Die Fußballweltmeisterschaft ist vorbei. Okay, für uns Deutsche irgendwie ja schon seit ein paar Wochen, seit gestern Abend aber nun auch offiziell. In einem unterhaltsamen Finale wurde Frankreich Weltmeister und wenn man die letzten vier Wochen Revue passieren lässt, dann ist die Nation auch ein verdienter Weltmeister.
Kroatien war ebenso ein verdienter Finalist und wer weiß, wie das Spiel ausgegangen wäre, hätte nicht Stürmer-Star Griezmann durch eine Schwalbe jenen Freistoß ergaunert, der zum 1:0 für die Franzosen führte. Aber ich möchte im Grunde gar keinen Artikel über das WM-Endspiel schreiben, sondern vielmehr über den Impact, den das Battle-Royale-Game Fortnite auf Fußball-Profis hat, u.a. eben auch auf Antoine Griezmann.
Kleiner Exkurs: Phänomen Fortnite
Kennt eigentlich irgendjemand auf diesem Planeten dieses Spiel noch nicht? Epic Games und „People can fly“ haben hier DEN Gaming-Hit der letzten Jahre gelandet, über 125 Millionen Menschen zocken derzeit das Spiel. Damit lässt sich aber nicht nur bestens Zeit vertreiben, sondern für die Macher auch bestens Geld verdienen: Konkurrent PUBG hat man wie bei den Nutzerzahlen auch bei den Einnahmen längst überholt und generiert ganz erstaunliche 318 Millionen US-Dollar allein im Monat Mai dieses Jahres!
Das ist eine unfassbare Summe für ein Spiel generell, aber insbesondere, da ihr Fortnite grundsätzlich kostenlos installieren und zocken könnt. Für den zehn Euro teuren Battle Pass und optische Modifikationen wird aber von den Spielern via In-Game-Käufen so viel Geld ausgegeben, dass Epic Games von Monat zu Monat zu neuen Einnahmerekorden hechtet.
Bei solchen Summen ist es fast kein Wunder, dass bei Fortnite auch großzügig ausgeschüttet wird. Epic Games will allein in der kommenden Saison 100 Millionen US-Dollar Preisgeld ausschütten an eSportler! Wenn man weiß, dass selbst die schwerreiche FIFA für die komplette Fußballweltmeisterschaft an sämtliche 32 Teilnehmer 400 Millionen US-Dollar ausschüttet. Da bekommt man so ein bisschen ein Gefühl dafür, wo der eSport allen Unkenrufen zum Trotz mittlerweile angekommen ist.
Davon profitieren die wirklich guten Gamer auch unabhängig von offiziellen Preisgeldern, was ihr sehen könnt, wenn ihr euch die Zahl der Twitch-Kanäle anschaut, in denen fleißig Fortnite gezockt wird. Spitzenverdiener wie „Ninja“ verdienen dank Fortnite mittlerweile auf Twitch eine halbe Million Dollar monatlich, logischerweise gibt es aber auch genügend Gamer, denen diese Einnahmen verwehrt bleiben.
… aber zurück zu Griezmann
Eigentlich wollte ich aber was zu Antoine Griezmann schreiben und dazu, wie Fortnite auch aktuelle Spitzen-Fußballer prägt. Bei dem Shooter gibt es eine Vielzahl von Jubelposen, mit denen die errungenen Siege zelebriert werden können. Eine davon gab Griezmann gestern (wiederholt im Turnier) zum Besten: Eine Pose, die sich „Take the L“ nennt, was für „Take the Loss“ steht, also so viel wie „Akzeptiere die Niederlage“. Dabei springt der Protagonist wie ein Hampelmann von einem Bein aufs andere und hält sich dabei eine Hand an den Kopf, die dabei zu einem „L“ geformt ist — einer Geste für „Loser“, also Verlierer oder Versager.
Es ist die eine Sache, seine Leidenschaft für ein Spiel wie Fortnite auf diese Weise auch auf dem Fußballplatz zu zelebrieren. Es ist für mein Empfinden aber eine völlig andere, seine Gegner zu verhöhnen. Es gibt Gesten, die auf dem Rasen nichts zu suchen haben und dazu gehören zweifellos verhöhnende Gesten, in denen der Gegner als Versager hingestellt wird.
Das gilt aus meiner Sicht generell, aber im Besonderen, wenn man im wichtigsten Spiel, welches ein Fußballer erreichen kann, auf diese Weise jubelt. Dass dieser Jubel dann nicht nach einem gewagten Seitfallzieher oder Distanzschuss erfolgt, sondern einem okay verwandelten Handelfmeter, ist dabei nur eine Fußnote dieser unschönen Geschichte.
In Kombination mit seiner oben bereits erwähnten Schwalbe hat Griezmann, der angesichts seiner unbestrittenen Klasse so ein Theater überhaupt nicht nötig hat, jedenfalls nicht nur bei mir sehr viel Kredit verspielt.
Dieser #Griezmann weiß aber schon, dass das „L“ auf der Stirn auch bei Fortnite für „Loser“ steht und beim Fußball respektloser Scheiß ist? #WM2018 #FUMSLIVE #FRACRO
— FUMS (@fums_magazin) July 15, 2018
Klar ist auch, dass diejenigen, die den Kroaten die Daumen gedrückt haben, sich deutlich mehr über diese Unsportlichkeit aufregen als die Franzosen und ich möchte wetten, dass sich vermutlich einige der Kritiker nicht daran gestoßen hätten, wenn sich ein deutscher Spieler nach einem wichtigen Tor so etwas erlaubt hätte.
Das ändert aber nichts daran, dass es eine Unverschämtheit und Unsportlichkeit bleibt — und auch das Regelwerk der FIFA vorsieht, dass der Schiedsrichter dieses Vergehen hätte ahnden müssen, wie die FIFA selbst unter Regel 12 (PDF-Link) formuliert:
Wir brauchen nicht spekulieren, wie so ein Spiel ohne Griezmann mit 11 gegen 10 gelaufen wäre, oder ob ein Endspiel durch einen solchen Platzverweis mit entschieden werden sollte. Aber zumindest kann man mal auf die Regel hinweisen und wer den Gegner mit einer Loser-Geste bedenkt, hat fraglos eine „anstößige, beleidigende oder schmähende Äußerung oder Gebärde“ gebraucht.
Griezmann ist übrigens wahrlich nicht der einzige Fortnite-Fan in Fußballerkreisen. Es kursieren zahlreiche Videos im Netz (eins folgt gleich), in welchem ihr Sportler verschiedenster Nationen seht, die sich dieser Posen bedienen. Allerdings tauchen in diesen Clips auch immer wieder Szenen auf, die deutlich älter sind als das Spiel.
Das liegt daran, dass Fortnite eben sehr viele bekannte, bereits existierende Posen ins Spiel aufgenommen hat, beispielsweise Gesten wie den „Robot Dance“, den wir oft von Peter Crouch gesehen haben, das aus Gangnam Style bekannte „Ride the Pony“ oder das Dabbing. Teils wird also die ein oder andere Geste unabhängig bzw. ohne Kenntnis des Spiels Fortnite verwendet, sehr oft beziehen sich die Spieler aber ganz konkret aufs Game — u.a. übrigens auch Lewis Holtby, dessen „Take the L“-Jubel im Trikot des mittlerweile zweitklassigen HSV durch den Abstieg des Clubs seine ganz eigene Pointe erhalten hat.
Übrigens macht die Geschichte die Runde, dass auch die deutschen Spieler so zocksüchtig sind, dass ihnen in Russland bei der WM spät nachts sogar das WLAN abgedreht wurde, damit sie nicht so viel Zeit mit Spielen wie Fortnite verbringen.
So oder so: Die Griezmann-Nummer wird im Netz derzeit eifrig diskutiert und ich bin mir selbstverständlich dessen bewusst, dass sehr viele Fußball-Fans da eine andere Meinung haben als ich und finden, dass man aus einem Torjubel keine große Geschichte machen sollte. Ich persönlich halte es eben für sehr unsportlich, hab oben zudem aufs Regelwerk verwiesen und bin auch generell der Meinung, dass es ein trauriges Zeichen ist, wenn in einem WM-Finale das Inszenieren beim Torjubel im Vordergrund steht und nicht die blanke Freude, gerade vielleicht das wichtigste Tor seiner Karriere geschossen zu haben. Dazu möchte ich zum Schluss des Artikels noch auf den Beitrag des geschätzten Thomas Poppe verweisen:
Ich weiß nicht, wie es Euch geht? Ich spiele und schaue Fußball ja für den Moment. Diese zwei Sekunden zwischen "Der…
Gepostet von Thomas Poppe am Sonntag, 15. Juli 2018
Quelle: Futurezone.at