nicht nur in der #Coronakrise
Wie seht ihr das? pic.twitter.com/DnkSVmaL0N
— Sascha (潘賞世) Pallenberg (@sascha_p) July 22, 2020
Speziell QAnon-Thesen sind auch immer mal wieder von US-Politikern aus dem Republikaner-Lager geteilt worden — inklusive Donald Trump höchstpersönlich. Dass sich Twitter in den letzten Wochen nicht nur Trump selbst vorgeknöpft hat, sondern jetzt eben auch so entschlossen gegen diese QAnon-Schwurbler eingegriffen hat, dürfte als Beweis dafür gelten, dass die Kurznachrichten-Plattform jetzt entschieden gegen Falschaussagen und Hetzer vorgehen will.
Man hat viel zu lange viel zu viel durchgehen lassen und das muss sich Twitter auch definitiv vorwerfen lassen. Aber vielleicht bekommt Twitter tatsächlich noch die Kurve, quasi in letzter Sekunde, bevor der Hass alles andere überdeckt. Twitter ist deutlich kleiner als Facebook, was die Aufgabe einfacher macht. Dennoch ist es jetzt wichtig, dass man seinen Biss nicht verliert. Trump muss auch weiterhin in die Schranken gewiesen werden, wenn er Unwahrheiten verbreitet und der QAnon-Sumpf ist auch ganz sicher noch nicht trockengelegt.
Wir dürfen wohl davon ausgehen, dass jetzt die „Zensur“-Rufe wieder laut werden, aber darauf darf Twitter keine Rücksicht nehmen. Lügen und Fake-News sind nicht durch Meinungsfreiheit gedeckelt und müssen nicht akzeptiert werden — eine Lektion, die Mark Zuckerberg und Facebook zum Beispiel erst noch lernen müssen. Wer Lügen und Hass verbreitet und zu Gewalt aufruft, darf sich nicht beschweren, wenn ihm keine Bühne mehr geboten wird.
Im Gegenteil: Es muss wieder normal werden, dass bestimmte Regeln eingehalten werden, dass Empathie, Anstand und Konstruktivität dominieren und nicht Egoismus, Populismus und Hass. Während Twitter jetzt den Kurs halten muss, gibt es mit YouTube und Facebook noch zwei Riesen, die erst mal auf Kurs gebracht werden müssen. Vielleicht schaut man sich ja dort mal an, was die Kollegen von Twitter da gerade besser machen.