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Afrikas Nachfrage nach günstiger Elektrizität: Die Bewohner werden im Dunkeln gelassen

geschrieben von Felix Baumann

Jeder von uns hat sicher schon mal die von der NASA herausgegebenen, nachts aufgenommenen Bilder unserer Erde gesehen. Dabei fällt auf, dass meist ein Kontinent in (fast) vollständiger Dunkelheit versinkt: Afrika. Das ist kein Wunder, denn in Afrika ist lediglich 42 Prozent des Gebietes elektrifiziert. Damit erreicht der Kontinent den nach der Weltbank schlechtesten Wert bei der Abdeckung mit Strom.

Wie man auf diesem Foto gut sehen kann, ist Afrika nachts überwiegend dunkel (Credit: NASA/NOAA)

Ein Grund hierfür sind die örtlichen Stromversorgungsunternehmen. Elektrizitätswerke sind die Achillesferse der örtlichen Stromversorgung und leisten täglich ihren Beitrag zum geordneten Alltag. Dabei ist die Aufgabe klar: Bedarf ermitteln, Strom einkaufen, Strom an Kunden weiterleiten, Strom abrechnen. Sie sind daher essenziell für die Aufrechterhaltung eins stabilen Betriebs. Da sie Geld von Endnutzern sammeln und diese an andere Konzerne in der Wertschöpfungskette zahlen, sind sie auch für die Sicherstellung des Geldflusses durch den gesamten Stromsektor von entscheidender Bedeutung.

Das große Problem ist nur, dass der überwiegende Anteil der Stromversorgungsunternehmen bankrott ist. Eine weitere Studie der Weltbank zeigt, dass nur 2 der 39 Elektrizitätswerke – nämlich das in Uganda und das auf den Seychellen – genügend Einkünfte erwirtschaften, um die Betriebskosten dauerhaft zu tragen und in die Infrastruktur für Wartung und Ausbau zu investieren. Weiterhin können 19 der 39 Werke gerade so ihre täglichen Betriebskosten decken (es bleibt also kein Geld für die Wartung und den Ausbau übrig). Das bedeutet, dass knapp die Hälfte alle Elektrizitätswerke die täglich entstehenden Kosten für Löhne und Versorgung nicht decken können und somit nur unregelmäßig Strom zur Verfügung stellen können.

Aber wieso funktioniert die Versorgung trotzdem noch (wenn auch unzuverlässig)?

Stromerzeuger müssen kreativ werden, damit diese ihren Strom an die Elektrizitätswerke verkaufen können. Um das Risiko einer Finanzierung zu minimieren, werden sogenannte „Put Call“-Optionen und spezielle Instrumente der Weltbank verwendet. Das Resultat daraus ist, dass die Finanzierung unglaublich komplex und teuer wird und die Leidtragenden häufig die Elektrizitätswerke bzw. die Verbraucher sind.

Auf kurze Sicht erschweren auch neue Technologien den Alltag der Versorger. In der Vergangenheit wurden riesige Stromnetze erbaut mit dem Ziel große Energiemengen zentral zu erzeugen und in das ganze Land zu schicken, anstatt die Energie in geringeren Umfang lokal beim Verbraucher zu produzieren. Die unglaubliche Skalierung ist auch ein Grund, weshalb das Geschäft mit Energie so lukrativ ist.

Aber gerade diese neuen Technologien, die kleinere Energiemengen direkt beim Verbraucher erzeugen, unterwandern die eben genannte Skalierung. Beispielsweise erlauben effizientere Turbinen es Großverbrauchern wie Zementwerken oder petrochemischen Fabriken, vom Netz unabhängig zu werden. Der Faktor, der die Produktion dabei limitiert ist nicht der Wirkungsgrad der Stromerzeugungstechnologie, sondern die mangelnde Verfügbarkeit von Brennstoffen wie Gas oder Kohle. Auch dieses Problem wird durch Innovationen wie Erdgas-Projekte gelöst.

Auf der anderen Seite werden auch kleinere Abnehmer wie Banken oder Tankstellen vom Stromnetz unabhängig. Dafür werden Technologien wie die Stromerzeugung durch Solaranlagen eingesetzt. Was zunächst wie eine gute Sache klingt, ist auf den zweiten Blick aber ein großes Problem. Denn die Elektrizitätswerke verlieren so ihre besten Kunden.

Die oben genannten,  großen Stromnetze sind dabei aber immer noch der beste Weg, um große, urbane Gegenden, in denen viele arme Menschen leben, mit Strom zu versorgen. Solaranlagen würden dabei zu wenig Strom erzeugen und sind gleichzeitig fast doppelt so teuer.

Große Stromnetze ermöglichen es nicht nur, Energie weit weg von dem Ort zu verkaufen, an dem sie erzeugt wird, sondern sie ermöglichen auch die Quersubventionierung der ärmsten Nutzer durch die Wohlhabenderen, was die Erschwinglichkeit insbesondere in dichten städtischen Gebieten verbessert. Angesichts der rasanten Urbanisierung in ganz Afrika wird dies in Zukunft nur noch ein Problem darstellen.

Was ist der Grund, weshalb so viele Elektrizitätswerke bankrott sind?

Zum einen sind diese unglaublich ineffizient. Würden die Versorger in die Netze investieren und Maßnahmen wie bspw. die Erhöhung des Wirkungsgrades oder das Abschalten des Stroms von Nicht-Zahlern umsetzen, dann würde die Stromversorgung schon deutlich verbessert werden. Letzteres ist einfacher, wenn es aktuelle Zählerstände gäbe und bestimmte große Akteure wie Ministerien und militärische Einrichtungen ebenfalls gezwungen werden, sich an die Regeln zu halten.

Das führt zum entscheidenden Punkt: Stromtarife. Eine Verbesserung der Energiesituation in Afrika kann nicht ohne eine Erhöhung der Stromtarife geschehen. Die meisten Energieversorger sind in staatlichem Besitz und diejenigen, die es nicht sind, werden von den Regierungen zu stark reguliert. Die Regulierungsbehörden könnten daher Preisobergrenzen festlegen, um die Erschwinglichkeit sicherzustellen.

Zwar spricht vieles für die Bereitstellung billiger, subventionierter Energie für die Ärmsten der Gesellschaft, dies sollte jedoch so erfolgen, dass nur diejenigen, die es wirklich brauchen subventioniert werden. Weiterhin muss das System in der Lage sein, Tarife zu erheben, die anfallende Kosten vollständig decken. Sollte dies nicht geschehen, dann wird das Netz in der Zukunft zusammenbrechen. Aktuell sind die Preise von den jeweiligen afrikanischen Regierungen zu niedrig angesetzt. Subventionen sind zu weitreichend und erreichen meist nicht diejenigen, die sie wirklich benötigen (da diese meist überhaupt keinen Zugang zum Stromnetz haben).

Leider ist das Ergebnis schon jetzt vorhersehbar: Die Unternehmen sind heute einfach nicht in der Lage ihren Betrieb aufrechtzuerhalten, was zu ansteigenden Verlusten und zu einer weiteren Verschlechterung der Dienstleistung führt.

Außerdem wird es voraussichtlich auch keine Mittel geben, um bestehende Kapazität für mehr Kunden oder einen potenziellen Anstieg des Verbrauchs zu erweitern. Dies führt zu einem weiteren Rückgang der Verfügbarkeit und dazu, dass immer mehr Menschen ohne Stromversorgung leben müssen.

Die entscheidende Frage: Was kann dagegen getan werden?

Die Weltbank schlägt vor, sich auf eine Steigerung der Effizienz zu konzentrieren. Dies soll dazu führen, dass wieder mehr potenzielle Abnehmer einen Tarif bei den Elektrizitätswerken abschließen. Die Erhöhung der Stromkosten soll dabei in kleinen Schritten und nicht sprunghaft erfolgen.

Die Technologie bietet auch eine langfristige Lösung, auch wenn diese, wie oben beschrieben, kurzfristig zu dem eigentlichen Problem beiträgt. Da erneuerbare Energie- und Speichertechnologien immer billiger und effizienter werden, ermöglichen sie die kontinuierliche Einführung intelligenterer und billigerer Mini-Netze, die selbst in städtischen Gebieten zunehmend in Reichweite der armen Bevölkerung sind. Vielleicht werden Netze eines Tages zu Marktplätzen werden, auf denen Menschen überschüssige Energie aus ihren Solaranlagen an diejenigen verkaufen können, die zu dieser Zeit einen Bedarf an Strom haben. Die Preise können dynamisch festgelegt werden, damit das Angebot der Nachfrage entsprechen kann.

Das ist aber noch alles Zukunftsmusik. Heute müssen die Regierungen die Initiative ergreifen, mutige, harte und möglicherweise unpopuläre Entscheidungen zu treffen, wenn sie das langfristige Wohlergehen ihrer Bürger verbessern wollen.

Via Quartz Africa

Über den Autor

Felix Baumann

Felix Baumann ist seit März 2022 Redakteur bei BASIC thinking. Bereits vorher schrieb er 4 Jahre für den Online-Blog Mobilegeeks, der 2022 in BASIC thinking aufging. Nebenher arbeitet Felix in einem IT-Unternehmen und beschäftigt sich daher nicht nur beim Schreiben mit zukunftsfähigen Technologien.