Der britische Geheimdienst GCHQ hat einen umfangreichen Werkzeugkasten, wenn es darum geht im Internet zu schnüffeln, aber auch um Inhalte zu verfälschen. Glenn Greenwald hat eine Liste verfügbarer Tools aus den Dokumenten von Edward Snowden veröffentlicht. Wirklich überraschendes findet sich da nicht, aber diese Liste und auch die Anmerkungen unterstreichen wieder, was sich seit gut einem Jahr immer wieder zeigt: Die Geheimdienste wollen das ganze Netz lückenlos überwachen und kontrollieren.
Ein großer Teil der Tools unterscheidet sich nicht von den Werkzeugen, die von gewöhnlichen Kriminellen eingesetzt werden, da geht es um Denial of Service-Attacken oder Brute Force-Angriffe auf Foren, um Passwörter zu knacken. Nur handelt es sich bei Geheimdiensten eben nicht um gewöhnliche Kriminelle. Angeboten werden hier auch Möglichkeiten, Inhalte zu manipulieren. Ob bestimmte Facebook-Posts vor einzelnen Personen oder Ländern versteckt werden sollen oder das Ergebnis einer Online-Umfrage passend manipuliert werden soll: There is an App for that. Und für alles andere möge man doch die Joint Threat Research Intelligence Group (JTRIG) des GCHQ frühzeitig ansprechen, die können das wahrscheinlich bauen.
Ein kleiner Auszug:
- “Change outcome of online polls” (UNDERPASS)
- “Mass delivery of email messaging to support an Information Operations campaign” (BADGER) and “mass delivery of SMS messages to support an Information Operations campaign” (WARPARTH)
- “Disruption of video-based websites hosting extremist content through concerted target discovery and content removal.” (SILVERLORD)
- “Active skype capability. Provision of real time call records (SkypeOut and SkypetoSkype) and bidirectional instant messaging. Also contact lists.” (MINIATURE HERO)
- “Find private photographs of targets on Facebook” (SPRING BISHOP)
- “A tool that will permanently disable a target’s account on their computer” (ANGRY PIRATE)
- “Ability to artificially increase traffic to a website” (GATEWAY) and “ability to inflate page views on websites” (SLIPSTREAM)
- “Amplification of a given message, normally video, on popular multimedia websites (Youtube)” (GESTATOR)
- “Targeted Denial Of Service against Web Servers” (PREDATORS FACE) and “Distributed denial of service using P2P. Built by ICTR, deployed by JTRIG” (ROLLING THUNDER)
- “A suite of tools for monitoring target use of the UK auction site eBay (www.ebay.co.uk)” (ELATE)
- “Ability to spoof any email address and send email under that identity” (CHANGELING)
- “For connecting two target phone together in a call” (IMPERIAL BARGE)
Die komplette Liste umfasst 8 Bildschirmseiten aus einem internen GCHQ-Wiki. Gerade bei den angepriesenen Fähigkeiten in Zusammenhang mit der Überwachung von Skype stellen sich natürlich erneut Fragen nach dem Umfang der Kooperation durch Unternehmen wie Microsoft.
Die Veröffentlichung bei The Intercept kommt zu einem passenden Zeitpunkt: In Großbritannien wird gerade im Hauruck-Verfahren – Premierminister David Cameron bezeichnet es als einen Notfall – die erst vom EuGH gekippte Vorratsdatenspeicherung für Großbritannien gesetzlich zementiert. Immerhin geht es dabei ja um enorme Investitionen in Abhörtechniken, die geschützt werden müssen – was sollen denn die ganzen tollen Tools, wenn plötzlich die Vorratsdaten fehlen? Eben. Ein echter Notfall.
Um es kurz und knapp zu sagen: Der GCHQ lauscht nicht nur, er attackiert auch Systeme im Netz und verfälscht Daten! Und weiterhin ist die Frage offen, gegen wen sich diese ganzen Maßnahmen am Ende wirklich richten. Nur gegen mutmaßliche Terroristen? Wohl kaum. Niemand wird mehr ernsthaft bestreiten wollen, dass sich die Aktivitäten von NSA, GCHQ und wie sie alle heißen eben nicht nur gegen Terroristen richten. Es geht um Spionage in Politik und Wirtschaft, es geht darum immer einen strategischen Vorteil durch Wissen zu erhalten. Egal, ob es dabei um wirtschaftliche Interessen oder Verhandlungen über irgendwelche internationalen Abkommen geht.
Und auch ganz normale Menschen geraten dabei regelmäßig ins Visier der Schnüffler, wie eine Analyse der Washington Post gezeigt hat. Die haben sich eine Datensammlung genau angeschaut, die aus den Dokumenten von Edward Snowden stammt. Am Ende steht ein Verhältnis von 1 zu 9. Auf jeden, der von der NSA rechtmäßig und aufgrund zumindest eines Verdachts überwacht wurde, kommen 9 Personen, die offenbar nur unschuldige Opfer dieser Maßnahmen sind. Und dabei gesammelte Daten – nicht nur Metadaten, sondern auch Inhalte ihrer Konversationen – wurden trotz erwiesener Nutzlosigkeit für die Arbeit der NSA gespeichert. Die Washington Post spricht von einer „voyeuristischen Qualität“. Schlechte Nachricht für alle, die eine Fernbeziehung führen: Gut möglich, dass Euer letzter Chat und die dabei ausgetauschten Fotos nicht nur Euch selbst als Masturbationsvorlage dienten.
Nur so am Rande: Natürlich sind Online-Umfragen nie etwas, auf das man sich verlassen sollte, es wird immer von verschiedenen Seiten versucht diese zu manipulieren. Aber offensichtlich gibt es wohl immer noch viele Menschen, die solche Umfragen in irgendeiner Form für mehr als unterhaltsam halten, sonst hätten Geheimdienste eher kein Interesse daran die Ergebnisse solcher Umfragen zu manipulieren.