Freunde, ich versichere euch, dass wir kein Watchblog fuer die Spiegel Netzwelt sind aber so alle paar Monate muss ich mir mal einfach wieder den Frust von der Seele bloggen, denn was dort auf die Leserschaft losgelassen wird ist zuweilen mit Dilettantismus nicht mehr zu erklaeren. Ich behaupte vorab, dass es sich um pure Arroganz und vor allen Dingen um den Druck des, nennen wir es mal „Trafficbloggings“ handelt.
Was ist passiert?
Wie ihr vielleicht mitbekommen habt, ist vorgestern ein neuer Browser gelauncht worden mit dem Namen RockMelt. Dabei handelt es sich im Grunde genommen um einen Chrome Browser, der sich mit Facebook und Twitter verbindet, so wie ein simples RSS-Reader Plugin bietet. Ich konnte dank Volker bereits seit gestern die Beta ausfuehrlich testen und hab mich mit dem Browser die halbe Nacht auseinandergesetzt (Video schiebt sich gerade auf Facebook hoch). Ich kann schon einmal vorab sagen, dass jeglicher Test in 5-10 Saetzen zusammengefasst werden kann. Der RockMelt Browser ist ‘ne nette Sache, aber nichts was die Welt des Internets und der sozialen Netzwerke aus den Angeln hebt.
Schaue ich mir aber heute die Google News in Deutschland an, dann gleicht diese Veroeffentlichung einem medialen Erdbeben. Irgendwie werde ich das Gefuehl nicht los, dass wir in einer Welt leben, in der man auch mit der letzten unbedeutenden Entwicklung Buzz erzeugen kann, wenn man die entsprechenden Keywords benutzt (was zur Zeit neben Google Streetview vor allen Dingen Facebook im speziellen und Soziale Netzwerke im allgemeinen sind). Da schnappen sie zu, die Herren Qualitaetsjournalisten, die sich gerade von ihren Speerspitzen wie Doepfner in unsaeglichen Interviews vertreten lassen. Fuer diesen Muell soll ich also in Zukunft Geld bezahlen? Na dann viel Glueck und meine Prognose, dass dies ein aehnlich erfolgreiches Experiment wird, wie bei der britischen Times!
In den letzten 2 Jahren stolper ich immer wieder ueber einen Namen und das liegt sicherlich nicht daran, dass ich in irgendeiner Weise persoenliche Aversionen gegen ihn hege. Wie auch? Wir kennen uns doch gar nicht persoenlich, dennoch muss es moeglich sein die Resultate und die oeffentlichen Arbeit kritisch und distanziert betrachten zu koennen, also genau das, was diese Journalisten sich immer wieder auf die Fahne schreiben.
Frank Patalong hat sich in der Vergangenheit nicht nur als Netbook-Experte und Analyst geoutet, sondern wird mir von euch (oder besser gesagt seine Artikel)auch immer wieder per Email fuer einen Kommentar vorgeschlagen. Bitte nicht boese sein, wenn ich mich schon fast einem Jahr nicht mehr drum gekuemmert habe, es macht einfach keinen Sinn. Frank Patalongs Halbwertzeit in der US-amerikanischen Techbloggingszene, waere aehnlich lang wie die eines Eis am Stiel im taiwanesischen Hochsommer, sprich seine Veroeffentlichungen wuerden innerhalb kuerzester Zeit zum oeffentlichen Gespoett.
Jetzt schnappt er sich also den RockMelt Browser, denn irgendwie hat ihm sein Feedreader via Techcrunch und Engadget mitgeteilt, dass da ein Social Media Browser im Anmarsch ist und die Konkurrenz in Deutschland schien die News auch schon aufgeschnappt zu haben. Was macht man also wenn Sueddeutsche, Chip und Co bereits einen Tag zuvor veroeffentlicht haben? Man saugt sich fix einen Artikel aus den Fingern, garniert diesen mit einer Fotostrecke (die nichts aber auch gar nichts zeigt ausser der eigenen Beschraenktheit und schlechten Vernetzung. Aber vielleicht sind Screenshots von der Anmeldung zu einem Betatest genau das, was SpOn unter einem Produkttest versteht!)und startet gleich mal einen prophetenhaften „Rant“ bezueglich der Datensicherheit, denn das will die SpOn-Leserschaft schliesslich lesen. Nichts verkauft sich besser als der Zeigefinger eines selbsternannten Technikverstehers, der nicht muede wird ueber die Gefahren des Facebook-Businessplans aufzuklaeren. Soso, Facebook will also die Nutzerdaten gewerblich vermarkten (schoen, dass Patalong auch inzwischen die Einnahmequellen von diesen kostenlosen Plattformen erkannt hat!)und RockMelt soll dafuer das Werkzeug sein, welches „seine Lobby finden wird“ und bei dem man „die Hose runterlassen muss“. Dann wird noch schnell die „Privacy Policy“ von RockMelt ueberflogen und all die Gefahren und Bedenken genannt, weil die Jungs und Maedels private Daten ueber Surfsessions auf Amazon Servern sammeln wuerden
Was Patalong aber wissentlich verschweigt ist, dass RockMelt explizit darauf hinweist, dass man dies auch abstellen kann und sie ebenfalls keine Daten an Dritte weitergeben!
- We collect information on you and how you use RockMelt.
- We use this information to make RockMelt better.
- We protect your privacy and NEVER share this information with third parties.
- You can opt out of collection, either temporarily or permanently.
Und dann weiter:
By agreeing to participate in this beta test, you are agreeing to allow RockMelt to collect these and other data points and transmit them to RockMelt’s servers. If you don’t want us to track this information, you have three options:
- For temporary periods during which you do not want additional information collected, open a browser window in Incognito Mode, which can be accessed from the RockMelt menu on Windows and from the File menu on Mac. We never track or collect additional usage data from a window while it is in Incognito Mode.
- Uncheck the “Help make RockMelt better” box in preferences under the RockMelt menu. Note that by doing so we will not be notified of browser crashes or other problems you experience and may therefore be unable to fix problems you encounter. We never track or collect additional usage data while the “Help make RockMelt better” box is unchecked.
- Remove RockMelt from your system and do not participate in the beta program.
Frank Patalong besitzt wirklich die Dreistigkeit und spricht von einer Lobby, die dieser Browser finden wird. Er, der nicht auf Facebook angemeldet ist und ebenfalls den RockMelt Browser nicht testen kann, da er nicht Bestandteil des nicht oeffentlichen Betatests ist, erklaert uns also die bunte Welt der sozialen Netzwerke und Internet-Browser. Kann es sein, dass hier die Lobbyisten irgendwie auf der anderen Seite hocken?
Eigentlich lohnt es sich gar nicht mehr diese peinliche Arroganz zu kommentieren, denn die Spiegel Online Netzwelt hat sich trotz (oder vielleicht gerade deshalb)steigender Trafficzahlen zu einer Realsatire des deutschen Journalismus entwickelt und deshalb kann ich wieder einmal nur mit Niggemeier abschliessen: Geht sterben!
P.S. – Rechtschreibfehler sind in meinen Kommentaren kein Bug, sondern ein Feature und dienen der Abgrenzung gegenueber den Protagonisten meiner “Rants”!
Update: Zur Ehrenrettung von SpOn muss ich nun darauf hinweisen, dass inzwischen ein wirklich vernuenftiger Testbericht von Konrad Lischka erschienen ist. Warum Patalongs Artikel ueberhaupt erschien und nicht zumindest als Kommentar gekennzeichnet wurde? Es bleibt das Geheimnis der Redakteure.