Mit Inkraftsetzung des Digital Services Act (DSA) Anfang Dezember geht die EU gegen den Missbrauch durch die quasi-Monopolstellungen von Tech-Riesen wie Google, Amazon, Apple und Facebook etc. vor. Ein schon im Vorfeld kontrovers diskutierter Punkt besteht darin, die Tech-Giganten in Sachen Content-Politik und -Management zur Verantwortung zu ziehen. Es ist der erste große Versuch einer solchen Regulation seit dem Jahr 2000. Seit einer Zeit also, in der viele der heutigen Big Player noch in ihren Kinderschuhen steckten oder sogar noch gar nicht existiert haben.
Für Google und Facebook stellen die neuen Auflagen massive Herausforderungen dar. Margrethe Vestager, die derzeit zwei für dieses Thema relevante Ämter in der EU besetzt als Kommissarin für Wettbewerb und Kommissarin für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft, sagte dazu, dass “die neuen Regeln […] digitale Dienstleister, insbesondere große” dazu zwingen werden, “transparent darüber zu sein”, wie sie die “digitale Welt, die wir sehen, gestalten. Sie werden offenlegen müssen, was sie tun, um illegales Material zu beseitigen.”
Diese Content-Auflagen erläuterte Vestager auch weiter: “Sie werden uns verraten müssen, wie sie entscheiden, welche Informationen und Produkte sie uns empfehlen, und welche sie uns vorenthalten. Sie müssen uns die Möglichkeit geben, diese Entscheidungen zu beeinflussen, anstatt sie einfach für uns zu treffen. Sie müssen uns erklären, wer für Werbung zahlt und warum uns eine bestimmte Werbung angezeigt wird.” Vestager prangert also an, was viele User schon seit Jahren bewegt.
Wie könnte sich der DSA auf unsere Daten auswirken?
Es ist keine Frage, dass der DSA für die betroffenen Firmen tief greifende Schwierigkeiten heraufbeschwören dürfte. Zunächst einmal stellt sich die praktische Frage, wie eine solche Transparenz, wie sie Vestager fordert, aussehen soll. Ist sie für jeden User individuell nachvollziehbar oder wird eine allgemeine Darstellung ausreichen? Letzteres wäre vermutlich zu banal. Die erste Alternative wäre dagegen ein riesiges datentechnisches Unterfangen, bei dem wir als User vermutlich unsere Google-Profile erstmals in wirklich detaillierter Form anschauen könnten (vermutlich wie bisher durch Download der Daten). Für die einen wahrscheinlich unübersichtlich und zu viel Aufwand für und für die anderen eine weitere erschreckende Erkenntnis, was Google alles über uns weiß.
Es ist fraglich, ob dies dann Auswirkungen auf die Praxis von Google haben wird. Seinen Ruf hat Google in Kreisen, in denen Wert auf Datenschutz gelegt wird, schon lange verloren. Den weitaus größten Teil der Google-Nutzer interessieren Datenschutz-Belange höchstens am Rande. Möglich ist aber auch, dass Wettbewerber von Google einen konkreten Einblick in das Geschäftsmodell von Google erlangen und die Algorithmen kopieren könnten, dann wäre Google zwar in diesem Punkt die Monopolstellung genommen worden, aber im Endeffekt auf Kosten des Datenschutzes.
Bedenken und Kritik
Es wurden schon im Vorfeld Bedenken von Google geäußert. Karan Bhatia, der Vizepräsident für globale Regierungsbeziehungen und Politik bei Google ist, äußerte seine Position gegenüber CNBC:
“Wie wir in unserer öffentlichen und privaten Kommunikation klargemacht haben, haben wir Bedenken über bestimmte Vorschläge, die es verhindern würden, dass globale Technologie-Unternehmen den wachsenden Bedürfnissen der europäischen User und Geschäfte nachzukommen.”
Bhatia ist der Ansicht, dass der DSA Tools von Google stark behindern könnte. So gab er in einem Blogpost zu bedenken, dass europäischen Usern durch den DSA beispielsweise keine Restaurants mehr auf Google Maps angezeigt werden könnte und auch keine Plätze gebucht werden könnten. Die Überschrift lautet, dass der DSA – im Rahmen der Corona-Krise – die wirtschaftliche Erholung nicht aufhalten dürfte.
Von den Auflagen sind letzten Endes nicht nur die großen Player betroffen. Auch heimische kleinere Unternehmen könnten die strengen Auflagen treffen. Tatsächlich stellt sich die Frage, wie der DSA zumindest in diesem Punkt kleineren Unternehmen helfen soll. Zwar stellt er ein Hindernis für die größere Konkurrenz dar, aber dies bedeutet noch lange nicht, dass die kleineren Unternehmen einfach die Lücken ausfüllen können, die Google & Co. hinterlassen.
Schließlich werden die neuen Regularien nicht dafür sorgen, dass Android oder iOS beispielsweise durch ein alternatives europäisches Betriebssystem ersetzt werden. Stattdessen wäre laut Google einfach zu erwarten, dass Google einfach schlechtere Funktionen bietet.
Vielleicht könnte dies aber genau der richtige Weg sein, um Mitbewerbern von Google eine Chance zu bieten: Stück für Stück die Usability von Google – ganz im Sinne geltender Datenschutregularien – abbauen und damit die Tech-Giganten nach und nach zum Fall zwingen. Dass dies die Geburtsstunde von europäischen Tech-Giganten werden würde, bleibt dennoch unwahrscheinlich. Jedes europäische Startup, das auf halbwegs vergleichbare Größe mit namhaften US-amerikanischen Firmen wachsen würde, wäre ebenfalls vom DSA betroffen.