Wir leben in einer Welt, in der wir uns langsam mit dem Gedanken vertraut machen, dass Autos künftig ohne Fahrer auskommen werden. Auf dem Weg dahin wird das Autofahren immer weiter automatisiert, so dass dem Fahrer auch lange vor dem komplett autonomen Fahrzeug immer mehr Arbeit abgenommen wird.
Sprechen wir heute über autonomes Fahren und über smarte Autos, dann ist zumeist auch die Rede davon, wie ein Auto seine Umgebung wahrnehmen kann. Mit verschiedensten Sensoren, Systemen und Kameras soll das Fahrzeug alles rund um sich herum im Auge behalten und entsprechend reagieren können. Bosch weist jetzt darauf hin, dass eine mögliche Fehlerquelle aber nach wie vor woanders zu finden ist: Innerhalb des Autos!
Es ist also schön und gut, wenn die komplette Umgebung überwacht wird. Aber all das hilft schrecklich wenig, wenn ein Fahrer abgelenkt ist, wenn er vielleicht nicht angeschnallt ist oder wenn Sekundenschlaf dafür sorgt, dass der Fahrer zeitweise die Straße überhaupt nicht mehr wahrnehmen kann.
Fährt ein Auto 50 Stundenkilometer schnell, dann reichen beim Sekundenschlaf oder bei jeder anderen Ablenkung bereits drei Sekunden, damit sich das Auto zwischenzeitlich 42 Meter weit bewegen kann, ohne dass der Fahrer auf eine unvorhergesehene Situation reagieren könnte. Genau hier setzt Bosch nun mit einer neuen Technologie an, wie man hier zu berichten weiß. Ergänzend zu den Kameras und Sensoren außen hat Bosch ganz bewusst ein System entwickelt, welches sich nicht nach außen, sondern nach innen richtet.
Soll heißen, Künstliche Intelligenz und nach innen gerichtete Kameras behalten den Fahrer und die weiteren Passagiere im Auge. Eine Kamera im Lenkrad beispielsweise kann die Frequenz des Lidschlags verfolgen und daran erkennen, wie müde der Mensch hinter dem Steuer ist. Ebenso können Kameras erfassen, dass ein Fahrer abgelenkt ist, keinen Sicherheitsgurt angelegt hat und einiges mehr. Im Pressetext von Bosch heißt es dazu:
Um kritische Fahrsituationen und womöglich Unfälle zu vermeiden, sollen Autos künftig mit ihren Sensoren nicht mehr nur auf die Straße, sondern auch auf den Fahrer, Beifahrer und weitere Passagiere achten. Bosch hat dafür ein neues System zur Innenraumbeobachtung mit Kameras und künstlicher Intelligenz (KI) entwickelt.
Die Kameras sollen auch die Beifahrer im Blick behalten, wenn zum Beispiel ein Kind hinten im Wagen versehentlich den Gurt gelöst hat. Die Hauptaufmerksamkeit richtet sich aber natürlich auf den Fahrer. Mit Hilfe von intelligenten Bildverarbeitungsalgorithmen und maschinellem Lernen wird Boschs System beigebracht zu verstehen, was der Mensch auf dem Fahrersitz da gerade tut.
Dazu braucht es nicht nur eine Kamera, die ihn im Auge behält, sondern auch künstliche Intelligenz. Das System wird mit Aufnahmen von realen Fahrsituationen trainiert und lernt anhand von Kameraaufnahmen mit Augenöffnung und Lidschlagfrequenz, wie müde der Fahrer tatsächlich ist. Weiter erkennt das entsprechend trainierte System auch, ob ein Fahrer abgelenkt ist, weil er auf den Nebenmann schaut, das Smartphone im Blick hat oder ähnliches. Das ist vor allem auch dann wichtig, wenn ein fließender Übergang geschaffen werden muss von einem automatisierten Fahren zum wieder eingreifenden Fahrer. Die Kamera in Kombination mit der KI kann hier sicherstellen, dass das Fahrzeug nicht an den Fahrer übergeben wird, solange er noch abgelenkt ist.
Wie greift das System denn überhaupt ein? Einem müden Fahrer kann empfohlen werden, eine Pause einzulegen. Ist ein Fahrer zu oft abgelenkt, kann auch hier vom System mehr Aufmerksamkeit eingefordert werden. Alternativ kann das Bosch-System gegebenenfalls auch einfach automatisch das Tempo drosseln. Bosch bietet hier viele Möglichkeiten, so dass diese genannten Optionen je nach Wunsch des Fahrzeugherstellers konfiguriert werden können bzw. den jeweiligen geltenden Gesetzen angepasst.
Noch ein Vorteil einer nach innen gerichteten Kamera: Es kann erkannt werden, dass man Kinder zu lange allein im parkenden Auto sitzen lässt. Allein in den USA sind auf diese Weise im letzten Jahr mehr 50 Kinder ums Leben gekommen. Das System von Bosch kann hier eine Nachricht ans Smartphone der Eltern schicken oder gegebenenfalls sogar den Rettungsdienst alarmieren.
Abgerundet wird Boschs System durch Komfort-Features, denn die Kamera kann den Menschen hinterm Steuer identifizieren und entsprechend reagieren:
Die Innenraumkamera erkennt, welche Person auf dem Fahrersitz Platz nimmt und passt Rückspiegel, Sitzposition, Lenkradhöhe und die Einstellungen des Infotainmentsystems an die zuvor gespeicherten Präferenzen der Person an. Zudem kann die Kamera genutzt werden, um das Infotainment mittels Gesten oder Augen zu steuern.
Mit der Kombi aus KI und nach innen gerichteten Kameras möchte Bosch sicherstellen, dass man jederzeit weiß, was im Inneren des Fahrzeugs vor sich geht. Damit soll die Sicherheit, aber eben auch der Komfort erhöht werden, sagt Harald Kröger, der Geschäftsführer der Robert Bosch GmbH:
Wenn das Auto weiß, was Fahrer und Insassen gerade machen, wird Autofahren noch sicherer und komfortabler. Harald Kröger, Geschäftsführer der Robert Bosch GmbH
Boschs System soll durch seine Möglichkeiten bestenfalls sogar zum Lebensretter werden. Auch in der EU sieht man das so: Die EU-Kommission erwartet, dass durch ihre neuen Anforderungen an die Sicherheit von Fahrzeugen bis 2038 mehr als 25 000 Leben gerettet und mindestens 140 000 schwere Verletzungen vermieden werden können.
Bosch ist mit seinem neuen Service schon jetzt fit für diese Zeit ab 2022, wenn nämlich Sicherheitstechnik dieser Art in der Europäischen Union zum Standard in Neufahrzeugen erklärt wird. Da die Frage sicher auftauchen wird: Die Informationen der Innenraumbeobachtung werden nur von der Software im Auto ausgewertet, aber weder gespeichert noch an Dritte weitergegeben, erklärt Bosch. Damit beruhigt Bosch auch die Daten-Skeptiker und schnürt damit ein schönes Rundum-Glücklich-Paket für die Insassen, welches die Systeme, die nach außen blicken, sehr sinnvoll ergänzt.