Im Oktober 2012 habe ich das erste Mal von Audis Bemühungen gehört, Benzin wie Diesel auf CO2-neutrale Weise herzustellen. Seitdem verfolge ich die Bestrebungen sehr interessiert. Im US-Bundesstaat New Mexico betreibt Audi gemeinsam mit dem US‑Unternehmen Joule eine Versuchsanlage, in der – salopp formuliert – eine bestimmte Zellform in einem Fussballfeld voller Schläuche lebend mit Brack- oder Salzwasser und CO₂ gefüttert wird. Das Ganze setzt man dann ein Weilchen der Sonne aus und die Zellform verwandelt die Zugaben in eine Molekül-Kette um, die unserem Benzin sehr ähnlich ist. Zack, fertig ist der synthetisch erzeugte Sprit. Der Clou an dem Verfahren ist, dass man einen CO₂ -Kreislauf generiert. Das CO₂ , was beim Verbrennen des Treibstoffs erzeugt wird, benötigt man in gleicher Menge, um die Menge von Sprit wieder zu erzeugen, die man verwendet hat, um das CO2 auszustossen.
Parallel dazu arbeitet Audi an e-gas. In Werlte, nahe Oldenburg, hat man dazu im Juni 2013 eine e-gas-Anlage eingeweiht und wenig später in Betrieb genommen. Das Verfahren und das Produkt der Anlage ist ähnlich wie oben aufgezeichnet. Im ersten Schritt nutzt die Anlage überschüssigen Grünstrom (Windkraft von der Nordsee), um mit drei Elektrolyseuren Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff zu spalten (Der Wasserstoff könnte als Treibstoff für künftige Brennstoffzellen-Autos dienen, so weit sind wir aber leider noch nicht). Im zweiten Verfahrensschritt erfolgt die Methanisierung. Durch die Reaktion des Wasserstoffs mit CO₂ entsteht hierbei synthetisches Methan, das Audi e-gas. Es ist mit fossilem Erdgas nahezu identisch und wird über eine bereits vorhandene Infrastruktur, das deutsche Erdgasnetz, an die CNG-Tankstellen bundesweit verteilt. Die Anlage ist mittlerweile produktiv.
Vor vier Monaten wurde gemeinsam mit dem Dresdner Energietechnikunternehmen sunfire eine neue Forschungsanlage im Dresden in Betrieb genommen. Diese produziert nun seit einigen Tagen die ersten Mengen hochwertigen Diesel‑Kraftstoff. Zur Feier der ersten Liter und als Beweis hatte man Prof. Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung, eingeladen, die am Dienstag die ersten fünf Liter in ihren Dienstwagen, praktischer Weise einen Audi A8 3.0 TDI clean diesel quattro, einfüllte.
Die Dresdener Forschungsanlage arbeitet nach dem Power‑to‑Liquid-Prinzip (PtL) und nutzt Ökostrom, um einen flüssigen Energieträger herzustellen. Als Rohstoffe benötigt sie lediglich Wasser und Kohlendioxid. Das verwendete CO2 liefert derzeit eine Biogasanlage. Zusätzlich wird demnächst ein Teil des CO2 per Direct‑Air‑Capturing – einer Technologie des Audi‑Partners Climeworks aus Zürich – aus der Umgebungsluft gewonnen.
Die Produktion des Audi e‑diesel erfolgt schrittweise: Zunächst spaltet eine Hochtemperatur-Elektrolyse das zu Dampf erhitzte Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff. Dieses Verfahren, bei dem die Temperatur mehr als 800 Grad Celsius beträgt, ist unter anderem durch Wärmerückgewinnung effizienter als konventionelle Techniken. Eine weitere Besonderheit der Hochtemperaturelektrolyse: Sie kann dynamisch betrieben werden und damit die Stromnetze bei Ökostrom-Spitzen stabiliseren.
In zwei weiteren Arbeitsschritten reagiert der Wasserstoff in Synthesereaktoren, erneut unter Druck und Temperatur, mit dem CO2. Das Resultat ist eine aus langkettigen Kohlenwasserstoffverbindungen bestehende Flüssigkeit, das so genannte Blue Crude. Der Wirkungsgrad des Gesamtprozesses – vom erneuerbaren Strom bis zum flüssigen Kohlenwasserstoff – ist mit etwa 70 Prozent sehr hoch. Ähnlich wie fossiles Rohöl lässt sich Blue Crude in einem Raffinerieprozess veredeln – zum Endprodukt Audi e‑diesel. Dieser synthetische Kraftstoff ist frei von Schwefel und Aromaten, seine hohe Cetanzahl macht ihn sehr zündwillig. Wie Labortests von Audi ergeben haben, eignet er sich als Beimischung zu fossilem Diesel oder aller Voraussicht nach auch als alleiniger Kraftstoff.
Im Rahmen einer weiteren Kooperation arbeitet Audi mit dem französischen Unternehmen Global Bioenergies an der synthetischen Herstellung von Audi e‑benzin.
Bild-Quelle: Audi Deutschland