Einst war die Carrera-Bahn sowas wie ein Muss in deutschen Kinderzimmern. „Carrera“ entwickelte sich dabei zu einem Synonym für Autorennbahnen, ähnlich wie man „googeln“ sagt, wenn man was im Internet sucht. Auch wir haben gerne „Carrera“ gespielt. Hin und wieder waren Freunde zu Besuch, zumeist habe ich mir die Rennduelle jedoch mit meinem Dad und meinem Bruder geliefert. Zwei Autos konnten immer gegeneinander antreten, mit dem Controller habt ihr Gas gegeben und man brauchte schon einen gefühlvollen Daumen, um seine Karre nach der langen Gerade nicht irgendwo unterm Wohnzimmertisch wiederzufinden. Später gab es dann auch die Möglichkeit, die Spur zu wechseln, womit ein für damalige Verhältnisse wirklich hohes Maß an Realismus erzielt wurde.
Jahrzehnte später klingt das vermutlich alles einigermaßen lahm und da sich in dieser langen Zeit technisch nicht mehr viel auf diesem Sektor getan hat, ist es das wohl auch. Anki schickt sich nun an, der Autorennbahn komplett neues Leben einzuhauchen. Dabei ist man nicht völlig neu im Spiel, denn Anki Drive wurde bereits 2013 vorgestellt und sogar im Rahmen von Apples Entwickler-Konferenz WWDC vorgeführt. Das kam nicht ganz von ungefähr, war Anki damals iOS-exklusiv. Nun präsentiert man Anki Overdrive, welches mit einigen Neuerungen aufwarten kann und sowohl mit iOS- als auch Android-Geräten bedient werden kann.
Bei der ersten Auflage hattet ihr eine Unterlage mit einer fixen Strecke, auf der sich die Fahrzeuge bewegten. Der wesentliche Unterschied zur klassischen Autorennbahn ist hier aber nicht die unflexible Rennstrecke, sondern die künstliche Intelligenz, die in den Autos untergebracht wurde und bei denen man merkt, dass die Entwickler aus dem Gebiet der Robotik stammen. Mithilfe von nicht sichtbaren Markierungen auf dem Untergrund wissen die Fahrzeuge exakt, wo sie sich aktuell befinden, dafür wird pro Sekunde 500 mal die Umgebung gescannt.
Dadurch ist nicht nur gewährleistet, dass ihr euer Gefährt schmerzfrei mit Tablet oder Smartphone steuern könnt, die per Bluetooth verbunden sind – auch Computer-Gegner befinden sich auf der Strecke und machen euch das Leben schwer. Das halte ich für einen riesigen Vorteil gegenüber der Carrera-Bahn: Hatten eure Leute keinen Bock, durftet ihr allein eure Runden drehen. Bei Anki Overdrive könnt ihr hingegen bis zu zehn Fahrzeuge gegen euch antreten lassen, insgesamt können sich bis zu 12 Fahrzeuge auf der Strecke befinden. Dabei haben diese Fahrer allesamt einen eigenen Charakter, inklusive Namen und verschiedener Stärken und Schwächen. Mario Kart meets Carrera – so könnte man das Prinzip vielleicht noch am ehesten erklären. Nachteil dieser Autos: Bereits nach 15 Minuten Spielspaß müssen sie erst mal tanken, sprich: an die Steckdose.
In der Presse-Info liest sich das auch Spielprinzip recht martialisch, denn dort ist von „Battle-Racing“ und „Kampffahrzeugen“ die Rede. Das hängt damit zusammen, dass ihr nicht nur das Ziel habt, vor allen anderen anzukommen, sondern beispielsweise auch Fahrzeuge mit virtuellen Waffen von der Strecke zu schießen – eine Carrera-Bahn auf Steroiden, wenn ihr so wollt. In den Rennen könnt ihr Punkte sammeln, mit denen ihr wiederum Level-Ups bekommt und Fähigkeiten wie Schusskraft oder Höchstgeschwindigkeit verbessern könnt.
Zudem haben die Macher einen wesentlichen Nachteil des Vorgängers ausmerzen können. Anstelle einer Matte mit einer fest definierten Rennstrecke bekommt man es nun mit Kunststoff-Elementen zu tun, die nach Belieben zusammengesteckt werden können bzw. die durch Magnete zusammengehalten werden. Rampen, Brücken etc sorgen dafür, dass ihr wirklich abwechslungsreiche Strecken kreieren könnt. Übrigens reicht eine Test-Runde zum Lernen und die Autos kennen ab da die neue Strecke automatisch.
Der gute Teil zum Schluss: Diese äußerst viel Spielspaß versprechende Autorennbahn wird noch in diesem Jahr auch in Deutschland zu haben sein. In den USA werdet ihr für das Basic Kit 149 Dollar auf den Tisch blättern, Erweiterungen gibt es für 10-30 Dollar. Deutsche Preise kennen wir noch nicht, aber ab September soll auch hierzulande der Startschuss fallen. Die Macher wollen damit nicht mehr und nicht weniger als eine komplette Revolution des Genres und den ganz großen Angriff auf die Kinder- und Wohnzimmer. Ich persönlich kann mir vorstellen, dass dieses Spielprinzip der Autorennbahn neues Leben einhaucht und auf viel Liebe bei den Käufern trifft. Und wer jetzt schon verzweifelt überlegt, was er mir unter den Weihnachtsbaum legen soll: Mit Anki Overdrive könnt ihr nichts falsch machen!
Via: TechCrunch, Handelsblatt.com und Caschys Blog