Justine Sacco, Communication Director bei IAC (u.a. Ask.com, Match.com, Vimeo, About.com, CollegeHumor) twittert ein untragbares Statement, setzt sich danach ins Flugzeug – und sieht nach der Landung ihr Leben in Trümmern liegen.
Wenn man die PR-Hauptverantwortliche für ein so großes Unternehmen wie IAC ist, welches unter seinem Dach weltbekannte Seiten wie die oben genannten vereint, sollte man meinen, dass man sich tendenziell der Tragweite bewusst ist, die ein Tweet haben kann.
Das schien Justine Sacco schon immer egal zu sein, denn in der Vergangenheit hat sie öfters schon mal üblen Niveau-Limbo getanzt bei Twitter. Man twittert der PETA nun mal einfach nicht, dass man Tiere mag, aber bei dieser Kälte persönlich einem Tier das Fell abziehen würde, damit man nicht so friert.(Hier ein “Best of” ihrer Tweets)
Mit ihrem gestrigen Tweet hat sie aber noch mal einen drauf setzen können: Sie befand sich zu dem Zeitpunkt noch in London und war dabei, sich auf den Weg nach Kapstadt, Südafrika zu machen. Dabei rutschte ihr dieser unsäglich schlimme Tweet heraus:
Frei übersetzt also ungefähr sowas wie “Ich fliege nach Afrika. Hoffentlich bekomme ich kein AIDS. Nur Spaß – ich bin ja weiß!” Als ich letzte Nacht diesen Tweet sah, blieb mir echt die Spucke weg. Ein Mensch, der scheinbar viel Geld damit verdient, dass er Kommunikation irgendwie begriffen hat und dann so ein Statement?
Es hat jedenfalls nicht sehr lange gedauert, bis es dazu eine Aussage von ihrem Chef gab, welche er Valleywag mailte:
This is an outrageous, offensive comment that does not reflect the views and values of IAC. Unfortunately, the employee in question is unreachable on an international flight, but this is a very serious matter and we are taking appropriate action.
Das Fatale an dem Tweet der guten Frau Sacco war nun, dass sie auf einem Langstreckenflug unterwegs war und die Nachricht weder löschen, noch sich entschuldigen oder sonstwie reagieren konnte. Auch ihr Arbeitgeber konnte sie also nicht persönlich zu der Geschichte befragen, verlor aber eben keine Zeit, ihr öffentlich Konsequenzen für ihr handeln anzudrohen.
Wir wissen nun nicht, welche Konsequenzen das sein können. Schlimmstenfalls ist sie ihren Job los, wenngleich das bis zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht bestätigt worden ist. In den Stunden, in denen sie in der Luft war, ging die Geschichte, die für die Medien selbstverständlich ein gefundenes Fressen war, um die ganze Welt und entfachte einen Shitstorm und eine Welle des Hasses. Es haben schon eine Menge Leute eine Menge dummes Zeug ins Netz geschrieben, aber so eine Flut an Beschimpfungen habe ich wirklich selten gesehen.
Frau Sacco landet in Kapstadt und dürfte beim Blick auf ihr Smartphone einen Herzinfarkt bekommen haben, denn scheinbar die ganze Welt hat ihr Statement gelesen und sehr viele davon haben nicht davor zurückgeschreckt, ihr und sogar ihrer Familie Todesdrohungen zu schicken. Egal, wie dumm ein Tweet ist – das ist natürlich nicht mehr verhältnismäßig, selbst nach so einer katastrophalen Aussage wie ihrer.
Weder ihr Chef, noch die ganzen ihr unbekannten Menschen hatten zu diesem Zeitpunkt die Garantie, dass sie wirklich diesen Tweet abgesendet hat. Es hätte sich auch am Flughafen jemand ihr Smartphone geschnappt haben können, wenn sie einen Moment nicht aufmerksam ist. Ist vielleicht rein theoretisch, aber wäre eben keine Premiere. Dennoch hat das Internet kurz vor Weihnachten nochmal geballt seine hässlichste Fratze präsentiert und dafür gesorgt, dass derzeit ein Mensch in Südafrika sitzt, der sein Leben in Trümmern liegen sieht.
Bevor Justine Sacco ihre Accounts bei Facebook und Twitter gelöscht hat, gab es noch eine Menge Entschuldigungs-Tweets und Beschreibungen ihrer derzeitigen Situation, in der sie davon erzählt, dass sie Todesdrohungen bekommt und sie von ihrer Familie verstoßen wurde:
(die beiden Screenshots vom neu aufgemachten Twitter-Account @JustineSacco6 mit ihren Entschuldigungen scheinen nicht wirklich von ihr zu sein – ich versuche das mal zu verifizieren.)
Das Hashtag #HasJustineLandedYet war – wie ihr Name – Trending Topic bei Twitter und sorgte dafür, dass sich zum Hass auch noch Häme gesellte. Es machte sich in Kapstadt sogar eigens zu diesem Zweck ein Twitter-Nutzer auf den Weg zum Flughafen, um zu sehen, ob sie dort tatsächlich ankommt.
Yup. @JustineSacco HAS in fact landed at Cape Town international. She’s decided to wear sunnies as a disguise. pic.twitter.com/2I3WZQCIci
— Zac (@Zac_R) 21. Dezember 2013
Wie die Story letzten Endes ausgeht, ob sie ihren Job behalten kann und alles Weitere – wir wissen es zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht. Ich will das auch beileibe nicht schön reden, was sie da schrieb, denn auch ich war gestern fassungslos angesichts so einer haarsträubenden Aussage.
Dennoch sollten wir uns alle in solchen Situationen besinnen – und da fasse ich mir durchaus auch an die eigene Nase – denn zumeist liefert uns Twitter nur einen Bruchteil einer Geschichte. Ein Moment wird festgehalten, ohne dass wir Hintergrund, Umstände oder den tatsächlichen Tathergang kennen. So ist das Internet nun mal: Seiten, die wie die eurer Bank aussehen, sind manchmal nicht eure Bank-Seiten, die hübsche 20-Jährige, die zufällig in Deiner Nähe wohnt und Dich kennen lernen möchte ist ein fetter Kerl am anderen Ende der Welt – und ein Tweet ist möglicherweise von einer ganz anderen Person oder direkt einem Fake-Account abgesandt worden.
Ich bin sicher, dass Justine Sacco diese Lektion verstanden hat – uns geht es da besser: Wir können aus der Geschichte was lernen und kommen dabei deutlich glimpflicher davon als sie.
PS: Jemand hat sehr schnell reagiert und sich die Seite justinesacco.com gesichert. Dort wird nun auf Aid for Africa weitergeleitet – ein Zusammenschluss vieler Charity-Einrichtungen in den USA und ihrer afrikanischen Partner, die Spendengelder für Bedürftige in Afrika sammeln.