“Daddy changed the world” — das sind die Worte von George Floyds sechsjährige Tochter Gianna, etwa eineinhalb Wochen, nachdem ihr Vater brutal ums Leben gebracht wurde. Mag sein, dass das bis zu einem gewissen Punkt stimmt. Alle vier verantwortlichen Polizisten, die zunächst sehr schnell entlassen wurden, sind mittlerweile angeklagt. Der Haupttäter wegen “Second-Degree Murder”, was in etwa dem deutschen Totschlag in einem schweren Fall entspricht.
Vielleicht ist das schon ein Zeichen dafür, dass sich die Welt ändert, denn viel zu oft sind weiße Polizisten mit ihrem überharten Vorgehen gegen schwarze Bürger glimpflich bis unbeschadet davongekommen. Das setzt jetzt natürlich voraus, dass die angeklagten Polizisten auch tatsächlich zu angemessenen Strafen verurteilt werden.
Auch die Proteste, wie sie die USA selbst zu Zeiten des Rodney-King-Urteils nicht so ausschweifend und ausdauernd gesehen hat, sind ein Indiz dafür, dass dieser Mord an dem 46-jährigen George Floyd ein Mord zu viel waren. Nicht die People of Color und auch nicht all die anderen Menschen, die für tatsächliche Gleichbehandlung einstehen, werden länger dulden, dass sich erneut nichts verändert — da kann sich der orangene Präsidenten-Darsteller auf den Kopf stellen.
Da, wo jetzt aber eine riesige Welle der Solidarität über den Planeten schwappt und immer mehr Menschen weltweit sich sowohl für Gerechtigkeit, für gleiche Rechte für alle und gegen Rassismus und gegen US-Präsident Trump positionieren, gibt es aber natürlich auch weiterhin zu viele schwarze Schafe.
Es gibt die Menschen, die jetzt nur die Plünderungen und brennenden Stadtteile sehen. Menschen, die mit “All Lives Matter” einen (teils ungewollten) Arschloch-Move sondergleichen hinlegen. Menschen, die erst recht jetzt gegen PoC hetzen und Polizeiübergriffe relativieren. Und ja: Dann gibt es auch noch diese Menschen, die den tragischen Tod des George Floyd dafür nutzen, dämlich grinsend als Teil einer widerwärtigen Challenge ein kleines bisschen armselige Aufmerksamkeit zu erhaschen.
Ja, richtig gehört: Auf verschiedenen Social-Media-Plattformen sieht man junge Leute, die — oftmals lachend — auf den Hälsen ihrer Freunde knien. Die Rede ist von der George-Floyd-Challenge! Die verfolgt kein bestimmtes Ziel, es ist also nicht einmal ein fehlgeschlagener Versuch, auf eine krude Art Awareness auf ein wichtiges Thema zu erzielen. Es ist schlicht ein unwürdiger Versuch, irgendwie bei TikTok, Facebook, Instagram oder Twitter auf sich aufmerksam zu machen.
Dazu will ich sagen, dass ich mich ganz bewusst gegen Screenshots und Verlinkungen entschieden habe und diesen Scheiß nicht noch zusätzlich befeuern möchte. Wenn ihr nach dem Hashtag sucht, werdet ihr — hoffentlich — in den meisten Fällen auch keine Beispiele auf Facebook usw. finden. Das liegt daran, dass diese Plattformen sich entschieden gegen diese Challenge stellen und entsprechende Beiträge rigoros löschen.
Wie der Business Insider berichtet, haben die Facebook-Plattformen das Hashtag zur Challenge bereis gebannt. Bei TikTok finden sich noch Postings unter diesem Hashtag, allerdings handelt es sich dabei in der Regel um Beiträge, die diese Challenge mit klaren Worten kritisieren. Ein Twitter-Sprecher erklärte, dass die Challenge die Twitter-Regeln bezüglich Selbstverletzung und missbräuchlichem Verhalten verletzt und sowohl diese Postings entfernt, als auch Beiträge, die die Teilnehmer der Challenge rechtfertigen oder gar zu derartigen Postings ermuntern wollen.
Allerdings will auch Twitter die Bilder nicht pauschal löschen, wenn es sich in den Beiträgen um kritische Äußerungen handelt, die die Challenge anprangern. In diesem Fall werden die Tweets lediglich mit einer entsprechenden Warnung versehen. Auch Facebook beruft sich auf seine Gemeinschaftsregeln und zieht die Postings aus dem Verkehr, weil sie u.a. weitere Personen zur Teilnahme ermutigen könnten.
Aber nicht nur die Social-Media-Dienste gehen gegen die Challenge vor. In Großbritannien wurden gleich drei Personen wegen derartiger Beiträge sogar von der Polizei verhaftet — einmal in Schottland und in zwei Fällen in England. Das Vergehen wird als Hassverbrechen eingestuft, die jungen Männer sind gegen Kaution wieder auf freiem Fuß.
Apropos “junge Männer”: Es scheinen in der Tat hauptsächlich junge Erwachsene bzw. Heranwachsende zu sein, die sich an der Challenge beteiligen. Ich mag nicht darüber nachdenken, was das mal wieder über unser Geschlecht aussagt. Wollen wir mal hoffen, dass man diesem Treiben durch das entschiedene Vorgehen ein schnelles Ende bereiten kann — und dass die teilnehmenden Idioten flott zur Besinnung kommen und erkennen, was für eine Scheiße sie da verzapfen.
Selbst, wenn man alle derzeit diskutierten Themen wie systematischen Rassismus und Polizeigewalt beiseite lassen würde, bliebe unterm Strich immer noch eine “Fun”-Challenge, die den Namen eines unbescholtenen US-Bürgers in den Dreck zieht. Wer auch immer an dieser kranken Challenge teilnimmt, oder sie “lustig” oder “harmlos” findet: Es ist im Wesentlichen nichts anderes, als würdet ihr auf George Floyds Grab pinkeln — und selbst, wenn nur noch das letzte bisschen Resthirn aktiv ist, sollte man erkennen, wie falsch dieses Verhalten ist.
via Business Insider