Derzeit wimmelt die Nachrichtenwelt von Prognosen, wie stark die Wirtschaft der Welt und der Länder einbrechen wird. Wie zuverlässig diese sind, kann sich wohl jeder selbst ausmalen, wenn noch nicht einmal feststeht, wie lange die Eindämmungsmaßnahmen oder die Pandemie selbst andauern. Dennoch zeichnet sich in den USA ein eindeutiges Bild ab, dass die Gig-Economy zu fragil ist, um für gute Arbeitsplätze zu sorgen.
Die Freelancer der Gig-Economy können schon schon jetzt als die großen Verlierer der Krise gelten. Uber- und Lyft-Fahrer bekommen 50% weniger Aufträge als im üblichen Betrieb. Gleichzeitig sollen sich wohl aber mehr Fahrer als sonst für den Lieferdienst bereitstellen, da viele Menschen nicht ihrer regulären Arbeit nachgehen können. Uber selbst stellt eine finanzielle Überbrückungshilfe aber nur solchen Fahrern zu Verfügung, die nachweislich an Covid-19 erkrankt sind. Ansonsten haben die Gig-Economy-Worker keinen Zugang zu Krankenversicherung oder Krankengeld.
Diese Probleme sind nicht neu, aber in der Corona-Krise zeichnet sich bereits jetzt ab, wie gefährlich dieses Arbeitsmodell für die Arbeiter und Arbeiterinnen in der Gig-Economy ist. Wer finanziell keine Möglichkeit hat, Krankengeld oder Kurzarbeitergeld zu bekommen, ist dazu gezwungen, dennoch zu arbeiten. Somit setzen sich viele Uber- & Lyft-Fahrer aber Risiken aus, sich anzustecken. Damit unterlaufen sie nicht nur die Eindämmungsbemühungen der Regierung, sondern gefährden auch sich selbst – besonders, wenn sie zu den gefährdeten Risikogruppen gehören.
So wendete sich auf Reddit, ein Uber-Fahrer, der gleichzeitig College-Student ist und sich um seine kleinen Geschwister kümmert, in einer wütenden Rede gegen Uber. Als Asthmatiker gehört er zu den Menschen, für die eine Covid-19-Erkrankung durchaus lebensgefährlich verlaufen kann. Dieser Fall mag hart klingen, ist aber durchaus kein Einzelfall. Ein Busfahrer in Detroit namens Jason Hargrove ist nach Angaben von The Guardian an Covid-19 gestorben, nachdem er sich nur zwei Wochen vorher darüber beschwert hatte, dass eine Frau rücksichtslos im Bus hustete. Hargrove verurteilte in seinem Video weder “die Stadt, noch den Staat Michigan und auch nicht den Präsidenten, sondern allein die Frau, die im Bus rücksichtlos hustete”.
Zwar war Hargrove offenbar ein Angestellter der Stadt von Detroit, aber für Freiberufler besteht natürlich eine ähnlich hohe Gefahr. Ihr Beruf wird zwar nicht direkt als ein lebenswichtiger öffentlicher Dienst eingeschätzt, dennoch halten sie natürlich die Mobilität der Gesellschaft ebenso aufrecht. Anders als die öffentlichen Dienstleister sind sie aber finanziell dazu gezwungen, ihren Beruf auszuführen. Hargroves konnte seinen Hinterbliebenen durch eine Lebensversicherung zumindest für eine bestimmte Zeit ein gesichertes Auskommen gewähren. Es bestehen berechtigte Zweifel, ob das bei den Gig-Economy-Workers genauso ist.
Wir können daher froh sein, dass die Gig-Economy-Dienstleister größtenteils zur Anstellung ihrer Lieferanten gedrängt worden sind. Das Sozial- und Abgabensystem in Deutschland ist natürlich noch verwobener und dichter, sodass man als Uber- oder Lieferheldfahrer wohl kaum Chancen hätte, aus der Scheinselbstständigkeit herauszuwachsen. Die Gig-Economy im eigentlichen Sinn existiert in Deutschland daher, wie die Corona-Krise zeigt, wohl zum Glück höchstens in Nischen.