Große Aufregung: Das Kultusministerium in Baden-Württemberg hat Lehrern die Nutzung von Facebook verboten! Und sofort kommt ein Sturm der Empörung, von weltfremden Regeln, verbotswütigen Grünen und dem Ende aller Innovation in Deutschland ist die Rede. Aber warum eigentlich?
Es ist schon spannend zu beobachten, wie Menschen, die noch vor wenigen Tagen die Schnüffelei der NSA in unseren privaten Daten und unserer Kommunikation, die – angeblich unfreiwillige – Zusammenarbeit von Facebook und anderen US-Unternehmen mit der NSA scharf kritisierten jetzt plötzlich so tun, als wäre guter Unterricht ohne die Nutzung dieser sozialen Netzwerke nicht mehr möglich. Ganz ehrlich, habt ihr mal ein bisschen weiter als vom Teilen- zum Like-Link gedacht?
Warum soll es für den Unterricht gut sein, wenn Schüler indirekt zu einem Facebook-Account gezwungen werden, weil ein Lehrer dort eine Lerngruppe für die Klasse aufgemacht hat? Warum soll es besserer Unterricht sein, wenn digitale Lernmaterialien per Mail statt per Google+ Hangout verteilt werden? An keiner Stelle wird den Lehrern verboten, das Thema soziale Netzwerke im Unterricht zu behandeln, es wird nur ganz klar gesagt, dass eben auch im Unterricht die Datenschutzvorschriften gelten und personenbezogene Daten der Schüler nichts auf Facebook, Google+ oder ähnlichen Netzwerken verloren haben.
Statt sich also zu überlegen, welche Möglichkeiten es gibt digitale Medien und Werkzeuge auf eine Art in den Unterricht an deutschen Schulen zu bringen, die nicht im Widerspruch zu den geltenden Datenschutzbestimmungen stehen und möglichst barrierefrei sind, schreit mal lieber etwas von „Innovationsfeindlichkeit“ und „Rückschritt“. Dabei handelt es sich doch eher um einen Fortschritt: Warum sollten nicht höhere Klassen im Unterricht unter fachkundiger Anleitung eigene Server der Schule betreuen und dort dann entsprechende Dienste für die eigene Schule bereit stellen? Es gäbe eine Kommunikationsplattform für die jeweiligen Schule, bei der es die Datenschutzprobleme der Netzwerke anderer Betreiber eben nicht gibt, die Schüler könnten dabei etwas lernen, was sie in Zukunft deutlich weiter bringt, als die Benutzung von Facebook. Wäre es für die Zukunft unseres Landes nicht besser, wenn unsere Kinder lernen, dass es eben nicht nur Facebook und WhatsApp gibt, sondern es sogar ganz einfache Möglichkeiten gibt, so etwas für Arbeitsgruppen selbst aufzubauen? Oder wenn unsere Kinder schon früh lernen, dass Datenschutz auch etwas damit zu tun hat, dass man selbst seine eigenen Daten schützt und sich gut überlegt, wem man wann welche Daten anvertraut? Ich persönlich würde beide Fragen mit einem sehr deutlichem Ja beantworten und mir wünschen, dass die Kultusministerien der restlichen Bundesländer hier nachziehen – und dann ein bisschen Geld locker machen, um solche eigenen Kommunikationsserver für alle Schulen zu ermöglichen.
Soziale Netzwerke als Thema im Unterricht: Ja bitte! Aber als Unterrichtswerkzeug taugen die Netzwerke alleine schon aufgrund der Datenschutzproblematik nicht und es ist gut, dass das Kultusministerium in Baden-Württemberg dies klar gestellt hat.