Erinnert ihr euch noch an AlphaGo? Die KI von Google gilt nach Deep Blue als der nächste große Schritt bei künstlichen Intelligenzen. Während ihr Vorgänger 1997 noch Schachpartien gegen Garri Kasparow für sich entscheiden konnte, schlug AlphaGo diverse Meister auf einem 19×19-Go-Brett.
Neuronale Netzwerke sind längst auch in Medien fernab der Tech-Presse Teil der Schlagzeilen. Während alle über Deep-Learning-Netzwerke sprechen, soll ein viel mächtigerer Ansatz bereits in den Startlöchern stehen.
Aktuelle neuronale Netzwerke beruhen grundlegend auf den Funktionsweisen des menschlichen Gehirns. Dank enormer Rechenleistung erledigen sie gewisse Aufgaben mittlerweile deutlich besser als Menschen dies könnten – egal ob Objekt- und Gesichtserkennung oder unterschiedliche (Video-)Spiele. Evolutionäre Algorithmen sollen jetzt den nächsten Schritt beim Thema künstliche Intelligenz einläuten. Derartige Maschinen sollen ähnlich iterativ wie die Evolution arbeiten und so durch Fehler und anschließende Selektion noch mehr Potential besitzen.
Der Ansatz selbst ist nicht neu, in den letzten 30 Jahren spielte er aber, nach Deep Learning, nur eine untergeordnete Rolle. Jetzt macht eine Arbeit von Dennis Wilson und dessen Kollegen an der Universität von Toulouse auf sich aufmerksam. Die Wissenschaftler zeigen aktuell die Entwicklung von evolutionären Computern – ihre Algorithmen übertreffen mittlerweile die Fähigkeiten von Menschen bei bekannten Arcade Spielen wie Pong, Breakout oder Space Invaders.
Programme nach dem evolutionären Ansatz arbeiten völlig anders als klassische Software. Statt ein klar vorgegebenes Problem mit einem optimierten Algorithmus zu lösen, werden viele unterschiedliche Ansätze und gar zufällig generierte Codefragmente eingegeben. Der Algorithmus generiert immer wieder neue Codes, dabei geben die Regeln vor, dass eine neue Version nicht exakt so aussehen darf wie der Vorgänger. So werden, völlig zufällig, Variablen ausgetauscht oder völlig andere Ansätze berechnet. Jede Codegeneration wird getestet, die besten Teile werden in zukünftigen Generationen bevorzugt.
Diese Ansätze werden bereits in diversen Konstruktionsprozessen eingesetzt – vom Traktorbau über die Produktion von Flugzeugteilen bis hin zur Konstruktion von Robotern.
Die Wissenschaftler der Universität von Toulouse haben diese Denkweise jetzt in eine Datenbank von Arcade-Videospielen aus den 80ern und 90ern übertragen. Die Erkenntnisse sind in der Arcade Learning Environment Plattform verfügbar. Mittlerweile sind Codes für 61 Atari Spiele veröffentlicht worden.
Programmcode, der im Rahmen des evolutionären Ansatzes entsteht, hat vor allem einen Vorteil: Er ist klein und vergleichsweise einfach reproduzierbar. Anders als bei Deep Learning kann es mitunter unmöglich sein herauszufinden, warum die Maschine entschieden hat, wie sie entschieden hat – ein Problem vor allem für zukünftige Anwendungen. Während es noch vergleichsweise unwichtig wirkt, warum eine Maschine Zug A statt B gemacht hat, könnten transparente Entscheidungsprozesse gerade im Bereich von autonomen Fortbewegungsmitteln, auch aufgrund rechtlicher Thematiken, sehr wichtig werden. Manche Wissenschaftler nutzen evolutionären Code aber auch dazu, um Deep-Learning-Algorithmen weiter zu verbessern – so verschmelzen zwei sehr mächtige Ansätze. Aber was soll da schon schiefgehen…