Nach drei Jahren bei Google strebte Tavis McGinn der Sinn nach einer neuen Aufgabe. Die wartete bei Facebook auf ihn. Als Marktforscher und Marketing-Experte hoffte er insgeheim darauf, dass er als Facebook-Angestellter das tun konnte, was einem Außenstehenden wohl nie gelänge: Dieses mächtige Unternehmen mit so unendlich viel Einfluss auf die Gesellschaft wieder ein Stückchen mehr auf Kurs zu bringen.
Nicht nur er merkte, dass es beim blauen Riesen an mehreren Ecken und Enden nicht mehr passt. Seine Hoffnung: Den Amerikanern genau auf den Mund schauen und ihre Meinungen und Kritiken direkt ungefiltert an Mark Zuckerberg weitergeben. Aber es stellte sich raus, dass sein Job ganz anders ausschauen würde.
Seine Arbeit bestand nämlich nur aus einer einzigen Aufgabe: Er sollte ermitteln, wie sein Chef Mark Zuckerberg in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Konkret ging es darum, wie beliebt Zuckerberg ist und auch, welchen Bekanntheitsgrad der Facebook-Chef in den USA und vor allem im Ausland innehat.
Es ist beileibe nicht ungewöhnlich, dass Unternehmen ermitteln lassen, wie gut ein Produkt ankommt oder wie beliebt die Marke/das Unternehmen ist. Ziemlich ungewöhnlich ist es allerdings, dass ein Mensch in Vollzeit nichts anderes macht, als sich damit zu befassen, wie sein Chef außerhalb des Unternehmens wahrgenommen wird.
Tavis McGinn hat sehr genau die Reaktionen der Leute auf Postings von Zuckerberg unter die Lupe genommen, aber auch die Reaktionen auf Reden seines Chefs. Sprach Zuckerberg zum Beispiel in einer Rede über Zuwanderung, das Gesundheitswesen und die Chancengleichheit bei der Bildung, behielt McGinn im Blick, bei welchen dieser Themen die Leute wie reagierten.
Auch zu COO Sheryl Sandberg werden bei Facebook diese Daten gesammelt und ausgewertet: Wie vertrauenswürdig wirkt sie auf die Leute, wie kommt sie selbst, ihre Postings und ihre Reden bei den Leuten an und nimmt man sie überhaupt als Facebook-Managerin war oder eher durch ihre Initiativen wie Lean In. Nicht zuletzt wurde dann auch verglichen, wie ihr Standing in der Öffentlichkeit aussah, verglichen mit dem von Mark Zuckerberg. Berichtet wurde dann direkt an die beiden, aber auch an ihre Teams und sogar an externe PR-Agenturen.
Eine Arbeit, für die Tavis McGinn nach eigenen Angaben sehr, sehr viel Geld erhielt, wobei er jedoch keine Summe nennen wollte. Auch zu den Ergebnissen seiner Analysen äußert er sich nicht, weil er sich verpflichtet hat, darüber Stillschweigen zu bewahren. Trotz des guten Verdienstes hat er seinen Job bereits nach sechs Monaten wieder quittiert. Der Grund war die schiere Macht des Mark Zuckerberg. Gegenüber The Verge sagte er:
Facebook is Mark, and Mark is Facebook. Mark has 60 percent voting rights for Facebook. So you have one individual, 33 years old, who has basically full control of the experience of 2 billion people around the world. That’s unprecedented. Even the president of the United States has checks and balances. At Facebook, it’s really this one person. Tavin McGinn
Er kritisierte also, dass Mark quasi das Unternehmen selbst ist mit seinen 60 Prozent Anteil an den Stimmrechten und somit der faktischen Macht darüber, wie sich Facebook seinen zwei Milliarden Nutzern präsentiert. Selbst ein Donald Trump genießt als US-Präsident nicht so eine Narrenfreiheit. Das bedeutete für McGinn dann zwangsläufig, dass er mit seiner Arbeit nicht dazu beitragen konnte, Facebook in ein besseres Licht zu rücken oder gar positiver auszurichten.
Er sagt, dass er selbst nichts ausrichten konnte, um was an den Werten oder der Kultur Facebooks zu ändern und er vermutlich einfach zu optimistisch war. Er findet, dass Facebook schlecht für unsere Welt ist — da war es vermutlich die logische Konsequenz, schnellstmöglich wieder seinen Hut zu nehmen und weiterzuziehen.
Apropos „Facebook“ und „schlecht für die Welt“: McGinn hat jetzt sein eigenes Marktforschungs-Unternehmen gegründet und via Google Consumer Surveys 2000 US-Amerikaner danach befragt, ob Unternehmen negative Auswirkungen auf die Gesellschaft haben. In einer Liste mit Tech-Firmen gaben 32 Prozent an, dass Facebook schädlich wäre. Zum gleichen Ergebnis kamen immerhin noch 27 Prozent in einer Liste mit großen Konzernen generell (u.a. mit Marlboro, Walmart und McDonald’s).
Jede Menge zu tun also noch für Mr. Zuckerberg, damit ihm die Leute (wieder?) abnehmen, dass er mit Facebook eigentlich nur Gutes im Schilde führt. Schlecht für ihn, dass er das hinbekommen muss, ohne auf die Resultate von McGinn zählen zu können.
via t3n