In Deutschland haben wir es den Umständen entsprechend noch ziemlich gut getroffen, was die Todesfälle angeht, die wir dem Coronavirus verdanken. Andere Länder sind da deutlich mehr gebeutelt, wenn wir zum Beispiel nach Italien, Spanien oder Iran blicken. Unabhängig davon sind wir aber in unserer Bewegungsfreiheit derzeit sehr stark eingeschränkt.
Hier in NRW darf ich immerhin noch ohne Angabe von Gründen auf die Straße, solange mich nicht mehr als eine Person begleitet und die üblichen Regeln eingehalten werden. Aber was würde ich machen, wenn jetzt ein guter Freund oder jemand aus der Verwandtschaft verstirbt, unabhängig ob durch Covid-19 oder durch irgendwas anderes?
In dem Fall wäre man doppelt getroffen: Man verliert einen lieben oder gar geliebten Menschen und man bekommt nicht die Gelegenheit, sich angemessen von ihm zu verabschieden, weil die Ausgangsbeschränkungen das nicht zulassen. Eine Möglichkeit zur Teilnahme gäbe es aber, wenngleich es nicht das Selbe ist: Man könnte der Zeremonie per Livestream beiwohnen.
In der ersten Sekunde fand ich den Gedanken noch befremdlich, weil man mit Livestreams einfach andere Dinge verbindet. Aber schon sehr schnell konnte ich mich mit der Idee anfreunden, weil es einen absoluten Mehrwert gegenüber einer komplett verpassten Beerdigung bietet und das nicht nur in Corona-Krisenzeiten.
In diesem Fall liegt der Vorteil auf der Hand: Wir dürfen nicht raus bzw. uns nicht zu mehreren versammeln — dank Stream kann ich aber zumindest virtuell Abschied nehmen, den Worten bei der Ansprache lauschen, sich dem Menschen nochmal (relativ) nahe fühlen. Hätten wir aber gerade diese Ausgangsbeschränkung nicht, gäbe es weitere Punkte, die dafür sprechen. Gerade ältere Menschen sind nicht mehr so gut zu Fuß, dass sie problemlos so einer Zeremonie beiwohnen müssen — erst recht, wenn sie weit weg wohnen und eine lange Anreise in Kauf nehmen müssten.
Außerdem denke ich da gerade an Menschen, die es psychisch vielleicht nicht schaffen, sich mit anderen Trauernden am Grab zu versammeln. Auch für diese Leute wäre es eine Möglichkeit, der Person nochmal während der Zeremonie zu gedenken und zumindest auf eine Art irgendwie auch dabei sein zu können.
Ganz ehrlich: Bis eben wusste ich gar nicht, dass es sowas überhaupt gibt. Ich stolperte bei der Futurezone über einen entsprechenden Beitrag. Dort wurde berichtet, dass das Bestattungsunternehmen Himmelblau als erster diesen Service in Wien anbietet und weitere Unternehmen in der österreichischen Hauptstadt ebenfalls nachziehen wollen.
Es wurde darauf hingewiesen, dass nur die Zeremonie an sich gefilmt würde, nicht etwa die Reaktionen der Anwesenden. Den Livestream zuhause kann dann nur sehen, wer das benötigte Passwort besitzt. Außerdem wurde noch auf einen weiteren Vorteil hingewiesen wurde, den das Mitfilmen der Zeremonie mit sich bringt:
Darüber hinaus zeichnen wir das Ganze zusätzlich als Erinnerung bzw. für all die Angehörigen und Freunde auf, die nicht über das technische Wissen oder entsprechende Geräte verfügen, um dem Livestream beizuwohnen. Diese können das Begräbnis dann zu einem späteren Zeitpunkt ansehen Jacob Homan, Geschäftsführer des Bestattungsunternehmen Himmelblau
Eine kurze Recherche zeigte mir sehr flott, dass die Idee keinesfalls neu ist. In Großbritannien nahm dieser Trend seinen Anfang und das bereits vor zehn Jahren. Das Unternehmen Cornwall Funeral Services ist auf dem Gebiet ein ganz alter Hase und bietet seinen Kunden mehr als nur den Stream des Begräbnisses an sich.
Die Liveübertragung beginnt da nämlich schon deutlich früher — mit dem Eintreffen der ersten Gäste. Das Konzept von Cornwall Funeral Services sieht nämlich vor, dass der Livestream nicht nur möglich machen soll, dass man sieht, was sich bei der Zeremonie tut, sondern zudem dem Zuschauer auch das Gefühl vermitteln soll, selbst Teil der Veranstaltung zu sein.
Sähe man dann, wie die anderen Gäste ankommen und wie sich die Zeremonie entwickelt, würde man eher das Gefühl haben, Teil des Ganzen zu sein. Wie gesagt: Mein erster Gedanke war, dass die ganze Nummer irgendwie makaber klingt, aber im Endeffekt ist es ein wirklich sinniger Ansatz, um vielen Menschen den Zugang zur Zeremonie zu ermöglichen, die ohne diese Technik keine Chance dazu hätten.
Cornwall Funeral Services erklärt zudem, dass der frühe Beginn des Streams auch noch die Funktion habe, den Zuschauern die Möglichkeit zu bieten, vor der eigentlichen Beerdigung die Technik zu überprüfen. Der beste Livestream bringt ja auch nichts, wenn im entscheidenden Augenblick festgestellt wird, dass irgendwas nicht funktioniert und man schlimmstenfalls vor einem dunklen Screen sitzt.
Diese Dienstleistung ist mittlerweile auch in Deutschland angekommen und so kann man beispielsweise bei Mymoria nicht nur besagten Livestream buchen, sondern auch die ganze Beerdigung online planen. Eine sehr schöne Möglichkeit für all jene, die in dieser schweren Zeit nicht möchten, dass jemand zu einem ins Haus kommt und euch in Katalogen blättern lässt.
Das Krematorium Hemau geht sogar noch einen Schritt weiter: Wie bei den Wiener Kollegen gibt es die Möglichkeit, per verschlüsseltem, passwortgeschütztem Stream der Veranstaltung beizuwohnen oder sich das Ganze nachträglich als Video anzuschauen. Zusätzlich kann man aber auch noch einen Webcam-Stream dazu buchen für maximal ein Jahr, der einem die Möglichkeit gibt, rund um die Uhr zur Urne schalten zu können. Werden also vor Ort Kerzen zur Andacht angezündet, kann man auch da live dabei sein.
Gerade in diesen Zeiten könnte ich mir vorstellen, dass dieses Angebot boomen wird. Aber besonders bei Beerdigungen dürfte das Alter der Eingeladenen überdurchschnittlich hoch sein, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass es Menschen gibt, die wegen ihres körperlichen Zustands nicht vor Ort sein können. Tut es also bitte nicht vorschnell als makabere Nummer oder als Geschäftemacherei ab (zumal der Stream oftmals kostenlos angeboten wird)! Der Stream kann nicht ersetzen, was die persönliche Anwesenheit einem Trauernden bringen kann. Die Gespräche mit den Gästen, das persönliche Verabschieden vom Toten, vielleicht auch einfach das “gute” Gefühl, mit seiner Trauer unter Gleichgesinnten und nicht allein zu sein. Aber — für all die Menschen, die aus den verschiedensten Gründen nicht vor Ort sein können, ist das ein absolut probates Mittel.
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