Das US-Militär hat Daten gekauft, die von einer muslimischen Gebtsapp geminet wurden. Die App, Pro Muslim, hat 98 Millionen Downloads weltweit. Die Daten sind „anonym“ wie bei vielen anderen Apps auch, die wir täglich gebrauchen. Sie umfassen auch Lokalisationsdaten und genau diese – so kann gemutmaßt werden – sind für das US-Militär interessant gewesen.
Die Daten von Pro Muslim wurden an einen Datenbroker namens X-Mode verkauft. X-Mode hat die Daten dann an das US-Militär weiterverkauft. Gegenüber der Presse vesicherten sowohl Pro Muslim als auch das US-Militär, dass es eigentlich keine Bedenken geben sollte, da die Daten alle anonymisiert seien.
Wer den Entwicklern oder Herausgebern von Pro Muslim Glauben schenkt, dass sie in keiner Weise direkt die Absicht hatten, Daten für das US-Militär zu minen, darf den Machern immer noch Naivität vorwerfen. X-Mode ist dafür bekannt, User-Daten zu Zwecken der Terrorbekämpfung, inneren Sicherheit und auch im Kontext von Corona bereitzustellen. Ein heikles Feld also, bei dem legitimes Monitoring und schlicht und ergreifende Überwachung nicht immer leicht zu unterscheiden sind.
Für viele Muslime liegt der Skandal aber auch darin, dass hinter einer scheinbar frommen App, eine Profit-Absicht steckt. Aber zumindest beim US-Militär ist das Statement, dass alles in Ordnung sei, weil die Daten anonym sind, klar, dass glatte Lügen aufgetischt werden.
Niemandem sollte klarer sein als dem US-Militär, dass Daten de-anonymisiert werden können. Durch Matching und Analyse der Einzigartigkeit von Daten und ihr Zusammenbringen mit zugänglichen/öffentlichen persönlichen Daten, kann in vielen Fällen eine Person dennoch identifiziert werden. Die Prozesse hinter dieser De-Anonymisierung werde ich morgen in einem separaten Artikel etwas tiefgehender beleuchten.
An sich ist die Praxis, dass unsere Daten verkauft werden, weit verbreitet, nichts Neues und in den meisten Fällen erscheint sie auch harmlos. Das ist für viele Menschen der Anlass, davon auszugehen, man selbst “habe nichts zu verbergen”. Doch der Sachverhalt um Pro Muslim zeigt, dass wir nie genau wissen können, wer vielleicht ein Interesse haben könnte, das uns im Endeffekt schadet.
Diese Phrase „Ich habe nichts zu verbergen“ wird immer wieder im Kontext von Big-Tech und dem Staat sowie seinen Institutionen genannt. Aber schon im Kontext von Arbeitgebern und Kollegen ist das Konzept Datenschutz für viele viel einleuchtender.
Das Beispiel von Pro Muslim sollte uns die Augen öffnen, dass es in staatlichen Institutionen menschenfeindliche und in diesem Kontext islamfeindliche Kräfte gibt. Wer glaubt dabei, fein raus zu sein, weil er selbst kein Muslim ist und vielleicht sogar die Überwachung von (vermeintlichen) Islamisten fürchtet, hat nicht verstanden, dass es dabei nicht nur um Muslime, ihre Religionsfreiheit und den Schutz vor Diskriminierung, sondern allgemein um Bürgerrechte geht. Wenn diese heute verletzt werden und damit unsere Mitbürger trifft, trifft es uns selbst vielleicht morgen.