Ansgar who? Ich bin mir ziemlich genau zu 100% sicher, dass bis auf ein paar Korschenbroicher bisher noch ungefaehr niemand den Namen Ansgar Heveling vernommen hat und angesichts seines gestrigen Kommentars im Handelsblatt ist dies auch vielleicht besser so. Was als Kampfansage und flammende Rede gegen die digitale Gesellschaft und eine Ueberarbeitung des Copyright-Oekosystems gedacht war, endete in einem medialen Fiasko und vor allen Dingen in der Erkenntnis, dass da ein Bundestag-Hinterbaenkler endlich auch einmal auf die grosse Buehne der Politik wollte. “Seht her, ich als geschichtsbewusster Politiker stehe bereits auf der Barrikade zum Schutze der realen Menschheit. Goethe in der einen Hand, die Bibel in der anderen und das Morsegeraet als Twitterersatz in der Hosentasche!”

Hevelings bemueht ueberzeichneter Kommentar ist nicht nur ein Spiegelbild der internetfeindlichen Politik in Deutschland, es ist einmal mehr eine Kapitulation vor einer sich wandelnden Gesellschaft. Ein Hilferuf nach mehr Kutschen, Handarbeiten, Hausmusik und Zeppelinen. Heveling ist zwar erst 39, erscheint aber aus der Ferne gesehen wie ein Relikt einer laengst vergessenen Zeit der Gestrigen, die eine Politik vertreten welche alles andere als foerderlich fuer den Standort Deutschland ist. Der Sprung von der Gesellschaft, die zur Zeit noch den grossen Teil ihrer Beschaeftigten in der Service-Industrie angestellt hat, zur IT-Gesellschaft kann mit diesen Volksvertretern nicht vollzogen werden und dies wird sich frueher oder spaeter fuer ein Land raechen, welches als einzigen Rohstoff die Leistung anbieten kann, welche zwischen den Ohren seiner Bewohner produziert wird!
Ein Land welches von Verbraucherschutz-Ministerinnen und Datenschuetzern beeinflusst wird, die es immer noch nicht begriffen haben, dass nicht die Plattform und der kostenlose Webservice dafuer zustaendig ist Privatsphaeren zu schuetzen, sondern wir, die User! Jeder muss sich darueber im klaren sein, dass er digitale Spuren hinterlaesst und dies um so mehr, je weniger der Service kostet. Das duestere Bild der Datenkraken Google und Facebook ist nicht nur sowas von ueberholt, sondern entzieht der Politik ihre Verantwortung, die Bueger objektiv aufzuklaeren und endlich eine Gesellschaft des Wissens, denn des dummen Nachplapperns irgendwelcher Parolen der regierenden Klasse zu formen.

Wo bleiben denn die Unterrichtsstunden zu “Medienkompetenz” in denen ausgebildete Fachkraefte den Kids endlich eintrichtern, dass sie selber zum Produkt werden wenn ein Angebot im Internet kostenlos verfuegbar ist? Was ist mit Lehrern, die ihrern Schuelern erklaeren, was eine Facebook-Timeline fuer ihren digitalen Fussabdruck bedeutet? Warum hat die Zukunft der deutschen Gesellschaft kein Recht darauf, vor den damit verbundenen Gefahren gewarnt zu werden?
Die Beisswut vieler Volksvertreter, welche sich u.a. auch durch SOPA, PIPA und Acta manifestiert, ist einzig und alleine die Angst davor, dass sie nicht mehr bestimmen koennen was gelehrt, genutzt und kommuniziert wird. Die Erfahrung einer grenzenlosen, vernetzten Gesellschaft, welche ihr Wissen zu grossen Teilen oeffentlich und fuer jeden und unabhaenig von Stand und Ausbildung(sprich kostenlos)bereitstellt, ist fuer viele Regierungen und Firmenbosse sowas wie der Untergang des Abendlandes (fuer China zaehlt dann das entsprechende asiatische Equivalent). Der dumme Urnenpoebel und Konsumzombie will sich tatsaechlich von Parteiprogrammen und Marketingbueros emanzipieren, sich organisieren und neu erfinden. Halt, STOP!

Wenn all dies, wie Heveling in seinem Kommentar schreibt, digitaler Maoismus ist, dann streife ich mir gerne den ganz persoenlichen Zhōngshān zhuāng ueber und erklaere, dass nicht das Web 2.0 (wer benutzt eigentlich dieses behaemmerte Buzzword noch?)am Ende ist, sondern der Teil der deutschen Politik, der sich gegen eine offene Gesellschaft (und ich unterscheide hier nicht zwischen on- oder offline, denn auch diese Separierung ist totaler Bloedsinn)stemmt. War “Web 2.0” nicht auch einmal das Synonym fuer das “Mitmach-Web” und wuerde dies dann letztendlich bedeuten dass Heveling einfach nicht will, dass das schaebige Wahlvolk dies als Einladung zum mitmachen versteht?
All die Politiker, die sich in den letzten Jahren fuer eine Verbesserung der digitalen Infrastruktur in Deutschland stark gemacht haben, muessen sich nach der Hevelingschen Offenbarung in Grund und Boden schaemen. Die Volksvertreter, welche die neuen Medien nicht nur als Sende-, sondern vor allen Dingen als Kommunikationsplattform verstehen, wurden gestern durch einen Kollegen richtig schoen vor den Kopf gestossen! Warum sich also noch wundern, dass ein ueberfuehrter Betrueger und Blender wie Guttenberg EU-Berater fuer Internet-Freiheit wird, denn immerhin ist Ansgar Heveling, der letzte Hobbit aus Korschenbroich, auch Mitglied der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft!