In einem grandiosen Anfall von Understatement bezeichnet sich unser Gastkommentator Karsten selbst als Milchmädchen. Ob ein Solches überhaupt soweit gekommen wäre, sich all die unterschiedlichen Fachbegriffe anzueignen, die Karsten in den grossen Kontext einordnet, ist auch fraglich.
Gerne lausche ich seinen Ausführungen, wenn er mal wieder über Microprozessor-Technologie oder Signalwegs-Effizienz referiert, Microsoft niedermacht, out-of-order executions erläutert oder von seinen Tests aus dem Windkanal berichtet. Wenn ich auch nicht immer mitkomme, spürt man in jedem Satz: hier wächst ein Elektroingenieur mit Herz und Seele heran.
In seinem Gastkommentar fasst er seine Eindrücke etwa der letzten 10 Jahre der Prozessorentwicklung zusammen, gibt ein paar sehr nette und lehrreiche Hintergrund-Details dazu und ordnet auch die Netbooks in das grosse Bild ein. Für mich besonders erstaunlich, wie wenig sich die CPUs in ihrem Aufbau in all den Jahren verändert haben, aber lest selbst:
E
Intel vs. AMD: Zahlenspiele vom Milchmädchen
Hallo zusammen. Ich bin seit dem großartigen DOOM 3D-Zocker der ersten Stunde, und seitdem verfolge ich die Entwicklung der PC-Hardware. Mit dem Aufkommen der Netbooks erfüllt sich auch mir der Wunsch nach Smart-Computing, dem pragmatischeren Systemdesign mit gutem bis sehr gutem Preis-Leistungs-Verhältnis bei erfreulich geringem Ressourcenverbrauch. Was die Netbooks heute „unter der Haube“ haben, find ich schon ganz OK, aber es gibt noch enormes Verbesserungpotential. Ich habe noch kein Netbook, ich warte noch auf ein gutes ;-).
Der folgende Artikel mag so manchem Leser „Pro-AMD“ erscheinen, und ich muß zu meiner Schande gestehen, dass er Recht hat. Ich bin zwar meistenteils um Objektivität bemüht, aber erstens habe ich einen Hang dazu, Partei für Schwächere zu ergreifen, zweitens ist mir bei Intels Marktpolitik schon zu oft der Kragen geplatzt. Die mögen meinen Respekt aber nicht unbedingt meine Sympathie genießen.
I
AMD hat jede Art von Support bitter nötig und verdient, so wie bei denen der Pleitegeier kreist und mit was für einem Konkurrenten die sich herumschlagen müssen. Und da der Riese seinen kleinen Widersacher inzwischen als solchen identifiziert hat, geht Goliath doch recht vehement gegen David vor. Der wiederum sucht grad Steine… Intel war immer und wird immer da sein. Die haben schon lange ihren festen Platz in der Computergeschichte. Aber ohne Mitbewerber wird’s bitter für uns User. Dasselbe gilt im Übrigen in abgespeckter Form für Nvidia. Gute Produkte aber ein teilweise sehr großspuriges Auftreten – Marktführer hin oder her, ist auch nicht so mein Stil. Nichtsdestotrotz sind alle Firmen abseits der Emotionalisierung in dieser Branche am Markt agierende Konzerne und müssen mit den Konsequenzen der Management- und der Konsumentenentscheidungen (über)leben.
Seit 15 Jahren ist die CPU-Gemeinde in 2 Lager gespalten (sorry, VIA-Fans). Anders gesagt: im CPU-Segment herrscht ein 4:1 Oligopol nach Stückzahlen vor. Ständig hört man Zwischenrufe aus der ersten bis letzten Reihe wie „warum tut Intel dies und AMD nicht!?“ etc.
Um es kurz zu sagen: Intel geht es (immer noch) verdammt gut, während AMD die meiste Zeit mit einem Fuß beim Insolvenzverwalter in der Tür klemmt. Die neue Foundry Corp. ist zumindest eine Möglichkeit für die neuen AMD-Anteilseigner, die an der Tankstelle schwer verdienten Petrodollars zu diversifizieren, ohne in so einfallslose Dinge wie Luxuskarossen oder palastartige Hotels zu investieren (oder warens hotelartige Paläste?)
Ich persönlich halte es für keine schlechte Möglichkeit für AMD, uns weiterhin mit smarten Produkten zu versorgen. Smart ist wohl das Stichwort, der blaue Riese ist schnell geworden, verfällt aber immer noch allzu oft in einen vielleicht den Amerikanern ureigene Brute-force-Mentalität. Bestes Beispiel der Big-Block-ära wohl definitiv der Pentium IV- Heißes Teil… ich will deutsche Ingenieurskunst nicht über den grünen Klee loben, aber meine Einblicke in den Bereich Kfz-Komponenten haben mich zu dem Schluß kommen lassen, dass der deutsche Rückzug aus der PC-Sparte eher auf einfallslose Siemens-Manager und den Sog der Autoindustrie zurückzuführen ist, als auf mangelnde Fähigkeiten im Bereich Halbleiterentwicklung. AMD hat mit dem Dresdener Standort enormes Potenzial seine human resources in ein CPU-Ingenieurbüro zu bündeln. In puncto Fertigungstechnologie würden sie auf lange Sicht eh nicht mit Intel mithalten können, das soll mal ruhig TSMC erledigen. Was mit den Dresdener Fabs geschehen wird ist auf lange Sicht ungewiß.
II
Unamerikanische Vorgehensweise war vielleicht auch der Grund, dass eines der coolsten Teile den die Intel-Jungs je auf den Markt gebracht haben, direkt aus der Wüste kam. Offenbar nach hatten es die Israelis wohl leid, dass ihnen immer die die Northwoods und Prescotts in der Wüste abgeraucht sind, da ham se schnell den Pentium-M gebaut. Keine rein amerikanische Entwicklung also. Was Performance pro Watt angeht ist „der M“ immer noch up-to-date. Bööh, aufgewärmter PIII! Oder Core2-Vater, da kann sich jeder selber seine Meinung zu bilden. Hier liegt wohl die Stärke von Intel: sie können aus einer 50 Jahre Erfahrung umfassenden Mottenkiste immer noch was „neues“ rauskramen. Haben halt auch sehr gute Leute da sitzen, die Intels, sonst wären sie ja auch nicht Branchenprimus.
Dann kam dieses kleine Notebook aus Taiwan daher. Schrottprozessor, Briefmarkendisplay wetterten die (wenigen) einen, überfälliger Computerminimalismus abseits der Leistungsgesellschaft lobten viele. Und wie es der Zufall so will, schmeißt Intel justamente ein krümeliges Prozessorchen auf den Markt, um endlich auch Glotzen und Autoradios mit dem x86-Virus zu infizieren. Haben wir nochmal Schwein gehabt dass die Atömchen wohl erstmal nur in Miniklappcomputern ihr Unwesen treiben werden, ich seh schon wie sich Plasmas und AV-Receiver beim Druck auf die Fernbedienung mit Bluescreen verabschieden weil die Redmonder meinen, x86 ginge nur mit Windows Mobile. Naja, wird schon noch früh genug passieren. Und AMD? Sagen erstmal wenig dazu.
Und jetzt? Ist Neo jetzt der Prozessor, der Atom das Fürchten lehrt? Jein. Es ist der jute alte K8. Ein „richtiger“ Desktopprozessor mit Out-Of-Order-Execution, integriertem Memory-controller und dem Feeling von Power das uns schon beim A64 3000+ beeindruckt hat. Allerdings in 65 nm mit 110 mio. Transistoren. Riesig im Vergleich zum 45nm-45-mio-Transistor-Atom. Teurer wird und muß er sein. Keine Konkurrenz im (Ultra-)Low-Price-Segment, aber wir Zocker wurden bisher im Bereich der Ultraporties stiefmütterlich behandelt. Doch bald ist es da, das Zock-Netbook. Die größere Die-Fläche mag ihren Tribut im pekuniären Bereich fordern, die bewährte Desktop-CPU-Performance wird in Verbindung mit adäquater Radeon-Technologie für die eine oder andere LAN-Party in der Straßenbahn sorgen. Die Nvidia-ION-Plattform machts vor, ist allerdings auch wieder mit ordentlich Seitenhieben in Richtung Intel gelauncht worden (und wird wohl vom Atom kräftig gebremst). Zum Glück sind Ingenieure friedlicher als Marketingabteilungen, so dass zu hoffen bleibt, dass Intel-Nvidia-Plattformen weiter optimiert werden. Die Relation (3D-) Performance-Stromverbrauch ist grade bei Netbooks eine große Herausforderung, gilt es doch, einerseits was fürs Auge zu bieten, andererseits auch mit Akku lang genug.
„Dann sollen die von AMD doch auch was Kleines entwickeln!“ Wie denn? Selbst der neue Shanghai hat noch so viele K7-Gene, dass man mit fug und recht behaupten kann, dass AMD seit fast 10 Jahren mit der selben Architektur unterwegs ist (der Turion ist auch nicht mehr als ein selektierter Athlon X2 auf nem anderen Sockel). Klar, da sind ein paar Datenleitungen weiter geworden, Hypertransport sorgt für „natives quad-core“, der SSE-Zug rollt… aber das sind „nur“ ein paar Transistörchen mehr hier und da. Kosteneffiziente Evolution statt riskanter Revolution. „Geode“ (K7) ist zumindest vom Namen her tot, die Reputation im ULV-Bereich muß eine andere Marke bringen. Tausche „G“ gegen „N“ und laß „de“ weg…hmm…