Im Interview mit dem Vice-Gründer Shane Smith meldet sich Snowden nun zum zweiten Mal in der Corona-Krise zu Wort. Er gibt seine Einschätzung, weshalb autoritäre Maßnahmen nicht nur schädlich, sondern sogar ineffektiv seien. Eine wichtige Wasserstandsmeldung der derzeit wichtigsten Stimme in Sachen Freiheit und Privatrechte.
Die Debatte in Amerika dreht sich gerade um die Sachlage, dass man in absoluten Zahlen offenbar am schwersten von der Pandemie getroffen wurde. Da der Glaube, die größte und erfolgreichste Nation der Welt zu sein dort sehr verbreitet ist, ist die Corona-Krise für das Land besonders traumatisch. Einerseits entlädt sich dies in Trump-Kritik, andererseits wird aber auch die Frage gestellt, ob nicht drastischere Maßnahmen nach dem Vorbild Chinas oder auch Südkoreas nötig wären.
Laut Snowden ist es aber ein Fehler den Zahlen der kommunistischen Regierung Chinas zu vertrauen. Derzeit werden westliche Journalisten des Landes verwiesen. Es soll verschiedene Anzeichen geben, dass die offiziellen Zahlen des Landes nicht stimmen. So sei zum Beispiel eine erhöhte Anzahl an Bestellungen von Graburnen in und aus China zu verzeichnen, die nicht zu den offiziellen Angaben des Landes passen. Zuverlässige Aussagen über die Effektivität der autoritären Maßnahmen in China könne man daher nicht machen.
Ein großer Drehpunkt des Interviews sind Regierungsmaßnahmen, die Bewegungsdaten von Nutzern speichern. In Südkorea wurden sie verwendet, um Menschen zu warnen, falls sie in der Nähe von infizierten Personen waren. Sie erhalten in diesem Fall eine Benachrichtigung der Regierung auf ihr Handy. Es handelt sich also um ein komplett anderes Modell als das westliche, das über Bluetooth Kontakt zu anderen Personen feststellt. Auch Google und Apple arbeiten derzeit gemeinsam an der Entwicklung einer solchen App.
Snowden spricht über das Bewegungstracking, das die oben genannten Firmen aber auch noch viele weitere regulär über Nutzungsdaten anwenden. Ähnlich würden auch Regierungen über Zugriff auf Funkmasten-Daten agieren. Laut dem Ex-Sicherheitsmitarbeiter können diese Daten nicht effektiv zur Eindämmung der Pandemie sorgen, solange sie anonymisiert sind. Sie erlauben nur die Erfassung von groben Bewegungsmassen. Die nicht-anonymen Daten seien laut Snowden aber eine nicht minder große Gefahr unserer bürgerlichen Freiheitsrechte, die wir über die Corona-Krise hinaus aufgeben, wenn wir jetzt nicht für sie einstehen. In Zukunft könnten diese Daten für andere Zwecke missbraucht werden – laut Snowden bauen wir daher gerade an der “Architektur der Unterdrückung”. Hinsichtlich der weltweiten Ausbreitung des Autoritarismus, die er feststellt, durchaus eine reale Gefahr – auch in Europa.
Das sehr sehenswerte Interview von Vice könnt ihr in voller Länge auf Youtube sehen.