Wir berichten häufig über sogenannte Smart Cities – und die damit verbundenen Möglichkeiten und Herausforderungen. Drohnen, die uns in Zukunft in Krisen helfen sollen, befinden sich auf der positiven Seite, Datenschutz und Überwachung auf der eher negativen Seite. So oder so geht es viel um Technik, wo Firmen wie ARM in Zukunft große Umsätze erwarten. Doch sehen wir einmal von der ganzen Technik ab und begeben uns in den Bereich von Flora und Fauna. Erholungsgebiete und Grünflächen sind wichtig und auch in smarten Städten mehr als notwendig. Aktuelle Parks glänzen meist durch große Grasflächen und Spielanlagen – die Primärnutzung liegt klar bei der Erholung. Doch wie wäre es, wenn die Grünflächen sogar noch wirtschaftlich genutzt werden könnten?
Hier setzt grundlegend die Idee von Urban Gardening an: Kleine Gärten, die oft gemeinsam bewirtschaftet werden. Damit würden viele Probleme gelöst werden. So entfallen lange Transportwege für Obst und Gemüse, der biologische Anbau wäre gesichert und die Kunden setzen auf regionale Produkte. Viele Städte bieten solche Projekte an, über den Status einer Spielerei hinaus haben es diese Initiativen aber nicht geschafft.
Doch es geht auch anders, das beweist das Städtchen Andernach in Rheinland-Pfalz. „Uns geht es um eine grüne, lebenswerte Stadt, die den Menschen dient und Begegnungsräume schafft“, sagt Pressesprecher Christoph Maurer. Wo bisher Grünstreifen mit Bäumen und Hecken gediehen, gibt es heute Obst und Gemüse. Zusätzlich existieren sogar Bereiche für Tiere – wie ein Hühnerstall und eine Weide für Schafe. Während das Obst und Gemüse zum Verzehr gedacht ist, übernehmen die Tiere größtenteils die Pflege und das Düngen der Grünflächen. Statt der klassischen Saisonblumen pflanzen die städtischen Gärtner neuerdings eben Nutzpflanzen. Das soll in vielen Fällen auch günstiger als Saisonblumen sein.
Dabei orientieren sich die Gärtner an der Idee der Permakultur. Die Bereiche sind so angelegt, dass sie sich selbst erhalten. Geschlossene Kreisläufe werden angelegt, die Wartung dieser ist vergleichsweise minimal aufwendig. Für die Gärtner und die Stadt ändert sich nur wenig. „Ob sie nun Rosen oder Bohnen schneiden, ist ja egal“, sagt Maurer.
Norbert Nähr von der Kommunikationsagentur Superurban erklärt und bewirbt die Idee der „essbaren Städte“: „Den einen geht es darum, in unserem digital geprägten Alltag natürliche Kreisläufe stärker ins Bewusstsein zu rücken. Die anderen sind überzeugt, dass urbane Landwirtschaft ein ökologisches und wirtschaftliches Zukunftsmodell ist, weil sie nah am Endverbraucher stattfindet und kurze Transportwege garantiert.“
Die Idee kommt wahrscheinlich aus Nordengland. Dort entschied die Stadt Todmorden, Grünanlagen in Beete umzuwandeln. Dieser Schritt ist zehn Jahre her, die Stadt beweist seitdem, dass es sogar möglich ist, eine ganze Stadt durch den Eigenanbau von Lebensmitteln zu versorgen.
So reizvoll derartige Ansätze auch klingen – mit klassischer Landwirtschaft ist der Nahrungsmittelbedarf einer modernen großen Stadt nicht zu decken. Das gilt erst recht nicht für die Mega Cities der Zukunft. Dennoch ist die Grundidee überraschend charmant und trotzdem smart: Öffentliche Gemüseanlagen statt quasi nutzloser Grünflächen.
Ich selbst lebe in der Seestadt Aspern in Wien, einem der größten Stadtentwicklungsprojekte der 2010er Jahre – ein reines Planungsprojekt, in dem natürlich auch einige zukunftsweisende Ideen umgesetzt wurden, so auch der Bereich Urban Gardening. Neben den Gemeinschaftsgärten gibt es auch viele Bereiche, die mit Gemüse bepflanzt sind – öffentlich und zur freien Entnahme. So gesehen wohne ich bereits in einer essbaren Stadt bzw. zumindest in einem essbaren Stadtteil. Zugegeben war das anfangs etwas gewöhnungsbedürftig. Tomaten statt klassischer Sträucher und Kartoffelbeete statt Saisonblumen – die Optik ist anders. Nach einigen Jahren habe ich mich allerdings daran gewöhnt. Auf der anderen Seite sind die Erträge mickrig, ohne zentral zuständige Stellen erst recht. Eine nette Idee – die jedoch mehr Struktur benötigt.
Via Golem