Letzten Endes stecken vor allem Frauen hier in einer Zwickmühle. Sofern der Beziehungsstatus – hauptsächlich im Sinne von „vergeben“ – öffentlich deklariert wird, könnten Zuschauer ausbleiben. Auf der anderen Seite gibt es mitunter Vorwürfe, dass dies eben nicht öffentlich bekannt gegeben wird – und damit falsche Hoffnungen erzeugt werden. Das zeigt wieder der Fall von Amouranth. Ein YouTuber wirft ihr vor, absichtlich mit den Fantasien der Zuschauer zu spielen. Aus diesem Vorwurf entstand auch einiges an Medienberichten.
Reich durch Twitch? Streamer dokumentiert sein Scheitern
Während Amouranths Situation wie ein bizarrer Einzelfall erscheinen mag, sagen viele Frauen auf Twitch, dass sie sich mit komplizierten Erwartungen ihrer Zuseher konfrontiert fühlen. Mancher Zuschauer erwartet von Frauen eine romantische Verfügbarkeit oder verlangt, dass sie ihren Beziehungsstatus kennen, bevor sie in sie investieren – das betrifft sowohl Zeit als auch Geld. Streamer wiederum müssen schwierige Entscheidungen darüber treffen, wie sie sich ihrem Publikum präsentieren und wie viel sie teilen wollen, denn sowohl das Verbergen als auch das Aufdecken des Beziehungsstatus kann Konsequenzen nach sich ziehen.
Die Cosplayerin Amouranth weist die gegen sie erhobenen Vorwürfe klar zurück: „Die Leute spenden nicht deshalb an mich, weil sie denken, dass es ihre Chancen bei mir auf eine romantische Weise verbessert, genauso wenig wie sie an große männliche Streamer spenden, weil sie von einer romantischen Verbindung mit Soda, Lirik oder Ninja träumen“.
Nachdem die ersten Vorwürfe gegen sie laut wurden, kam es – neben unzähligen Diffamierungen – zu diversen Belästigungen. So soll auch in ihr Haus eingedrungen worden sein. Fans werden zu Stalkern – und letztlich zu Straftätern.
Uber-Kundengespräche auf Twitch
Ein neues Phänomen, das dieses abartige Internet mit sich bringt? YouTube, Twitch, Facebook und alle sozialen Medien waren sowieso schon immer eine Ausgeburt der Hölle? Nein! Dieses Phänomen gibt es – leider – deutlich länger als das Internet und liegt offenbar in der menschlichen Psyche begraben. Fans neigen oft dazu, über das klassische Bewundern hinauszugehen. Sie interessieren sich für weit mehr als das Schaffen der öffentlichen Person und versuchen, wie auch immer, Einblicke in das Privatleben zu erhalten. Auf diese Weise finanziert sich eine ganze Industrie – von Paparazzi bis hin zur Klatschpresse. Ein Phänomen, das nichts mit dem Internet zu tun hat.
Das Problem seid ihr – liebe Männer,.. oder doch nicht?
Und was ist im konkreten Fall eigentlich das Problem? Sehr generalisiert: Die Männer. „The Internet is for Porn“ stimmt nicht – oder nur begrenzt. Es gibt eben auch noch mehr Angebote. Was Amouranth hintergründig anspricht, mag stimmen. Selten gibt es Interesse daran, ob männliche Streamer denn nun vergeben sind oder nicht. Zugegeben versuchen viele weibliche Streamer ihre körperlichen Vorzüge auch gewinnbringend einzusetzen – etwas, das ich ebenso verurteile wie die Reduktion auf körperliche Reize. Insofern sucht den Streamer eurer Wahl anhand des Inhalts, den er bietet. Damit meine ich, was gesagt und was In-Game gezeigt wird. Optische Erscheinung hin oder her – das sollte nicht das Kernelement sein.
Und an dieser Stelle muss ich sagen: Ich sehe lieber Videos von Damen. Bin ich jetzt auch so ein Macho? Nein! Denn viel mehr liegt es an der Stimme. Ich höre nämlich auch Podcasts mit weiblichen Sprechern lieber. Insofern hilft im Zweifel eine kleine Überprüfung der eigenen Realität. Warum schaltet ihr bei Streamerin XYZ am liebsten ein? Liegt es daran, dass sie das neueste Game am interessantesten präsentiert oder liegt es daran, wie viele Einblicke ihr Ausschnitt liefert? Sofern es letzteres ist – besser abschalten.
Und auf der anderen Seite – um die Moralkeule wieder wegzustecken: Ist das besonders schlimm? Auch nicht. Letzten Endes lässt sich ein Fakt nicht wegdiskutieren: Sex sells – und das wird es auch weiterhin. Ein Fakt, den einige Menschen im Eigenmarketing sicher auch wissentlich ausnutzen…
Via TheVerge