Das Versicherungsunternehmen “MemberSelect” verklagt den kalifornischen Autobauer Tesla wegen irreführender Angaben über die Fähigkeiten des Autopiloten. Das Feature, das gegen Aufpreis für die Fahrzeugmodelle S, X und 3 aktiviert werden kann, ist eine Kombination aus verschiedenen Fahrerassistenzsystemen. Nach Ansicht der Versicherung erweckt Tesla sowohl mit dem Produktnamen als auch mit verschiedenen Marketing-Aktionen den Eindruck, der “Autopilot” ermögliche das autonome Fahren der Fahrzeuge.
Konkret geht es um einen Fall, in dem die Versicherung den Schaden eines Versicherungsnehmers regulierte. Der US-Amerikaner David Gillie baute mit seinem Model X einen Unfall und erhielt von MemberSelect eine Summe von 112.445,54 US-Dollar für den dabei entstandenen Schaden. Die Höhe lässt darauf schließen, dass es sich nach hierzulande geltenden Maßstäben um einen wirtschaftlichen Totalschaden handelte.
„Tesla produced a semi-autonomous vehicle that misleadingly appeared to be fully autonomous.“ MemberSelect
Gillie behauptet, dass eine fehlerhafte Funktion des Autopiloten zu dem Unfall geführt habe. Er sei mit seiner Frau in seinem Model X auf der Interstate 94 in Wisconsin unterwegs gewesen, währenddessen sei der Autopilot aktiviert gewesen. Bei der Strecke scheint es sich lt. Google Maps um eine Straße mit baulich getrennten Fahrbahnen zu handeln, so dass die Aktivierung des Autopiloten hier durchaus zulässig ist. Der Fahrer behauptet, dass der Elektro-SUV plötzlich links über die Autobahn-Spurmarkierungen in eine Konstruktionszone abgedreht sei, wodurch das Modell X 90D (Baujahr 2016) mit einer Konstruktionsbarrikade kollidierte.
Gillie sagt, er habe noch vergeblich versucht, das Modell X nach rechts zu lenken, um der plötzlichen Bewegung nach links entgegenzuwirken. Er habe aber den Unfall nicht verhindern können. Laut der Klageschrift erlitt seine Ehefrau durch den Unfall „erhebliche Verletzungen“.
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Der Kläger sagt, der Autopilot umfasse um mehrere Systeme wie eine automatische Lenkung (Autosteer), einen automatischen Spurwechsel, eine automatische Notbremsfunktion, das sogenannte Traffic-Aware Cruise Control (TACC), eine Seitenkollisionswarnung und ein automatisches Einparken. In Verbindung mit diesen Systemen behaupte Tesla, dass ein mit diesen Systemen ausgestattetes Fahrzeug auf einem Highway “automatisch” fahre, die Spur wechseln und die Geschwindigkeit an den Verkehrsfluss anpassen könne.
Die Klage gewinnt eine besondere Bedeutung, weil Tesla nur eine Woche nach dem Unfall die Version 8.0 seines Autopiloten veröffentlicht habe, führen die Kläger weiter aus. Mit dieser neuen Version habe man Features hinzugefügt, die in der vorherigen Software noch nicht vorhandenen gewesen seien – und die den Unfall eventuell verhindert hätten. Vor diesem Hintergrund liegt der Fokus auf Teslas gängiger Praxis, ein noch nicht fertiges Beta-System von ganz normalen Fahrern im öffentlichen Straßenverkehr zu testen, was sowohl die Insassen als auch unbeteiligte Dritte gefährden könnte.
Die Klägerin behauptet, der Autopilot 7.0 stütze sich in erster Linie auf die nach vorn gerichtete Kamera, um Hindernisse zu erkennen. Der Autopilot 8.0 soll hingegen statt der Kamera dem ebenfalls vorhandenen Radar als primäre Quelle Priorität einräumen. Die Verwendung des Radars als primärer Sensor verhindere angeblich Situationen, in denen das Fahrzeug in der Vergangenheit nicht auf ein Hindernis reagiert habe.
Zudem erhöhe sich mit dem Autopilot 8.0 die Häufigkeit der Warnungen, mit denen ein Fahrer zur Aufmerksamkeit angehalten werde. Laut der Klage war Tesla bis zu dieser Version offenbar nicht in der Lage, rechtzeitige und angemessene Warnungen vor möglichen Ausfällen des Autopilot-Systems zu geben. So sei es dem Modell X eigentlich unmöglich gewesen, Straßenmarkierungen zu erkennen. Tesla habe es zudem versäumt, sein automatisches Notbremssystem so zu konstruieren, dass es „eine Warnung oder eine automatische Bremsung für das Kollisionsereignis abgebe“.
Die Klage liegt nun dem Kreisgericht von Lake County Illinois vor.