Momentan wird — mal wieder — viel auf unsere Bundesregierung geschimpft. Angeblich hat sie einfach zu viele Themen komplett verkackt, um mich direkt in der Einleitung mal wieder im Ton zu vergreifen. Oft genug versuchen wir hier auf dem Blog die Dinge ein wenig realistischer einzuordnen, so dass man erkennen kann, dass viele Vorwürfe, die gegenüber der Regierung erhoben werden, falsch oder gar absurd sind. (Disclaimer: Nein, ich bin kein Schlafschaf und ja, ich halte mich für ausreichend gut informiert)
Regen wir uns also jetzt lieber über was auf, wo wir mit gutem Gewissen sagen können: Jau, das hat uns tatsächlich die Regierung eingebrockt. Dabei geht es nicht nur um die aktuellen Verantwortlichen, denn das Thema „Mobiles Internet in Deutschland“ wurde schon deutlich vor dieser Legislaturperiode ordentlich in den Sand gesetzt.
Schon zu 3G-Zeiten wurden schwerwiegende Fehler seitens der Regierung gemacht, im Grunde sogar schon davor. Während in den Großstädten im Jahr 2020 langsam 5G weitere Verbreitung findet, gibt es aber noch genügend weiße Flecken auf der Deutschlandkarte mit Regionen, in denen man sich schon über 3G mächtig freuen würde.
Man fragt sich, welcher Blick mehr wehtut: Der auf die Ranglisten, in denen Deutschland sich im weltweiten Vergleich auf einem miserablen 44. Rang befindet — oder der Blick auf die Tarife in anderen, teils benachbarten Ländern, wo es LTE ohne Datenlimit erstaunlich preiswert gibt, verglichen mit unseren hiesigen Tarifen.
Wir haben also quasi das schlechteste aus beiden Welten: Unser Internet ist langsam, aber auch teuer. Kein Wunder also, wenn Sascha Lobo letztes Jahr schrieb:
Die Mobilfunkversorgung hierzulande ist lückenhaft, langsam und manchmal teurer, als zum Streamen mit dem Taxi ins Ausland zu fahren. Sascha Lobo
Ich will auch gar nicht mit Statistiken langweilen und genüsslich und wortreich darüber referieren, welche Zwergstaaten flotteres Internet haben als wir und im Grunde mag ich auch nicht lange darüber sinnieren, wer die Schuldigen dieser Misere sind. Da es sich hierbei um zahlreiche Politiker unterschiedlichster Couleur und Generationen handelt und natürlich auch die Wirtschaftsunternehmen eine Mitschuld an der Entwicklung hierzulande tragen, will ich mich hier erst mal bloß mit einem Link zu einer Leseempfehlung begnügen.
Bei dem Tipp handelt es sich um einen Spiegel-Beitrag von 1989 — bereits da, also vor über 30 Jahren, wurde die Weichen gestellt für eine fulminante Irrfahrt des Schreckens und Scheiterns. Der Weichensteller damals: CDU-Mann und damaliger Postminister Christian Schwarz-Schilling! Er brachte das Kunststück fertig, seine Anteile an einer Kupferkabelfirma erst wenige Stunden, bevor er Postminister wurde, an Nixdorf zu verhökern. Und? Hat er — so wie von den Experten gefordert — den Glasfaserausbau forciert, oder doch lieber auf das gute, alte kupferkabel gesetzt? Na kommt, ihr kennt die Lösung.
Jetzt, wo 5G immer wichtiger wird, vor allem im industriellen Bereich und für die Smart City, wäre es so kolossal wichtig, ein gut ausgebautes Glasfasernetz zu haben. Haben wir aber dummerweise nicht. Ich sehe mich gedanklich an der taiwanischen Ostküste im Meer stehen — mit LTE auf dem Smartphone natürlich — und vergleiche das dann mit der Situation, die sich einem darbietet, wenn man vor Sekunden mit dem Zug aus dem Dortmunder Hauptbahnhof herausgefahren ist — und dort dann erst mal gar kein Netz mehr hat.
Es gibt leider noch so unglaublich viel zu tun und dummerweise ziehen sich unglückliche bis stümperhafte Entscheidungen wie ein roter Faden durch die deutsche Geschichte des mobilen Internets. Wer gedacht hat, dass jetzt mit 5G alles besser wird, könnte eventuell bitter enttäuscht werden. Die große Aufholjagd in den Ausbau- und Geschwindigkeits-Charts dürfte so schnell nicht starten.
Was da alles schiefgelaufen ist, wieso die Dinge in Deutschland so anders laufen und langsames Internet teurer ist als schnelles Internet in anderen Ländern, erklärt das folgende Video sehr schön. Simplicissimus, Teil des funk-Netzwerks und als solches ARD und ZDF zugehörig, erklärt leicht verständlich, wie der Status Quo ist, wann wo was verbockt wurde und wieso auch die Zukunftsaussichten nicht sonderlich rosig sind. „Viel Spaß“ klingt in diesem Fall maximal sarkastisch, ist aber ernst gemeint, weil es trotz aller Missstände ein sehr unterhaltsames Video ist. In diesem Sinne: Viel Spaß!